Im Bild (v.l.): Schützenhauptmann Joachim Frank, Professor Franz Matscher und Ehrenhauptmann Karl Pfitscher.
Unter den interessierten Zuhörern befand sich auch der Soziologe und Volksgruppenforscher Christoph Pan.

Das Südtirol-Paket und der Vergleich mit den Knödeln

Professor Matscher beleuchtet politisches Wirken von Vinschger Politikern

Publiziert in 38 / 2018 - Erschienen am 6. November 2018

Schlanders - Es war im November 1918, als italienische Truppen das Land besetzten und die getrennte Geschichte Südtirols begann. „Von einer Südtirol-Politik kann man erst nach 1919 sprechen, vorher gab es die Tirol-Politik.“ Das schickte Professor Franz Matscher aus Wien am 31. Oktober bei einem vielbeachteten und gut besuchten Vortrag in der Mittelpunktbibliothek Schlandersburg voraus. Franz Matscher, geboren am 19. Jänner 1928, wanderte 1943 mit seiner Familie nach Graz aus. Sein Vater stammte aus Schluderns. Matscher studierte Rechtswissenschaften an der Universität Graz. Von 1953 bis 1970 war er im Österreichischen Auswärtigen Dienst tätig und arbeitete in den Botschaften in Paris, Madrid und Bonn und zuletzt als Generalkonsul in Mailand. 1955 war er an den Verhandlungen zum Österreichischen Staatsvertrag beteiligt.

Diplomat und Vermittler

In seiner wissenschaftlichen Arbeit beschäftigte er sich u.a. mit Menschenrechtsschutz. Von 1977 bis 1998 war Matscher Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und von 2001 bis 2006 Rechtsschutzbeauftragter im Bundesministerium für Inneres. Die Liste der Auszeichnungen, die Franz Matscher erhalten hat, ist lang. 1996 erhielt er das Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich. 2010 wurde ihm der Große Verdienstorden des Landes Südtirol verliehen. Im Mai 2011 ernannte ihn die Schützenkompanie „Priester Josef Daney“ Schlanders unter dem damaligen Hauptmann Karl Pfitscher zum Ehrenmitglied. Für den derzeitigen Hauptmann Joachim Frank war es eine besondere Ehre, Franz Matscher zum Vortrag begrüßen zu können. Professor Matscher war ab dem Ende der 50er Jahre bis herauf in die 90er Jahre an vielen Besprechungen und Verhandlungen, die Südtirol betrafen, beteiligt. Seiner Heimat Südtirol und speziell dem Vinschgau blieb er immer treu. Zu Schlanders hatte und hat er auch deshalb einen besonderen Bezug, weil ihn eine enge Freundschaft mit seinem Vetter Leo Tumler verband, der 2010 gestorben ist. In seinem Referat zum Thema „Vinschger als Mitgestalter der Südtirol-Politik“ ging Professor Matscher auch auf Persönlichkeiten ein, die zwar aus dem Vinschgau stammen, aber vor allem in Nordtirol aktive Politik betrieben haben, ohne dabei auch einen teils erheblichen Einfluss auf Südtirol auszuüben. Erste Kontakte zum Rechtsanwalt und Politiker Karl Tinzl aus Schlanders (1888-1964) hatte Professor Matscher im Jahr 1954. Tinzls Haltung ab 1939 mag umstritten sein, „aber er hat die Südtirol-Poltik über Jahrzehnte mitgestaltet“, so Matscher. Tinzl war 1945 Gründungsmitglied der SVP und verfasste Memoranden für die SVP, vor allem in der Autonomiefrage. Als großen Unterstützer der Autonomie bezeichnet Matscher den ehemaligen Landeshauptmann von Tirol, Hans Tschiggfrey aus Nauders (1904-1963). „Nauders galt immer als Teil des Vinschgaus“, sagte Matscher, der auch auf das politische Wirken des ehemaligen, aus Schluderns stammenden Tiroler Landeshauptmannes Eduard Wallnöfer (1913-1989) einging. Vom „großen Straßenbauer“ Eduard Wallnöfer, der die Schnellstraße Ulm-Mailand (Ortlerdurchstich) bauen wollte, soll über Hans Tschiggfrey einmal gesagt haben: „Dieser stammt von der anderen Seite des Reschens, ich von dieser Seite, also sind wir beide Vinschger.“ Südtirol sei für Eduard Wallnöfer stets ein großes Anliegen gewesen „und er war ein sehr bedeutender Mitgestalter der Südtirol-Politik.“

„Stur und kantig“

Als „stur und kantig“ charakterisierte Professor Matscher den Vinschger Politiker Alfons Benedikter (1918-2010). Für Silvius Magnago sei Benedikter, „einer der Architekten der Südtiroler Autonomie“, unerlässlich gewesen. Als „aufrechten Vinschger und guten Freund“ bezeichnete Matscher den Göflaner Hans Dietl (1915- 1977). Dietl gehörte zusammen mit Peter Brugger und anderen Politikern zu jenen, die das Südtirol-Paket als unzureichend erachteten. Matscher erzählte, wie er die Paket-Gegner Brugger und Dietl mit folgendem Vergleich für das Paket überzeugen wollte, allerdings erfolglos: „Wenn ich mir 10 Knödel wünsche, aber nur 8 erhalte, stelle ich die 8 nicht weg, sondern beginne, sie zu essen.“ Auch auf die erste Phase des Südtiroler Freiheitskampfes ging Professor Matscher ein. Die Südtiroler Freiheitskämpfer hätten damals den Staat Italien wachgerüttelt und die Weltöffentlichkeit auf Südtirol aufmerksam gemacht. Zwei „Donnerschläge“ hätten zum Beginn der Paket-Verhandlungen geführt: die Polizei-Verstärkungen in Südtirol, wie sie Innenminister Mario Scelba 1961 anordnete, und das Ersuchen Österreichs an die Vereinten Nationen, sich mit der Südtirol-Frage zu befassen. 1969 kam es zur Paket-Annahme, 1992 erfolgte die Streitbeilegung. Zusätzlich zu Vinschger Politikern verwies Matscher abschließend auch auf Vinschger Persönlichkeiten bzw. Institutionen, die das kulturelle und geistige Leben im Tal und weit darüber hinaus geprägt haben. Karl Pfitscher, Ehrenhauptmann der Schützenkompanie Schlanders, würdigte abschließend das für Südtirol wertvolle Wirken des Diplomaten und „Vermittlers“ Franz Matscher. Und auch mit seiner persönlichen Überzeugung hielt Pfitscher nicht hinterm Berg: „Südtirol fährt mit der Autonomie gut. Es darf jetzt nicht darum gehen, Grenzen aufzuziehen oder nach Sezession zu streben, sondern darum, die Autonomie weiter auszubauen.“

Josef Laner
Josef Laner

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