Harald Stampfer, Tarsch/Goldrain Jahrgang ´77 seit vier Jahren Gebietsobmann des Vinschgau der Hotelier- und Gastwirte-Jugend (HGJ), seit 4 Jahren in der HGJ-Landesleitung.

Die Jungen rücken nach

Publiziert in 15 / 2004 - Erschienen am 29. Juli 2004
[F] Betriebsübergaben finden statt. Die Jungen drängen nach vorn. Was wollen sie anders machen? Haben sie neue Ideen? Der Burgeiser Jungunternehmer Thomas Moriggl und der Tarscher Junggastwirt Harald Stampfer über den “Schichtwechsel”, über Verkehr, über Vernetzungen und über das Befinden der Jugend in den Verbänden. Interview: Erwin Bernhart Fotos: Magdalena Dietl Sapelza [/F] “Der Vinschger”: In vielen Betrieben ist “Schichtwechsel”. Betriebsübergaben sind angesagt. Was wollen die “Jungen” von den “Alten” übernehmen? Thomas Moriggl: Unsere Väter haben in den letzten Jahrzehnten viel geleistet. Ihrem Fleiß und ihrem Geschick haben wir unseren heutigen Wohlstand zu verdanken. Die "Jungen” sollten diese Erfahrungen und dieses Potential nutzen. Sie sollten aber auch die wirtschaftliche Entwicklung im Auge behalten. Sie sollten sich einen gewissen Weitblick aneignen. Vielleicht sollten sie sogar den Mut und die Energie haben, alteingesessene Prozesse zu verändern und neue Wege zu gehen. Das ist wichtig, um einen erfolgreichen Betrieb mindestens so erfolgreich weiter führen zu können wie bisher Harald Stampfer: Grundsätzlich ist es eine große Herausforderung, in die Fußstapfen der Väter zu treten. Früher sind die Leute eher unprofessionell an das Tourismusgeschehen herangegangen. Heute haben wir eine umfangreiche Ausbildung, mehr Hintergrundwissen. Damit will ich nicht sagen, dass alles, was die Gründergeneration getan hat, schlecht war. Bei neuen Trends ist die Jugend gefragt, dort kann sie sich einbringen. Moriggl: Wir haben heute bessere Ausbildungsmöglichkeiten. Was uns auf der anderen Seite fehlt, ist das, was man nicht in einem Kurs lernen kann. Das ist die Erfahrung. Die Erfahrungswerte der “Alten” schätze ich und nutze sie auch. Ihr seids in einer Wohlstandsgesellschaft aufgewachsen. Der Wohlstand ist auch dem Tourismus, dem Handwerk und dem Unternehmertum zu verdanken. Wie kann dieser Wohlstand erhalten werden? Moriggl: Das Ziel sollte schon sein, den Wohlstand beizubehalten. Auf der anderen Seite glaube ich, dass der Wohlstand auch irgendwie eine Gefahr für die Wirtschaft darstellt, weil er dazu verleitet, nachlässig zu werden, nicht mehr weit genug in die Zukunft zu schauen. Das ist die Herausforderung für die Jungen. Das Thema Verkehr brennt unter den Nägeln. Haben die “Jungen” neue Ideen? Moriggl: Ich glaube, dass es höchste Zeit ist, eine handfeste Lösung zu finden. Mir kommt vor, dass seit 30 Jahren hin und her geschossen wird. Man muss sich endlich an einen Tisch setzen und miteinander reden, wie erwachsene Leute. Einen Kompromiss werden beide Seiten eingehen müssen, denn allen kann man es nicht recht machen. Ein Hauptprobelm ist, dass nicht miteinander sondern gegeneinander geredet wird. Wenn wir Junge die kommenden 30 Jahre in diesem Tal mit diesem Wohlstand leben wollen, dann wollen wir auch gefragt werden. Aber von den Jungen hört man wenig. Von den Jungunternehmern? Moriggl: Von der jungen Wirtschaft und von der Jugend allgemein. Habt ihr Vorschläge? Moriggl: Ich bin kein Verkehrsexperte. Ich denke, dass niemand eine Autobahn durch den Vinschgau will, auch die Wirtschaft nicht. Da wird viel Schwarzmalerei betrieben. Wir haben viele Ortschaften, die einmal eine Umfahrung hatten und bei denen heute die Sraße wieder mitten durch die Ortschaft durchgeht. Da muss man einmal die Gemeinden an den Ohren ziehen. Eine Verkehrslösung kann noch so gut