“Die katholische Bildungslady”
Publiziert in 19 / 2004 - Erschienen am 7. Oktober 2004
[K] Claudia Santer hat vor rund zwei Jahren den Wechsel vom katholischen Bildungswerk ins Bildungshaus Schloss Goldrain gewagt. Vom Bischof zu den Vinschgern.
Interview: Claudia Tapfer
Foto: Erwin Bernhart [/K]
“Der Vinschger”: Vor einem Jahr ist die Hürde für die "EFQM" Qualitätssicherung nicht bewältigt worden. Die damit verbundenen Gelder sind deshalb nicht geflossen. Hat Schloss Goldrain, als das letzte Bildungshaus im Lande, mittlerweile die Zertifizierung erhalten?
Claudia Santer: Ja, Schloss Goldrain hat heuer die Anforderungen erfüllt und somit die Qualitätskontrolle bestanden; die damit verbundene Finanzierung wird allerdings erst ab dem nächsten Jahr wirksam sein. Anfang September haben wir die schriftliche Bestätigung erhalten, dass uns das Qualitätszertifikat verliehen wird. Ausständig ist noch der individuelle Abschlussbericht, in dem auf unsere spezifischen Stärken und Potenziale Bezug genommen wird. Diesen werden wir in diesen Tagen erhalten. Trotz des Scheiterns im Vorjahr sind wir unseren Weg konsequent weiter gegangen, haben hart gearbeitet und wurden nun auch dafür belohnt.
Welche Auswirkungen sind damit verbunden?
Neben einem positiven Imagegewinn steht sicherlich die finanzielle Unterstützung im Vordergrund. Ein Teil der Förderung von Seiten des Landes ist an dieses Qualitätszertifikat gekoppelt.
Finanziell bewegte sich das Bildungshaus lange Zeit auf wackeligen Beinen. Die Genossenschaft hat erstmals 2002 einen großen Gewinn ausgewiesen. Sind damit alle Geldsorgen der Vergangenheit vom Tisch?
Leider nein. Wenn dem so wäre, würden wir natürlich mehr als zufrieden sein. Die Geldsorgen der letzten Jahre waren einfach zu groß. Wir konnten zwar auch im vergangenen Jahr ein ausgeglichenes Ergebnis erzielen, aber damit sind die finanziellen Probleme noch nicht vom Tisch. Dazu kommt, dass Schloss Goldrain eine Sonderstellung zu den übrigen Bildungseinrichtungen des Landes einnimmt. Es ist das einzige Bildungshaus, das ohne finanzielle Rückendeckung einer Institution, eines Verbandes oder einer anderen Organisation arbeiten muss. Die Gemeinden des Vinschgaus haben in diesem Zusammenhang unmissverständlich erklärt, dass sie für Bildungstätigkeit keine finanziellen Beiträge zur Verfügung stellen können. Für Investitionen rund um die Sanierung des Schlosses sind in der Vergangenheit von dieser Seite allerdings Gelder geflossen.
Von der Politik wird Kostendeckung gefordert. Ist das überhaupt möglich?
Wir versuchen uns ständig in diese Richtung zu bewegen. Im Moment ist Bildungsarbeit ohne öffentliche Beiträge jedoch unvorstellbar.
Ein kostenintensiver Posten ist das Personal. Haben Sie genug?
Wir beschäftigen zurzeit 15 Mitarbeiter und jeder von uns arbeitet sicherlich am Limit. Speziell für die Ausarbeitung neuer Initiativen und Projekte im pädagogischen Bereich wären zusätzliche Mitarbeiter von Vorteil. Aber mehr Personal ist im Moment finanziell einfach nicht drin. Ein Lob gilt an dieser Stelle dem gesamten Team für seine Leistungen.
Mit dem Restaurant würde sich das Schloss ein gutes Zubrot verdienen können. Der HGV hat dagegen geklagt. Wie steht der gerichtliche Kampf mit dem HGV über die Erhaltung einer Lizenz als öffentlicher Restaurantbetrieb?
Die Klage ist seit zwei Jahren beim Staatsrat in Rom anhängig. Derzeit liegt alles noch in der Schwebe, wir warten auf eine Mitteilung. Natürlich könnten wir uns durch den Restaurantbetrieb etwas dazuwirtschaften, die Qualität der Bildungsangebote dürfte jedoch auf keinen Fall darunter leiden.
Ist Bildungs- und Kulturbetrieb mit einem Gastbetrieb eigentlich vereinbar?
Vereinen läßt sich das Konzept eines Bildungsbetriebes mit jenem eines Gastbetriebes nicht. Unser Ziel ist es, die Bildungsteilnehmer mit ihren Bedürfnissen in den Mittelpunkt zu stellen und sie die einzigartige Atmosphäre des Schlosses erleben zu lassen. Die Ziele eines Bildungshauses unterscheiden sich wesentlich von jenen eines Gastbetriebes und somit wäre eine parallele Führung sehr schwierig. An erster Stelle steht bei uns der Bildungsbetrieb.
