Claus Oberhauser von der Pädagogischen Hochschule Tirol

Alles Verschwörung?

Oberhauser: „Bei weitem nicht alle Kritiker sind Anhänger von Verschwörungstheorien“

Publiziert in 11-12 / 2021 - Erschienen am 1. April 2021

Vinschgau - Nichts ist so, wie es scheint, es gibt keine Zufälle und alles ist miteinander verbunden. Das sind drei wesentliche Merkmale aller Verschwörungstheorien. Solche hat es in der Geschichte immer gegeben. Auf besonders fruchtbaren Boden stoßen Überzeugungen, wonach bestimmte Ereignisse oder Zustände von geheimen und bösen Mächten manipuliert werden, wenn sich Krisen einstellen und wenn Sicherheit und Halt fehlen. Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie haben Verschwörungstheorien Hochkonjunktur. „Mittlerweile haben sich verschiedene Verschwörungstheorien etabliert“, sagte Claus Oberhauser von der Pädagogischen Hochschule Tirol kürzlich bei einem Online-Abend zum Thema „Alles Verschwörung? – Die Sehnsucht nach Wahrheit in einer unsicheren Zeit.“

Von 5G bis Bill Gates und „Great Reset“

Zur Pandemie gebe es eine Vielzahl von Verschwörungstheorien. Die Palette reicht von der Theorie, wonach der Mobilfunkstandard 5G hinter Covid-19 stecke, und jener, wonach Bill Gates ein Labor für die Erzeugung des Virus finanziert hätte, bis hin zur QAnon-Bewegung (Verbreitung von Verschwörungstheorien mit rechtsextremem Hintergrund im Internet) und „Great Reset“, wonach es große Unternehmen darauf abgesehen hätten, eine neue Weltordnung zu schaffen. Es ist oft von „bösen Mächten“ im Hintergrund die, wobei auch die Regierungen, das politische System insgesamt, die Medien und auch die Wissenschaft nicht ausgespart werden. Die Problematik hinter dem Entstehen von Verschwörungstheorien ist laut dem Experten und Forscher Claus Oberhauser sehr komplex. Der Vertrauensverlust in etablierte Systeme und die Medien spielen ebenso eine Rolle wie die staatlichen Institutionen und die zum Teil unterschiedlichen Aussagen von Fachleuten und Wissenschaftlern. 

Vertrauensverlust in etablierte Systeme

Claus Oberhauser: „Es entsteht ein problematisches Gemisch zwischen Vertrauensverlust, der Suche nach Sinn und Halt und der Etablierung von Gegenöffentlichkeiten, also von Aktivitäten, die sich bewusst gegen die ‚herrschende’ Öffentlichkeit stellt.“ Angst, Vertrauensverlust und Krisen sind seit jeher ein fruchtbarer Boden für Verschwörungstheorien. Als Beispiel aus der Geschichte nannte Oberhauser das Gerücht, das sich zu Beginn des 14. Jahrhunderts verbreitete: Juden und Leprakranke hätten sich verschworen und bewusst Wasserquellen und öffentliche Brunnen vergiftet. Pauschal verharmlosen sollte man Verschwörungstheorien nicht, vor allem nicht in der heutigen Zeit, in der das Internet die Theorien sichtbarer und viel leichter zugänglich macht und ihre Verbreitung stark beschleunigt. Erkennen könne man Verschwörungstheorien oft daran, dass Opfer-Täter-Diskurse geführt werden, dass der „einfache Bürger“ zu schützen sei, dass Freiheiten und Grundrechte zu verteidigen seien und dass es „die da oben“ seien, die etwas gegen „uns da unten“ hätten. Nicht selten seien auch neonationale und rechtsextreme Nuancen zu beobachten.

„Die da oben und wir da unten“

Auch die 7 Merkmale konspirativen Denkens (CONSPIR) nannte der Referent: Widersprüchlichkeit, Generalverdacht, üble Absichten, etwas stimmt nicht, Opferrolle, immun gegen Beweise und Zufälligkeiten uminterpretieren. Auch mit Tipps und Ratschlägen, wie man mit Anhängern von Verschwörungstheorien umgehen sollte, wartete Oberhauser auf. Fehl am Platz sei es, solche Menschen zu verspotten oder über sie und ihre Theorien nur zu witzeln. Vielmehr rief Oberhauser zu faktenbasierten, logischen und auch empathischen Widerlegungen auf. Es kann auch versucht werden, verdächtige Netzwerke zu dekonstruieren, indem man hinterfragt, wer die Akteure sind, warum sie zusammenarbeiten, wie sie arbeiten, was sie erreichen wollen und welche Partei bzw. Ideologie sie auszunutzen versuchen. Zur Feststellung aus dem Publikum, wonach die sogenannten Mainstream-Medien in der Corona-Zeit viele kritisch denkende Menschen oft schnell in die Ecke der Verschwörer drängen, meinte Oberhauser: „Das geschieht nicht selten und ich halte es für hoch bedenklich, kritische Stimmen pauschal in diese Ecke zu drängen.“ 

Kritik muss immer möglich sein

Bei weitem nicht alle Menschen, welche die Corona-Maßnahmen zum Teil sicher auch mit Recht kritisieren, seien Anhänger von Verschwörungstheorien: „Es muss immer möglich und erlaubt sein, Regierungen und Gesetze zu kritisieren.“ Mancherorts, zum Beispiel in Ungarn, sei die Corona-Krise in einem gewaltigen Ausmaß zum Machterhalt ausgenutzt worden. An der freien Meinung dürfe nicht gerüttelt werden. Legitim sei in diesem Sinn auch die Diskussion darüber, ob die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie am Ende schlimme Folgen haben könnten, ohne natürlich die reale Gefahr zu relativieren. Ein Teilnehmer an der Diskussion hatte u.a. zu bedenken gegeben, dass die Zahl der Depressionen und Suizide gestiegen sei und dass nicht wenige Menschen existenzielle Ängste hätten.

Josef Laner
Josef Laner

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