sein, aber wenn dann um die Umfahrung herum wieder gebaut wird, haben wir wieder eine 50er Tafel und drei Ampeln mehr. Die größten Probleme sind die künstlichen Hindernisse. Diese machen den Verkehr stockend und damit auch dreckig. Und sie schaden der Wirtschaft. Dass der Verkehr krank macht, ist allen klar. Verkehr erzeugt Abgase und Lärm. Stimmt. Ich glaube allerdings, dass der Verkehr einer der Gründe für unseren Wohlstand ist. Aber es gibt sicher bessere Lösungen als es heute ist. Stampfer: Die Touristiker sind da geteilter Meinung. Die einen sagen, ja nicht mehr Verkehr. Andere sagen, ich profitiere davon. Wichtig ist es, sichere Sraßen zu haben, die imstande sind,das jetzige und das zukünftige Verkehrsaufkommen aufzunehmen. Gegen den Ausbau der Strecke Forst Töll dürfen wir uns deshalb nicht wehren. Der Verkehr wird in Zukunft sicher nicht weniger, da er größtenteils hausgemacht ist. Deshalb muss sich jeder selbst überlegen, welchen Beitrag er zur Eindämmung des Verkehrs leisten kann. Wer soll die Initiative ergreifen? Moriggl: Ich stelle mich zur Verfügung. Die Motivation von uns Jungen muss es sogar sein, die Initiative zu ergreifen. Warten die Touristiker auf den Zug? Stampfer: Die Touristiker haben den Zug nie gefordert. Wir werden nun schauen, das Beste daraus zu machen. Der Zug bietet einige interessante touristische Möglichkeiten, z.B. in Bezug auf den neuen Radweg. Es müssen alle Interessensgruppen an einen Tisch geholt werden. Asonsten kommt es in zehn Jahren zur “Vinschger Zugkatastrophe”, dass die neue Bahnlinie wieder geschlossen wird. Die Umwelt ist genauso ein Reizthema: Neuerschließungen bei Skipis-ten, Golfplatz, Handwerkerzonen um nur einiges zu nennen. In die Defensive geraten? Stampfer: Es kommt einem momentan schon so vor, als ob man der Übeltäter schlechthin ist. Leute, welche beispielsweise für einen Golfplatz Initiativen ergreifen, werden öffentlich an den Pranger gestellt. Die Gegner verlassen die sachliche Ebene und es wird rein auf die Emotionen und die Verunsicherung der Bevölkerung gesetzt um damit Fronten zu bilden. In Tarsch ging´s beim Lift aufs Joch einfacher? Stampfer: Da haben die Leute erkannt, dass das die letzte Rettung für das Skigebiet ist. Der Industriellenverband ist zum Verband der Unternehmer geworden. Moriggl: Der Begriff "Industrie" ist uns zu eng geworden, auch weil die Industrie immer mehr mit anderen Bereichen verwächst, wie z.B. dem Dienstleistungsbereich. Der Begriff "Industrie” wird leider noch immer teilweise mit rauchenden Schloten, men-schenfremden Hallen und mit politisch gewollten Ansiedlungen verbunden. In Wirklichkeit gibt es das alles nicht mehr, verfügt unser Land doch über eine moderne, effiziente, meist kleinstrukturierte Industrie. In vielen Fällen haben sich Handwerksbetriebe weiterentwickelt zu modernen Unternehmen. Umwelt und Wirtschaft gehören zusammen. Für das Handwerk und für die Industrie, steht sicherlich der Verkehr als Umweltthema im Vordergrund. Stillstand ist Rückschritt. So heißt es oft in der Wirtschaft. Ist das auch das Credo der Jungen? Moriggl: Hundertprozentig. Da gibt´s ein Sprichwort: “Sobald du aufhörst jemand zu werden, hast du aufgehört jemand zu sein.” Man soll jeden Tag versuchen, im Betrieb einen Schritt nach vorn zu tun. Denn von hinten kommen sie mit großen Schritten und es besteht die Gefahr überrannt zu werden. Die Länder aus dem Osten kommen? Moriggl: Das ist noch nicht das Thema. Die fetten Jahre sind vorbei. Die Auftragslage ist momentan noch gut. Sie soll laut Prognosen allerdings zurückgehen. Neue Märkte erschließen muss man, solange es einem gut geht. Das muss die Aufgabe der Jungen sein. Stampfer: Dem kann