Böse Zungen behaupten, nach dem Abgang von Karl Perfler herrschen klosterähnliche Zustände im Schloss. Stimmt das?
Es gibt nach wie vor sehr viele Gruppen hier im Schloss, die lachen und fröhlich sind und für Leben sorgen. Also ist dem nicht so.
Bleiben wir bei den klosterähnlichen Verhältnissen: Sie kommen aus dem Katholischen Bildungswerk. Ihre Handschrift ist nicht zu übersehen. Das Programm wurde um den religiösen Bereich erweitert. Wird das ein weiterer Schwerpunkt auf Schloss Goldrain sein?
Es stimmt, ich habe über zehn Jahre das Katholische Bildungswerk der Diözese geleitet und ich habe Theologie studiert – von daher ist mir dieser Bereich auch ein persönliches Anliegen. Die bisherigen Angebote sind auf sehr große Resonanz gestoßen, und deshalb werden wir sie weiterhin pflegen. Aber auch andere Angebote im Programm sind neu. Wir versuchen unser Veranstaltungsangebot abwechslungsreich zu gestalten.
Der Bildungs- und Weiterbildungssektor ist ein heiß umkämpfter Markt. Die Genossenschaft in Spondinig ist einer der Konkurrenten im Vinschgau. Wäre eine Zusammenlegung nicht sinnvoll?
Durch eine engere Zusammenarbeit könnten sicherlich Energien gebündelt werden und ich bin durchwegs offen für Kooperationen. Aufgrund der Qualitätssicherung fehlte uns in den letzten Jahren leider die Zeit dafür, aber in Zukunft möchten wir hierfür einiges tun.
Werden Kontakte zu anderen Weiterbildungsanbietern gepflegt?
Die Leiter der Weiterbildungseinrichtungen treffen sich immer wieder, um Erfahrungen auszutauschen und aktuelle Probleme zu besprechen. Zwischen Schloss Goldrain und der Urania Meran gibt es auch kleinere Zusammenarbeiten. Zudem treffen sich die Direktoren der Bildungshäuser seit einiger Zeit regelmäßig, um über Kooperationen nachzudenken, neulich wurde beispielsweise überlegt, wie wir gemeinsames Marketing betreiben könnten. Es gibt immer mehr Strukturen, die sich für Weiterbildung öffnen, deshalb ist es sehr wichtig, dass wir uns als Bildungshäuser klar positionieren und unseren Mehrwert definieren.
Wie kommen Sie mit der Vinschger Mentalität als Nichtvinschgerin zurecht?
Ich bin herzlich aufgenommen worden und fühle mich sehr wohl im Vinschgau. Die Vinschger sind Denker- und Künstlertypen, das ist eine Mentalität, die mir sehr zusagt und die ich sehr schätze.
Wie schwer oder wie leicht ist Ihnen gefallen, aus den Turbulenzen mit ihrem Vorgänger wieder Ruhe ins Bildungshaus zu bringen?
Als ich begonnen habe, war mein Vorgänger seit zwei Monaten nicht mehr im Dienst. Durch meine zehnjährige Erfahrung in der Leitung einer Bildungseinrichtung war ich mit vielem bereits vertraut und deshalb ist mir der Übergang relativ leicht gefallen. Persönlich hat sich für mich der Horizont erweitert, von dem einen katholischen Schwerpunkt bin ich – um es mit einem Bild zu sagen – in eine bunte Blumenwiese gekommen.
Wie motivieren Sie die MitarbeiterInnen?
Durch die Qualitätssicherung ist sehr viel Transparenz in den Betrieb gebracht worden. Jeder weiß wo er steht und welcher sein Aufgabenbereich ist. Das Team hat sehr hart an der Qualitätssicherung mitgearbeitet und es war ein großer Ansporn dieses Ziel zu erreichen. Ansonsten pflegen wir das Miteinander, dazu gehören die tägliche gemeinsame Kaffeepause oder der Betriebsausflug.
Welche großen Projekte sind für die Zukunft geplant?
Als nächstes großes Projekt bieten wir einen ESF-Lehrgang für Frauen an, die sich im öffentlichen und politischen Leben engagieren. Weiters planen wir neue Veranstaltungsangebote, beispielsweise im Bereich Partnerschaft und Familie. Ganz allgemein bedeutet Bildung persönliche Weiterentwicklung, auf dem Weg sein, nicht stehen bleiben – und als Bildungshaus versuchen wir diesem ganzheitlichen Ansatz entgegenzukommen.
Wo sind die Potentiale für das Vinschger Bildungshaus?
Da ist einmal die wundervolle Atmosphäre, die dem Schloss seine Einzigartigkeit verleiht, dann die motivierten Mitarbeiter und vor allem die geistige Weite, die Freiheit vom Auftrag her. Sofern Themen oder Aktionen in unser Leitbild passen, sind wir offen für alles.