Abschottungseuropa
Publiziert in 9 / 2016 - Erschienen am 9. März 2016
Vor genau 20 Jahren haben die SPIEGEL-Redakteure Hans-Peter Martin und Harald Schumann das Buch „Die Globalisierungsfalle“ veröffentlicht – Jahre vor dem 11. September, dem Auftauchen des I.S., dem Arabischen Frühling und den Flüchtlingswellen. Ein Kapitel widmet sich der brasilianischen Stadt Alphaville, einer 1973 vor den Toren São Paolos künstlich angelegten Stadt. Hier leben 50.000 Menschen aus Angst vor Kriminalität vollkommen abgeschottet von der Außenwelt. Die Siedlungen sind von meterhohen Mauern umgeben, die mit Kameras und Suchscheinwerfern ausgestattet sind. Private Wachdienste sind rund um die Uhr im Einsatz. Kinder unter zwölf Jahren dürfen die Stadt nicht verlassen, Minderjährige nur mit schriftlicher Genehmigung der Eltern, jeder Besucher muss sich ausweisen, jedes Fahrzeug wird gründlich durchsucht. Alphaville ist das selbstgewählte Ghetto der Reichen und wurde seitdem weltweit kopiert. „In Europa leben die Gewalttäter hinter den Mauern, bei uns sind es die Wohlhabenden“, fasst ein Soziologe die Situation zusammen. Anscheinend ändert sich das auch in Europa. z
Christian Zelger