Bei der Aussprache in Schlanders (v.l.): Franz Steiner, Florian Niederfriniger, Andrea Perger, Landesrat Philipp Achammer, Helmut Haller und Martin Platter

Bildung mit Billigetikett? 

Vinschger Lehrpersonen fordern Aufwertung des Bildungssystems. Treffen mit Landesrat Philipp Achammer. 

Publiziert in 8 / 2025 - Erschienen am 22. April 2025

Schlanders - In Schlanders hat sich eine Gruppe engagierter Lehrpersonen zur Initiative „Qualitätsmarke Bildung Südtirol“ zusammengeschlossen. Ihr Ziel: auf die zunehmend schwierige Situation im Bildungsbereich aufmerksam machen – mit klaren Worten, kreativen Aktionen und viel Eigeninitiative. „Wir sind eine Gruppe von Lehrpersonen, die sich dafür einsetzt, dass Bildung in Südtirol zur Priorität wird“, erklärt Andrea Perger, Sprecherin der Initiative, im Gespräch mit dem der Vinschger. Die Sorgen der Gruppe sind vielschichtig und reichen von akuten Personalproblemen über systemische Mängel bis hin zur gesellschaftlichen Wertschätzung des Berufs. Besonders im Vinschgau sei die Situation alarmierend: Lehrkräfte wandern nach Österreich oder in die Schweiz ab, junge Menschen scheuen den Beruf. „Die Abwanderung in die benachbarte Schweiz war immer schon Thema aufgrund der Gehälter. Mittlerweile erfolgt aber auch Abwanderung in Richtung Nordtirol, wir können auch mit Österreich schon längst nicht mehr mithalten. Andere Lehrer/innen entscheiden sich für neue Berufswege in Südtirol. Das kann es doch nicht sein“, unterstreicht Perger.

„Was ist uns Bildung überhaupt wert?“

Ein zentraler Kritikpunkt: die finanzielle Ausstattung der Bildung in Südtirol. Der Landeshaushalt umfasst über acht Milliarden Euro – doch spiegelt sich das laut der Initiative nicht im Schulsystem wider. „Wir leben in keinem armen Land, aber Bildung scheint nicht so wichtig zu sein wie andere Bereiche“, kritisiert Perger. Im Vergleich mit dem Bundesland Tirol werde die Schieflage besonders deutlich: Dort komme man mit einem halb so großen Haushalt aus – bei deutlich mehr Einwohnerinnen und Einwohnern. „Die Frage ist: Was ist uns Bildung überhaupt wert?“, fragt Perger. In Südtirol gebe es kein wirkliches 13. und kein 14. Monatsgehalt für Lehrpersonen, die Sommermonate würden nicht voll bezahlt. „In Nordtirol verdient ein Berufsanfänger in etwa gleich viel, wie eine Lehrperson mit 35 Dienstjahren hier bei uns.“ Doch es geht nicht nur um Gehalt: Die Ressourcen seien allgemein knapp. „Nach Corona ist die Lage vielerorts angespannt – nicht nur in den Städten. Auch im Vinschgau haben wir Schülerinnen und Schüler, die kaum Deutsch sprechen oder besonderen Förderbedarf haben. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Kinder mit Autismus-Spektrum-Störungen stark zu. Doch mehr Unterstützung gibt es nicht“, sagt Perger. Die Zahl der Integrationslehrpersonen sei gleichgeblieben – mit spürbaren Folgen. „Lehrpersonen sind am Limit – und das merken auch die Kinder.“

Konstruktives Gespräch mit Achammer, aber… 

Mit der Qualitätsmarke Bildung Südtirol wollen die Initiatorinnen und Initiatoren gesellschaftliches Bewusstsein schaffen – und zwar mit einem ungewöhnlich direkten Ton. Die Gruppe setzt auf Social Media, kurze Clips und pointierte Slogans wie: „Nirgendwo ist Bildung so billig wie bei uns“ oder „Bildung Südtirol: Von der Ramschware zur Qualitätsmarke – wird’s Zeit, oder?“ Ende des vergangenen Jahres wurde die Initiative ins Leben gerufen, aus Eigenantrieb, ohne finanzielle Mittel, ohne professionelle Unterstützung. „Wir sind völlige Laien, mussten uns erst mit Social Media auseinandersetzen“, erzählt Perger. Und doch: Die Aktion schlug Wellen. Bereits einen Tag nach dem offiziellen Start meldete sich Bildungslandesrat Philipp Achammer, ein Gesprächstermin folgte Anfang April in der WFO Schlanders. „Es war ein wirklich konstruktives Gespräch. Er sieht die Probleme, aber er sagt, er ist nicht der Finanzlandesrat“, so Perger nüchtern. So obliege es nicht dem Bildungslandesrat, weitere Ressourcen für den Schulbereich fest einzuplanen. Ob es schnelle politische Bewegung gibt, bleibe daher vorerst offen.

„Wir sind unser eigener Bauernbund“

Für die Initiative steht jedoch fest: Es braucht Druck von außen. „Wir Lehrerinnen und Lehrer haben keine Lobby. Deshalb vertreten wir uns selbst, wir sind sozusagen unser eigener Bauernbund“, sagt Perger. Der Vergleich kommt nicht von ungefähr: Während andere Berufsgruppen lautstark und erfolgreich ihre Interessen vertreten, fühlen sich Lehrpersonen oft allein gelassen – trotz der zentralen Rolle, die Bildung in einer Gesellschaft spielt. „Es geht uns nicht ums Jammern“, stellt Perger klar. „Wir möchten sensibilisieren. Bildung betrifft uns alle, nicht nur die Schule.“ Die Gruppe will weiter laut bleiben. Der Instagram-Kanal der Initiative zählt inzwischen über 1.500 Follower. Dort posten die Lehrpersonen ihre Erfahrungen, zeigen Missstände auf, geben Einblicke in ihren Arbeitsalltag. „Wir bleiben dran. Denn eines ist sicher: Ohne gute Bildung verliert Südtirol seine Zukunft“, so Perger abschließend. Die Social-Media-Auftritte sind auf Instagram unter qualitaet.bildung.suedtirol sowie auf Facebook unter Qualität Bildung Südtirol zu finden.

Michael Andres
Michael Andres
Vinschger Sonderausgabe

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