Günther Hohenegger leitet seit 2009 das Revier Graun im Vinschgau. Seit 2005 ist er Vorstandsmitglied des Bezirkes Vinschgau und seit 2017 Bezirksjägermeister.
Rotwild ist im Winter vermehrt in Siedlungsnähe oder an Verkehrswegen zu sehen. Es folgt seinem natürlichen Instinkt und sucht klimatisch günstigere Bereiche auf.
Im Sommer steht das Rotwild gern in Hochlagen. Dort ist die Äsung gut und der Wind verbläst die Mücken.

Das Jagdjahr 2020

Bezirksjägermeister Günther Hohenegger zieht Bilanz. „Noch nie waren so viele Menschen zu allen Tageszeiten im Wald unterwegs.“

Publiziert in 13-14 / 2021 - Erschienen am 15. April 2021

Vinschgau - Eigentlich finden jedes Jahr im März die Hegeschauen der Jagdbezirke statt. Dieses Jahr sind die vor allem bei Jägern und Jägerinnen sehr beliebten Veranstaltungen nun zum zweiten Mal wegen der Covid-19-Pandemie ausgefallen. Der Vinschger Bezirksjägermeister Günther Hohenegger zieht dennoch über das vergangene Jagdjahr Bilanz. 

der Vinschger: Herr Bezirksjägermeister, was ist eigentlich eine Hegeschau?

Günther Hohenegger: In Südtirol werden Wildtiere nicht wahllos und ohne Beschränkungen bejagt. Insbesondere für Reh,- Gams- und Rotwild werden jedes Jahr Abschusspläne erstellt, die genau festlegen, wie viele Tiere welcher Altersklassen in jedem Revier erlegt werden sollen, damit die Wildpopulationen gesund bleiben und ihre Dichte dem Lebensraum angepasst ist. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass nicht zu viele, aber auch nicht zu wenige Tiere erlegt werden. Ob die Abschusspläne eingehalten werden, wird bei den jährlichen Hegeschauen überprüft, so steht es im Südtiroler Jagdgesetz. Dabei werden die Geweihe und Hörner aller im Jagdbezirk erlegten Rehböcke, Gamsen, Rothirsche und Steinböcke ausgestellt. Zuvor begutachtet eine Fachkommission die Trophäen und bestimmt die Altersklasse der Tiere. Diese Daten fließen in die Abschussplanung des kommenden Jahres ein. Sie geben nämlich Auskunft über den Zustand der Wildbestände im Jagdgebiet.

Und wie steht es nun um die Abschusspläne im Vinschgau, wurden diese erfüllt?

Die Vinschger Jäger haben die vorgegebenen Abschusspläne sehr gewissenhaft erfüllt. Insgesamt wurden 1.511 Stück Rotwild erlegt, und damit das vorgegebene Abschuss-Soll zu 92% erreicht. Nur einmal konnten wir in der Vergangenheit ein besseres Ergebnis erzielen. Bauern, Waldbesitzer und Forstbehörde blicken jedes Jahr mit Argusaugen auf die Erfüllung der Abschusspläne: Die Wildbestände sollen im Gleichgewicht mit ihrem Lebensraum stehen und Wildschäden verhindert werden. Auch die Abschusspläne für Reh- und Gamswild wurden fast zu 90% erfüllt.

Der Vinschgau ist ja bekannt für seine Rotwildbestände. Wie entwickeln sich insgesamt die Wildbestände bei uns?

Das Rotwild ist weiterhin auf dem Vormarsch. Gleichzeitig wissen wir: Wo das Rotwild zunimmt, gehen die Rehe zurück. Im Vinschgau ist es nicht anders. Im Jahr 2020 wurden zwar wieder etwas mehr Rehe erlegt als im Jahr 2019, nämlich 551 Stück. Zieht man aber den Vergleich zu früheren Jahren, so sieht man deutlich, dass das Rehwild abnimmt. Vor 20 Jahren konnten noch um die 800 Rehe jährlich zur Strecke gebracht werden. Insgesamt geht es unserem Wild aber gut, mit Sicherheit besser als derzeit vielen Menschen.

Stichwort Covid-19-Pandemie: Konnten Sie in den verschiedenen Phasen der Pandemie auch Auswirkungen auf die Fauna feststellen?

Diese Frage wurde uns Jägern heuer mehr als einmal gestellt. Während der Lockdowns mit den strengen Ausgangssperren im Frühjahr eine Beruhigung des Wild-Lebensraumes bewirkte, war es im heurigen Winter genau umgekehrt. Noch nie waren so viele Menschen zu allen Tageszeiten im Wald unterwegs wie dieses Jahr. In einem so strengen, schneereichen Winter wie heuer wirkt sich das leider besonders negativ auf die Wildtiere aus. Mit den Hinweistafeln, die der Südtiroler Jagdverband herausgegeben hat, haben wir Jäger versucht, die Menschen darauf hinzuweisen, dass Rehe, Hirsche und vor allem auch die Raufußhühner besonders im Winter Ruhe brauchen, um die kalte Jahreszeit zu überstehen. Wir wollen die Menschen damit keineswegs aus der Natur verbannen, ganz im Gegenteil. Ich finde, wir müssen gemeinsam mit allen Naturnutzern daran arbeiten, im Winter bestimmte Zonen für Tourenskigeher und Schneeschuhwanderer auszuweisen, aber auch im Sommer für die Downhill-Radfahrer und Mountainbiker, die mit ihren vielfach elektrobetriebenen Rädern ebenso immer häufiger werden. Gleichzeitig müssen wir Rückzugsgebiete für Wildtiere schaffen, die möglichst störungsfrei zu halten sind. 

Wie schwierig war denn die Jagd in Zeiten von Corona?

Die Jagd auf Reh-, Rot- und Gamswild wurde von den Covid-19-Bestimmungen kaum eingeschränkt. Anders war es bei der Jagd auf Hasen und Vögel. Diese ruhte im November/Dezember gut einen Monat lang. Was das Wildbret betrifft, so war es im vergangenen Jahr sicher etwas schwieriger als sonst, Wildbret an Metzgereien oder an die Gastbetriebe zu veräußern, weil es schon deutlich weniger Absatz gab und außerdem paradoxerweise leider einige Betriebe billiges Wildfleisch aus dem Ausland importierten. Bei den Privathaushalten spürte man hingegen schon, dass hiesiges Wildfleisch als willkommene Alternative zu Fleisch aus Massentierhaltung geschätzt wird, besonders nach Bekanntwerden diverser Fleischskandale in Deutschland. Schließlich gibt es kein Fleisch, das artgerechter erzeugt, von der Ökobilanz her besser abschneidet und noch dazu so gesund und wertvoll ist wie Wildbret aus einheimischen Wäldern. 

Der Jagdbezirk Vinschgau in Zahlen:

Fläche: 84.847 ha
Anzahl Reviere: 12
Jäger: 837
Jägerinnen: 42
Jagdaufseher: 11
Größtes Revier: Graun 19.592 ha
Kleinstes Revier: Glurns 440 ha

Josef Laner
Josef Laner

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