„Die Grenzen setzt man sich selber“
Viktoria Thöni aus Burgeis ist Wissenschaftlerin mit Leib und Seele.Viel beachtete Dissertation.
BURGEIS - Die 30-jährige Burgeiserin Viktoria Thöni ist Wissenschaftlerin mit Leib und Seele. An der Universität Innsbruck forscht sie insbesondere zur Quantenbiologie. In ihrer Dissertation setzte sie sich mit quantenbiologischen Effekten auseinander. Dabei handelt es sich um einen Schnittpunkt der Quantenphysik und der Biologie. Quantenbiologie greift bei Phänomenen, die mit linearer Physik nicht erklärt werden können, wie etwa der Magnetkompass bei Vögeln. Mit ihrer Arbeit sorgte die Vinschgerin für Aufsehen. Im Rahmen der Studie wurde die Therapieform der Kernspinresonanz (tNMR) genutzt, um Mäusezellen zu bestrahlen und dadurch das Protein Cryptochrom anzuregen. Cryptochrom ist ein wichtiger Teil der sogenannten „inneren Uhr“. Es wirkt beim Tag-Nacht-Rhythmus der meisten Lebewesen entscheidend mit und kommt in allen Körperzellen vor. Das Forschungsfeld der Quantenbiologie verspricht damit völlig neue Therapieansätze. Im Interview mit dem
der Vinschger klärt die Wissenschaftlerin über ihre Forschungen auf, blickt auf die Chancen in Südtirol und spricht über die inspirierenden Worte ihres Vaters Paul sowie vieles mehr.
der Vinschger: Worum geht es in der Quantenbiologie?
Viktoria Thöni: Die Quantenbiologie befasst sich mit Prozessen in Lebewesen, die sich nicht mit klassischen physikalischen Gesetzen erklären lassen. Sie zeichnet sich durch ihre starke Interdisziplinarität aus. Ein Naturwissenschaftler wurde früher dazu ausgebildet, in allen naturwissenschaftlichen Bereichen, sowie in Philosophie und Geisteswissenschaften einen großen Kenntnisstand zu haben. Mittlerweile ist das natürlich aufgrund der riesigen Datenmengen kaum noch möglich. Allerdings haben sich durch die jahrelange fachliche Isolierung Informationsblasen gebildet, die es nun wieder zusammenzuführen gilt. Die Involvierung von Wissen aus mehreren Fachrichtungen wie Quantenphysik, Spinbiochemie und Biologie ermöglicht es der Quantenbiologie neue Erkenntnisse über verschiedenste biologische Phänomene zu gewinnen. Beispiele hierfür wären die Photosynthese, die Zellatmung oder das bessere Verständnis von Magnetfeldeffekten.
In Ihrer Forschungsarbeit untersuchten Sie die Wirkung von Kernspinresonanz auf die innere Uhr von Zellen zu unterschiedlichen Tageszeiten. Was können wir darunter verstehen?
Margit Egg und ich arbeiten schon länger an den Auswirkungen der therapeutischen Kernspinresonanz auf Säugerzellen. Das Wirkungsprinzip ist dabei ähnlich eines bildgebenden MRTs, das man aus der Klinik kennt. Ein schwaches Magnetfeld und eine korrespondierende Radiofrequenz sorgen für Resonanzbedingungen von Wasserstoffprotonen in Zellen. Diese Resonanzbedingungen sorgen für erstaunliche Effekte, die auf dem Radikalpaar-Mechanismus basieren, den man schon von Zugvögeln kennt, wenn sie sich anhand des Erdmagnetfeldes orientieren. Das „Innere Uhr“-Protein Cryptochrom spielt dabei eine große Rolle. Als wir herausgefunden haben, dass man die innere Uhr durch die Kernspinresonanz wie mit einem Schalter ein- oder abschalten kann, je nachdem ob man am Morgen oder in der Nacht behandelt, waren wir selber mehr als überrascht. Die Schnittstelle für die gefundenen Ergebnisse ist ein Sauerstoffradikal namens Superoxid. Diese Studie haben Margit Egg und ich mit Elitsa Dimova und Thomas Kietzman von der finnischen Universität Oulu und dem Spin-Biochemiker Robert Usselman von der FloridaTech (USA) durchgeführt.
Durch diese Forschungen könnten neue Therapie-Ansätze entstehen. Welche?
Bisher wurde die therapeutische Kernspinresonanz bereits für die Behandlung von Osteoporose, Osteoarthrose und Wundheilung verwendet. Die innere Uhr und der Sauerstoffsignalweg spielen bei einer großen Anzahl von Krankheiten wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Krebs eine wesentliche Rolle. Dadurch, dass die Anwendung beide Signalwege direkt ansteuert, ohne dabei DNA-Schäden hervorzurufen, könnten neue nicht invasive Therapie-Ansätze für solche Krankheiten geschaffen werden.
Wie könnte den Menschen damit geholfen werden?