ich mich an-schließen. Gibt es bei uns wirtschaftliche Vernetzungen, die noch auszubauen sind? Moriggl: Was ich schade und auch ein bisschen gefährlich finde, ist, dass von den Wirtschafts-Verbänden im Lande jeder seine Politik macht, jeder hat sein Jahresbudget, jeder hat seine Zeitung. Jeder zieht in irgendeine Richtung. Ich bin überzeugt, dass da sehr viel Kraft und Geld und viel Potenzial verloren gehen. Was ich mir wünsche ist, dass die Verbände zusammenschauen. Sie sollen große Themen an einem Tisch besprechen. Ich bin überzeugt, wenn der Tourismus ein Problem hat, dann hat´s auch der Handwerker und die Industrie. Wenn die Landwirtschaft ein Problem hat, dann hat´s auch die Wirtschaft und umgekehrt. Stampfer: Das sehe ich genauso. Es ist ein Kreislauf, der zusammengehört. Gerade im Vinschgau wird dem Tourismus sehr wenig Bedeutung zugemessen. Vom Image her steht er an unterster Stelle. Wo es noch viele Möglichkeiten der Vernetzung gibt, sind der Nationalpark und die Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Tourismus. Haben die Jungen da konkrete Ideen? Stampfer: Auf Landesebene haben wir schon Aktionen gestartet. Die stecken aber noch in den Kinderschuhen. Finden die Junagen in den eingesessenen Wirtschaftskreisen genügend Gehör? Moriggl: Es gibt bei den Verbänden überall Jugendorganisationen. Ich glaube schon, dass es da Verbesserungspotenzial gibt. Oft werden die Jungen zu wenig angehört. Allerdings, wenn ich als junger Unternehmer ein Problem habe, sollte ich auch die Courage und den Einsatz haben, mir Gehör zu verschaffen. Stampfer: Zum HGV haben wir ein sehr gutes Verhältnis. Wir finden offene Ohren vor. Das Problem ist, dass es schwierig ist, junge Leute für eine aktive Vereinsarbeit zu begeistern. Wie ist es um die Qualifikation der Arbeiter und der jungen Führungskräfte bestellt? Moriggl: Gute Leute sind rar. Wir haben Vollbeschäftigung. Als Arbeitgeber sind wir auf jeden Mitarbeiter angewiesen. Bedingt durch die derzeitige Arbeitsmarktsituation in Südtirol sind die Auswahlmöglichkeiten in Bezug auf qualifizierte Mitarbeiter sehr beschränkt. In Deutschland hat sich diesbezüglich das Blatt schon längst gewendet. Hoher Steuerdruck und jede Menge Bürokratie erschweren den Wettbewerb zusätzlich. Stampfer: Geeignete Arbeitskräfte zu finden ist schwierig. Deshalb behilft man sich mit Gastarbeitern. Es ist allerdings eine Veränderung des Arbeitsmarktes festzustellen. Das lässt darauf hoffen, dass wir langfristig wieder mit einheimischem Personal arbeiten können Welche Sparte der Wirtschaft fehlt im Vinschgau? Moriggl: Ich glaube, dass sich die Wirtschaft ständig verändert. Die Industrie, das Handwerk und genauso genauso wie die Touristiker werden Veränderungen durchleben müssen. Die Bereiche, die wir haben, haben sehr viel Entwicklungspotenzial. Stampfer: Wir haben alle Sparten, die wir brauchen. Man kann einzelne Sparten mehr ausbauen. Im touristischen Bereich bildet der Vinschgau das Schlusslicht. Braucht´s auch einen “Schichtwechsel” in den Wirtschaftsverbänden? Moriggl: Die ideale Kombination ist ein Mix zwischen jungen Leuten mit Energie und Motivation und der Erfahrung der “Alten”. Dieser Mix ist noch nicht überall erreicht. Stampfer: In unserem Verband ist das Durchschnittsalter relativ jung. Zukunftsperspektiven? Moriggl: Wir Jungen werden es sicherlich schwieriger haben als unsere Väter. Die Jungen müssen sich Gedanken machen über ihre Zukunft. Das fehlt mir bei den jungen oft. Stampfer: Wenn wir jetzt nicht damit anfangen, uns Ziele zu setzen und Visionen zu verwirklichen, sehen wir sicherlich schlechteren Zeiten entgegen.

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