Die Seele bin ich
Kunst, Vorträge und tiefsinnige Gespräche gab es am Welttag der psychischen Gesundheit in der Tschenglsburg.
Tschengels - Gemälde, Keramik, Tonarbeiten, Skulpturen: Rund 50 Werke der Künstler vom „Treffpunkt Schlanders“, einem Treffpunkt für Menschen mit psychischer Erkrankung, sind noch bis zum 17. Oktober in der Tschenglsburg zu sehen. Passend zum Welttag der psychischen Gesundheit am 10. Oktober wurde die Ausstellung eröffnet. Es wurden auch Reden gehalten und man diskutierte eifrig über die Seele. Die Schlanderser Musiker Mara und Daniel sorgten für die kunstvolle musikalische Umrahmung. Mit dieser jährlichen Veranstaltung wolle man auf psychische Erkrankungen aufmerksam machen, wie Roman Altstätter, der Strukturleiter des Schlanderser Treffpunktes, betonte. „Alle Menschen haben eine Psyche. Es braucht Respekt, oder besser gesagt Verständnis für psychische Erkrankungen. Es braucht Wissen dazu. Leider macht es die Gesellschaft diesen Menschen eben auch aufgrund des mangelnden Wissens zu dieser Krankheit nicht immer einfach“, sagte Altstätter. Für Menschen mit einer psychischen Erkrankung seien alltägliche Dinge des Lebens eine Herausforderung. Altstätter zeigte auf ein Bild, von Kletterern, gefangen in einer senkrechten Eiswand: „Die Kletterer fürchten sich, sie haben Angst. Sie wissen nicht, wie sie diese Situation bewältigen sollen. Wenn dann Personen daneben stehen und meinen, ‚das geht schon‘, ‚nicht jammern‘, dann ist das verständlicherweise alles andere als passend. Genauso ist es bei Menschen mit psychischen Erkrankungen“. Sherpas, die den Kletterern helfen, Basislager, wo sie sich sicher fühlen, es gebe durchaus einen Ausweg aus der schier unüberwindbaren Situation. „Und solche Sherpas, Basislager und Helfer sind wir und unsere Strukturen“, verglich Altstätter.
Jeder ist willkommen
Beim „Treffpunkt Schlanders“ handelt es sich um eine Struktur der Bezirksgemeinschaft Vinschgau. Durchschnittlich besuchen rund 15 Menschen den Treffpunkt am Schlanderser Bahnhof täglich, insgesamt gibt es im Jahr mehr als 2.000 Frequenzen von 35 unterschiedlichen Personen. Im Treffpunkt ist jeder willkommen. „Auch wenn es nur für eine kurze Zeit ist, jeder kann spontan vorbei kommen“, so Altstätter. Personen aus dem ganzen Vinschgau im Alter von 18 bis 65 Jahren kommen in die Einrichtung nach Schlanders. Die Zusammenarbeit mit weiteren Strukturen sowie Institutionen klappe seit jeher hervorragend. „Komplimente an Roman, der sich immer wieder mit diesen Themen auseinandersetzt und ein ganz besonders großes Lob an die Künstler für ihre Gestaltungsvielfalt“, lobte der Präsident der Bezirksgemeinschaft, Andreas Tappeiner. Die Psyche werde in einer materiellen Welt immer wichtiger. „Kunst kann vieles zum Ausdruck bringen und ich bin froh, dass ihr den Mut gefunden habt, euer Werke der Öffentlichkeit zugänglich zu machen“, betonte Tappeiner. Viel Lob gab es auch von Karin Tschurtschenthaler. „Mit Menschen wachsen – das ist unser Auftrag“, erklärte die Direktorin der Sozialdienste in der Bezirksgemeinschaft Vinschgau.
Was ist die Seele?
„Wenn es um die Seele geht, dann ist die Tschenglsburg ein passender Ort dafür“, so Altstätter. Noch bevor Karl Perfler mit seinem Vortrag über die Seele beginnen konnte, gab es ein Geburtstagsständchen für den Kulturwirt der Burg. „Was ist die Seele? Ich habe mir meine Gedanken darüber gemacht. Es ist schwierig zu sagen, was die Seele ist. Ich glaube, es ist die Beziehung zum eigenen Ich. Der Bezug zu mir selbst, die Empfindung, die mir erlaubt, mit mir selbst in den Dialog zu treten. Man könnte sagen, die Seele bin ich“, so Perfler. Wenn dieses Empfinden gestört sei, könne man aus dem Gleichgewicht fallen. „Durch angeborene Probleme oder durch Erlebtes, wenn der Bezug zum Kern, zum eigenen Ich gestört wird, wird es problematisch. Es entsteht das Gefühl der Wertlosigkeit“, führte er aus. Es gelte, den Menschen mit seelischen Problemen ihren Selbstwert zurückzugeben. „Die seelisch Starken müssen den seelisch Schwachen helfen“, forderte Perfler. Und sei es nur ein Händedruck, ein Lächeln, einige liebe Worte, damit könne man schon einiges bewirken. „Seelisch Kranke ernst nehmen, ihnen Aufgaben und Selbstwertgefühl geben, das ist es, was zählt, und nicht nur Medikamente“, so Perfler. Hierbei seien alle gefordert.
Betroffene helfen Betroffenen
Nachdenklich stimmten auch die Berichte und Gedanken von Albin Kapeller. „Er hat Ausdauer, macht jeden Schritt mit Sorgfalt – und steht immer wieder auf. Albin ist ein beeindruckender Mensch“, betonte Roman Alstätter. Kapeller, der in Taufers im Münstertal aufgewachsen ist und mittlerweile in Laas lebt, begeisterte die Zuhörer mit Texten über die Psyche, über die Seele. „Es braucht Mut, sich einzugestehen, wenn es einem schlecht geht“, so Kapeller. Jeden Tag radelt der 41-Jährige von Laas nach Laatsch, um 5.30 Uhr morgens, zur Arbeit auf dem Feld eines biologisch arbeitenden Landwirts. „Bei der Arbeit auf dem Feld, wenn alles still ist, keine Traktoren und keine Autos in der Nähe, da schöpfe ich Kraft“, erzählte Kapeller. In seinen Texten beschrieb er die Seele, die Kinderseele, die sich an Kleinigkeiten erfreue, die Wege einer Seele. Kapeller selbst hat auch eine Ausbildung zum „Ex-In“-Genesungsbegleiter absolviert. „Experienced Involvement“, auf Deutsch „Einbeziehung Erfahrener“, bedeute, dass Betroffene anderen Betroffenen helfen, aber auch Fachleute in ihrer Arbeit unterstützen. Dem müsse eine psychische Krankheitserfahrung vorausgehen. Menschen mit solchen Krankheitsbildern werden dann qualifiziert, um anderen Menschen in solchen Krisen helfen zu können.