Dadurch, dass die Behandlung eine nichtinvasive Möglichkeit darstellt, den Zellstoffwechsel umzuprogrammieren und chronischen Entzündungen entgegenzusteuern, ist der Anwendungsbereich größer als bisher angenommen. Wir arbeiten eng mit der deutschen Entwicklerfirma MedTec zusammen, die aufgrund von unserer Grundlagenforschung eine breite Palette von klinischen Studien durchführen kann. Im Zusammenhang mit Krebs könnte eine solche Behandlung bedeuten, dass eine Strahlentherapie, die sehr viele Nebenwirkungen mit sich bringt, vielleicht eines Tages durch die Kernspinresonanz ersetzt werden könnte. Das Wichtigste dabei ist, dass die Ethik im Vordergrund steht. Genau aus diesem Grund ist es sehr wichtig, dass auch in Zukunft viel Forschung in diesem Bereich betrieben wird.
Wie geht es mit der Forschung in diesem Bereich nun weiter?
Die Quantenbiologie ist eine relativ neue Fachrichtung. Momentan gibt es zwar in fast jeder Elite-Universität weltweit eine Forschungsgruppe, die an quantenbiologischen Forschungsfragen von internationalem Interesse arbeitet, wie Weltraumgesundheit, oder Regeneration. Allerdings ist diese Forschungsrichtung in der breiten Wissenschaftscommunity oftmals noch nicht angekommen. Margit Egg und ich setzen daher auf eine starke internationale Vernetzung, um die Grundlagenforschung im Bereich des Radikalpaarmechanismus voranzutreiben. Wir nehmen wöchentlich an einem internationalen quantenbiologischen Treffen teil, das von der UCLA und der Universität Surrey, UK, organisiert wird und arbeiten Hand in Hand mit Spinbiochemikern und Physikern. Um die Forschung weiter voranzutreiben ist es aber auch unerlässlich die Thematik nach außen zu tragen. Margit Egg behandelt dieses Thema bereits in der Lehre, was die Uni Innsbruck mehr und mehr in die Nähe der Universität Surrey (GB) rücken lässt, die im Moment den einzigen PHD-Studiengang Quantenbiologie anbietet.
Wie sind Sie zu diesem Studium und schlussendlich dieser Dissertation gekommen?
Nach der Matura der Handelsoberschule in Mals habe ich den Bachelor in Biologie und den Master im Fach molekulare Zell- und Entwicklungsbiologie abgeschlossen. Das Doktorat, das ich dieser Tage abschließen werde, habe ich im Institut für Zoologie in einem quantenbiologischen Thema bei Margit Egg durchgeführt. Sie sehen schon, es ist ein bunter Mix. Meine größte Inspiration hierbei war mit Sicherheit mein Vater Paul Thöni. Unter dem Motto „Die Grenzen setzt man sich selber“ hat er mich stets ermutigt über den Tellerrand zu blicken und Dingen, die für mich als „selbstverständlich“ galten, Raum zum Überdenken zu geben - das macht er übrigens auch heute noch (lacht). Die Quantenbiologie bietet den Raum dazu. Margit Egg und ich sind dann durch umfangreiche Recherche auf die Thematik gestoßen.
Was haben Sie nach dem Abschluss des Doktorats vor?
Ich habe bereits ein Angebot, dass ich als Postdoc, das ist die Phase zwischen der Promotion und einer möglichen Professur, an der Uni Innsbruck mit Margit Egg weiterforschen kann. Wir diskutieren oft stundenlang über wissenschaftliche Zusammenhänge. Solche Rätsel zu lüften die in der Natur vorhanden sind, hat für mich eine unbeschreibliche Schönheit, die kein Geld der Welt aufwiegen kann. Deshalb bin ich sehr froh über das Angebot und werde der Wissenschaft treu bleiben und nicht in die Privatwirtschaft gehen.
Welche Chancen für junge Wissenschaftler sehen Sie in Südtirol?
Biologie ist ein sehr vielseitiges Fach. Es gibt zahlreiche Spezifizierungen, die von Ornithologie über Botanik bis hin zu Genetik oder dem Life Science Bereich gehen. Wenn man an einem so spezifischen Thema arbeitet wie ich, ist es schwierig in Südtirol Arbeit zu finden. Ich kenne Südtiroler Wissenschaftler, die täglich nach Innsbruck pendeln oder Südtirol den Rücken kehren. Allerdings ändern sich die Zeiten. Mehr und mehr Möglichkeiten werden geschaffen und Südtirol fördert Jungwissenschaftler durch Ausschreibungen und Preise, aber auch durch diverse Arbeitsmöglichkeiten. Beispiele sind das Versuchszentrum Laimburg und die Eurac, die unter anderem Arbeitsplätze in ökologischen Fachgebieten aber auch, und nicht zuletzt dank Irene Pichler, in medizinischen Forschungsfragen wie Parkinsonforschung schaffen. Außerdem gibt es die Möglichkeit im pathologischen oder forensischen Bereich in Krankenhäusern oder aber bei der Gesundheitspolizei oder der Lebensmittelkontrolle zu arbeiten, um nur einige nennen. In meinen Augen ist es das Wichtigste, schon junge Menschen in Schulen für die Wissenschaft zu begeistern. Sie sind unsere Zukunft und durch ihr Interesse können mehr Chancen geschaffen werden können.
