Irmtraud Kuntner, Franz Waldner, Ilona Thöni, Herbert Raffeiner, Fabrizio Gambini mit Frau vor der Kutsche und dem Gedenkstein (im Bild von links).

Den Geistesblitz hatte er in Trafoi

Publiziert in 28 / 2014 - Erschienen am 30. Juli 2014
Die Geburtsstunde der Psychoanalyse schlug im Bergdorf Trafoi. Sigmund Freud war 1898 Gast des damals mondänen Kurortes. Trafoi - Eine ganze Reihe von Kapiteln der freien Enzyklopädie „Wikipedia“ müssen ergänzt, wenn nicht umgeschrieben werden. In allen geht es um Sigmund Freud und um die Erfindung der Psychoanalyse. In allen fehlt der Hinweis, dass Sigmund Freud im Alpenkurort Trafoi jenen Geistesblitz hatte, der zur Erfindung der Psychoanalyse führte. Wahrgenommen hat den Geistesblitz der Neurologe und Arzt aus Mähren Freud erst einige Jahre später. 1904 erschien sein Buch „Psychopathologie des Alltagslebens“ mit dem Hinweis: „Ich stand damals unter der Nachwirkung einer Nachricht, die ich wenige Wochen vorher während eines kurzen Aufenthaltes in Trafoi erhalten hatte.“ Der Satz war 1998 in italienischer Sprache auf einer Marmortafel verewigt worden und sollte an den Aufenthalt des großen Denkers erinnern. Damals habe die „Association Freudienne Internationale“ sogar einen Kongress über die „Impotenz“ abgehalten, berichtete Fabrizio Gambini. Der Psychiater aus Turin war nach Trafoi eingeladen worden, um den folgenschweren „Freud‘schen Versprecher“ zu erklären. Die wenigen Zuhörer, die sich im ­Nationalparkhaus „naturatrafoi“ den Vortrag anhörten, waren mehr als beeindruckt. Nicht, weil die Marmortafel ein unbeachtetes Dasein fristet, sondern, weil den Kongress niemand wahrgenommen hatte. Allerdings war es nicht ganz einfach, Freuds Versprecher mit Hilfe der aus Trafoi stammenden Lehrerin Irmtraud Kuntner in Deutsch und Italienisch zu erklären. Es ging ums Verdrängen, um Selbstmord wegen Impotenz in der Herzegowina, um eine Kutschenfahrt mit einem Herrn aus Bosnien, um dessen Geschichte über Fresken in Orvieto und um den Maler derselben. Freud rekonstruierte im Nachhinein, dass ihm der Maler Boltraffio nur eingefallen war, weil er Freitod und Sexualität verdrängen wollte und ihm dadurch der zutreffende Maler, Signorelli, nicht eingefallen war. Wegen seines Aufenthaltes in Trafoi und seines bosnischen Gesprächspartners sei er auf Bo-l-traf-fio gekommen. Da der Referent den Begriff „signifikant“ aus der Linguistik verwendete und auf die Bedeutung von Symbolen einging, ergaben sich Gespräche über den Mensch als Opfer seiner Geschichten und über die Freiheit des Individuums. Erst nach dem Vortrag konnten die Besucher den informativen Wert der kleinen Ausstellung einschätzen. Parkhaus-Leiterin Ilona Ortler hatte mit Texten, Belegen und Bildern von Christian Mazagg, Ortler Sammelverein, Hans Thöni, Eyrs, und - als Prunkstück - einer Kutsche aus dem Jahre 1830 von Sammler Franz Waldner aus Laas versucht, das Sigmund Freuds ­Trafoi darzustellen. Die Aus­stellung ist zu den Öffnungszeiten des Nationalparkhauses bis Oktober und ab Weihnachten bis Ostern zugänglich. s
Günther Schöpf
Günther Schöpf

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