Tanja Raffl

Brücke zur Zweisamkeit

Singles haben es in Corona-Zeiten besonders schwer. Tanja Raffl: „Manchmal braucht der Zufall einen Schubs.“

Publiziert in 9-10 / 2021 - Erschienen am 18. März 2021

Meran/Vinschgau - Bei allen Problemen und Schwierigkeiten, die uns die Corona-Pandemie seit einem Jahr beschert, gibt es doch einige positive Nebeneffekte. Dazu gehört auch die Tatsache, dass sich viele Menschen darauf besinnen, was im Leben wirklich zählt. Wenn Bars, Kinos und Discos geschlossen sind, wenn die Straßen leer bleiben und das soziale Leben den Nullpunkt erreicht hat, kann es auch in den eigenen vier Wänden ziemlich düster werden. Vor allem für jene, die allein leben. „Mit dem Ausbruch der Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen sind viele Freiheiten weggebrochen. Darunter leiden vor allem Singles“, bestätigte kürzlich Tanja Raffl von der Südtiroler Partnervermittlung Herzblatt im Gespräch mit dem der Vinschger. Wenn es plötzlich nicht mehr möglich ist, sich bei Veranstaltungen, Festen oder in öffentlichen Lokalen zu treffen, „sind für alleinlebende Menschen alle Möglichkeiten, ihre Freiheiten zu genießen, dahin.“ Den richtigen Partner oder die richtige Partnerin zu finden, sei schon in der Zeit vor Corona schwierig gewesen, „und seit dem Ausbruch der Pandemie hat sich die Situation deutlich verschlechtert, vor allem während der Lockdown-Phasen,“ so Tanja Raffl. Sie führt die Südtiroler Partnervermittlung Herzblatt, die es seit 20 Jahren gibt und die in der Luis-Zuegg-Straße Nr. 28/a in Meran ihren Sitz hat, seit 6 Jahren als Eine-Frau-Betrieb. Schon unmittelbar nach dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 und auch später habe sie festgestellt, dass das Bedürfnis vieler Singles nach einer festen und echten Beziehung spürbar gewachsen sei. Hand in Hand damit sank auch die Hemmschwelle, sich an das Herzblatt zu wenden. Tanja: „Es kommen immer jüngere und auch immer ältere Kundinnen und Kunden zu mir, die Palette reicht von 30 bis zu 80 und mehr Jahren.“ In vielen Gesprächen habe sie festgestellt, „dass die Menschen erkannt haben, wie wichtig und wertvoll eine langfristige Beziehung ist.“ Immer mehr alleinlebende Menschen bringen den Mut auf, sich bei der Partnersuche helfen zu lassen: „Schon allein die Tatsache, dass sich jemand dazu aufrafft, bei mir anzurufen, heißt, dass sich er oder sie schon im Vorfeld reiflich Gedanken gemacht hat.“ In der Praxis läuft es bei Herzblatt so ab, dass die Kunden*innen bei einem ersten persönlichen Gespräch von sich, ihren Wünschen und Hoffnungen erzählen. Es folgen ein Beratungsgespräch mit der Aufnahme der Daten und die Erstellung eines Persönlichkeitsprofils. Tanja: „Wenn ich sehe, dass das Profil zu einem Mann bzw. zu einer Frau aus meiner Kundenkartei passt, mache ich den ersten Schritt und gebe in der Regel dem Mann die Telefonnummer der Frau.“ Und wie geht es weiter? „Dann können sich treffen und schauen, ob sie zueinander passen. In der Zeit vor Corona ging man zusammen Pizza essen oder traf sich auch nur zu einem Kaffee. Während der Lockdowns musste und muss man auf Spaziergänge ausweichen.“ Eine Garantie dafür, dass zwei Menschen zueinander passen, gebe es natürlich nicht: „Manchmal ist schon nach der ersten Begegnung klar, dass die Chemie nicht stimmt. Manchmal braucht es mehrere Treffen und manchmal kommt sie wirklich, die große Liebe.“ Herzblatt habe in 20 Jahren über 1.000 Paare in Südtirol zusammengeführt. Tanja versteht sich als eine Art Brückenbauerin: „Manchmal braucht der Zufall einen Schubs.“ Im Gegensatz zu Online-Portalen arbeitet Herzblatt ohne Fotos: „Wir tauschen ganz bewusst keine Fotos aus, weil Bilder nur einen Bruchteil von dem vermitteln können, was Menschen sind und was Menschen ausmacht.“ Der persönliche Kontakt werde ebenso großgeschrieben wie die Diskretion. Nicht die richtige Adresse ist Herzblatt für jene, „die nur ein Abenteuer suchen.“ Herzblatt hat Menschen aus ganz Südtirol zusammengeführt. „Auch beim Zustandekommen glücklicher und dauerhafter Beziehungen im Vinschgau durfte ich mitwirken“, freut sich Tanja. Sie lebt die Beziehungen sozusagen mit und wagt von sich zu behaupten, „mich in die Menschen, mit denen ich Kontakt habe, gut hineinfühlen zu können.“ Auch hierbei sei das gegenseitige Vertrauen das große Schlüsselwort. Noch heute kommen ihr die Tränen, wenn sie von der Entstehung einer glücklichen Beziehung im Vinschgau erzählt. Dank Herzblatt habe eine Vinschgerin nach mehreren erfolglosen Anläufen zu Weihnachten 2020 den richtigen Partner gefunden. Die kleine Tochter der Frau hatte auf einem Zettel für das Christkind den Wunsch geäußert, dass ihre Mamma doch einen Partner finden möge. Was die Vinschger generell betrifft, so seien diese laut Tanja im Vergleich zur Bevölkerung anderer Landesteile etwas zurückhaltender und weniger mutig: „Die Hemmschwelle, sich an eine Partnervermittlung zu wenden, ist noch relativ hoch. Das Thema ist zum Teil noch stark tabubehaftet. Ich wäre durchaus bereit, für Gespräche auch regelmäßig nach Schlanders zu kommen.“ Kein Tabu ist, dass sich im ganzen Land nicht zuletzt junge Bergbauern schwertun, Frauen auf ihre Höfe zu bringen. Tanja kennt diese Problematik und hat hierzu auch mit dem Bauernbund Kontakt aufgenommen.

Josef Laner
Josef Laner

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