Der letzte Auftritt war ein Rücktritt
Naturns - Der Jurist, Politologe, ausgebildete Gemeindesekretär und im Herzen Landwirt Tobias Gritsch ist in Naturns als „parteiloser, unabhängiger“ Bürgermeisterkandidat zu den Gemeinderatswahlen 2020 angetreten. Der Punkt „parteilos“ war Gritsch sehr wichtig und die Voraussetzung für seine Kandidatur. 414 Bürgerinnen und Bürger haben ihm „einen Wechsel in der Gemeindeführung“ zugetraut. Aber nach nicht einmal einem Jahr, am 20. August um 21:41 Uhr, war die Aussicht auf eine kommunale Politkarriere zu Ende. Tobias Gritsch hatte seine Rücktrittsmail an den Naturnser Gemeinderat abgeschickt und die Südtiroler Freiheit als stärkste Oppositionsgruppe im Naturnser Gemeinderat musste auf seine Fähigkeiten verzichten. Bürgermeister Zeno Christanell hat sein Ausscheiden aus dem Rat sehr bedauert, wie er dem der Vinschger nach Rücksprache wissen ließ. In der Ratssitzung vom 27. September wurde die Begründung seines Rücktritts verlesen und als Ersatz der Landesbedienstete im Amt für Handwerk, Michael Lochmann, bekannt gegeben. Zum Zeitpunkt des Gesprächs mit dem der Vinschger bewegten den
Apfelbauer Tobias Gritsch nicht gemeindepolitische Fragen, sondern die Sorge, zusätzliche Erntehelfer aufzutreiben. Trotzdem nahm er sich Zeit, in rhetorischer Vehemenz die Vorgangsweisen an der Naturnser Verwaltungsspitze zu schildern und deren Umgang mit öffentlichen Geldern anzuprangern.
der Vinschger: Herr Gritsch, sind Sie zurückgetreten, weil Sie Äpfel klauben mussten?
Tobias Gritsch: (lacht) Sicher nicht. Das hat sich seit langem angebahnt.
Bitte erklären Sie uns die Gründe Ihres Rücktritts.
Am besten, ich nehme Bezug auf mein Schreiben (liest vor). Anlass war die Einladung zur Ehrung verdienter Naturnser Bürger, die für Samstag, 11. September angekündigt worden war. Mit der offiziellen Einladung ohne Genehmigung durch den Gemeinderat wurde deutlich, dass der Bürgermeister den Gemeinderat in seiner rechtlichen und faktischen Kompetenz nicht ernst nimmt und einfach übergeht. Ein zweiter Grund waren die zu ehrenden Personen. Ich habe im Brief nur Alt-Bürgermeister Andreas Heidegger angeführt. Jemanden zum Ehrenbürger zu ernennen, der seiner Gemeinde große Schulden hinterlassen hat und der bestimmten Interessensgruppen Sonderrechte eingeräumt hat, war zu viel für mich.
Haben Sie dem Bürgermeister mit Ihrem Rücktritt einen Gefallen getan?
Das weiß ich nicht. Habe zwar eine ähnliche Frage schon von einigen Seiten gehört, aber ich bin nicht zurückgetreten, um jemandem etwas auszuwischen. Es haben sich aber viele Kritikpunkte angesammelt. Was mich zum Beispiel sehr geärgert hat, war die Art der Information. Zu spät ausgehändigte oder falsche Unterlagen machen jedem gewissenhaften Gemeinderat zu schaffen. Wie soll ich über etwas abstimmen und entscheiden, wenn ich die Inhalte nicht kenne?
Wie erklären Sie den Rücktritt Ihren Wählern?
Denen möchte ich bei dieser Gelegenheit auch einmal danken für ihr Vertrauen, aber ich wollte ein Zeichen setzen, ein möglichst starkes.
Sie haben das letztmögliche Zeichen gesetzt. Sie haben sich außer Gefecht gesetzt.
Es gibt ein altes Sprichwort: Man soll nicht leeres Stroh dreschen! Es wäre Energieaufwand, der nichts bringt - außer einem Magengeschwür. Wenn ich es dann immer wieder mit Menschen zu tun habe, die wenig guten Willens sind, noch einen gesunden Hausverstand zeigen, fühl‘ ich mich fehl am Platz. Obwohl ich rechtlich genau Bescheid weiß, aber mir das Recht vorenthalten wird und ich ohnmächtig bin, ärgere ich mich zu sehr. Das schlägt auf meine Gesundheit.
