„Drohungen tue ich lächelnd ab“
Publiziert in 34 / 2013 - Erschienen am 2. Oktober 2013
Johannes Fragner-Unterpertinger über Pestizide, seine Einstellung zum Wirtschaften und über Morddrohungen
Mals - „Die Freiheit des Einzelnen hat ihre Grenzen am Recht des Nächsten“. An diesem Grundsatz hält Johannes Fragner-Unterpertinger, der Sprecher des „Promotorenkomitees für eine pestizidfreie Gemeinde Mals“, eisern fest.
der Vinschger: Wie steht es um Ihre Freiheit und die Ihres Nachbarn?
Johannes Fragner-Unterpertinger: Ich wiederhole mich gerne und immer wieder: Ich betrachte die Freiheit und das Eigentum des Einzelnen als unantastbar. Jeder kann auf seinem Grund und Boden tun und lassen was er will. Aber, erstens, im Rahmen der Gesetze, und das heißt nicht, dass einer auf seinem Grund alles tun und lassen kann, was er will. Das wäre eine sehr egozentrische Auslegung der Zivilgesetze. Man darf zum Beispiel seit Jahren keine Feuer-Rodungen mehr machen, weil man erkannt hat, dass man mit Brandrodungen dem Boden und seiner Fauna und Flora großen Schaden zufügt. Vor Jahren noch brannten bei uns im Herbst alle „Roan“, und die Wiesen waren durch die Verkohlung schwarz gerahmt. Anderes Beispiel: Sie dürfen auch nicht Ihren Giftmüll auf Ihrem eigenen Grund entsorgen. Weil Sie sich damit nicht nur selber sondern einer ganzen Gemeinschaft großen Schaden zufügen würden. Das sind zwei Beispiele, die aufzeigen, dass ein Grundbesitzer auch auf seinem eigenen Grund und Boden nicht alles tun darf, was er will.
Und zweitens?
Zweitens kann man, eben im Rahmen der Gesetze, nur auf seinem Grund frei handeln. Aber nicht auf dem Grund des Nachbarn und schon gar nicht auf dem Grund einer ganzen Gemeinschaft. Es muss für alle das uralte Rechtsprinzip gelten: Die Freiheit des Einzelnen hat ihre Grenzen am Recht des Nächsten. Und das Recht des Nächsten auf Unversehrtheit von Luft, Wasser und Boden und auf die Unversehrtheit seiner Gesundheit, also eines Menschenrechtes, wird durch chemisch-synthetische Spritzmittel gefährdet und durch die Abdrift sogar massiv verletzt. Oder möchten Sie in Ihrem eigenen Garten, der soeben frisch mit „Captan“ zugeweht wurde, ein Picknick mit ihrer Familie machen?
Was sagen Sie zum Vorwurf der Wirtschafts-Verhinderung?
Ich stamme mütterlicherseits von einem Bauernhof, habe in meiner Jugend jahrelang in der Bauernschaft am „Paulihof“ gearbeitet. Ich habe gehütet, kann mit der Sense mähen und mit den Händen melken. Außerdem bin ich selber wirtschaftlich tätig. Ich bin Inhaber und Leiter der Apotheke in Mals, die sechs Angestellte beschäftigt. Im Jahr 2000 habe ich in Brixen das fast leer stehende Haus „Villa Unterpertinger“ geerbt. Von 2000 bis 2003 habe ich es saniert und dann in eine erfolgreiche Wirtschafts- und Miet-Gemeinschaft umgewandelt. Ich bin zudem Mitbegründer und Mitinhaber des Buch-Verlages „Provinz-Verlag“ sowie Mitbegründer und Mitinhaber der Firma „Treventus Mechatronics GmbH“, die wir 2006 gegründet haben und die ihren Sitz in Wien hat. Auf diese Firma bin ich besonders stolz, denn wir haben mit unserem „Scan-Robot“ im Jahr 2007 den mit 200.000 Euro dotierten „European ICT Grand Prize 2007“ gewonnen, der jährlich auf der weltgrößten Computermesse CeBit in Hannover verliehen wird. Heute sind wir mit unseren Produkten in 32 Ländern der Welt am Markt vertreten. Was ich damit sagen will: Mir braucht keiner etwas von „Wirtschaft“ oder vom „Wirtschaften“ erzählen. Mich grausen sogar die ganzen Theoretiker und die bunten Fundis, die meist selber keine Ahnung vom richtigen Arbeiten haben, die immer alles besser zu wissen glauben und die mich, der ich jeden Tag 10 bis 12 Stunden arbeite, überdies glauben belehren zu müssen. Allerdings habe ich etwas gegen rücksichtloses und steuerprivilegiertes Wirtschaften, was so viel heißt wie „Wirtschaften auf Kosten anderer“. Ganz massiv stemme ich mich gegen das ausbeuterische Wirtschaften von einigen wenigen zu Lasten von ganzen Gemeinschaften, lokal ebenso wie global. Und eine Wirtschaft, die die menschliche Gesundheit nicht berücksichtigt, die die Natur nicht achtet und die die Rechte des Nächsten nicht respektiert, erkenne ich nicht als solche an.
Sie klingen ja geradezu wütend?
Von Natur aus bin ich zwar gutmütig und geduldig, aber in letzter Zeit gab es einige Ereignisse und Menschen, die mich mehrmals wütend werden ließen. Wie heißt aber das Sprichwort? „Fürchte dich vor der Wut des Gutmütigen“.
Und wie fühlen Sie sich nach den jüngsten Morddrohungen?
Der Wappenspruch meiner Familie lautet: „honora deum – neminem time“, „Ehre Gott - fürchte niemand“. Ich fürchte mich also vor keinem Menschen. Diese Drohungen tue ich lächelnd ab, und sie machen mich auch nicht wütend. Wenn gewisse Menschen das tun, dann disqualifizieren sie sich damit ja selber. In letzter Zeit denke ich oft an den Satz eines schon lange verstorbenen Schriftstellerfreundes: „Es ist das Los des Wahrhaftigen, vom Rudel, das er aufgescheucht hat, bekämpft zu werden. Es ist seine Ehre, gehasst zu werden, weil er gefürchtet wird“.
Wie wird es in Mals in Sachen konventioneller Obstanabau und Pestizide weitergehen?
Wer in der Gemeinde Mals Obst anbauen will, soll dies frei tun können. Aber auf eine Weise, die niemandem schadet, weder gesundheitlich noch wirtschaftlich. Wir brauchen in Mals aber eine Regelung auf Gemeindeebene, welche die lokalen Besonderheiten berücksichtigt. Durch den konstanten Oberwind ist das Ausbringen der Pestizide vermittels Sprühgeräte ohne kilometerweite Abdrift nicht möglich! Und die neuen Sprühgeräte, die noch feinere Aerosole erzeugen, werden noch schlimmere Pestizid-Verfrachtungen mit sich bringen. Wir haben, übrigens auf unsere eigenen Kosten, in den letzten Jahren viele Boden- und Heu-Proben gezogen und Pestizid-Messungen vorgenommen. Die Ergebnisse sind erschreckend. Trotz meiner Glatze haben sich mir bei jedem Ergebnis alle Körperhaare aufgestellt. Ich habe nichts dagegen, wenn jemand in seinem Gewächshaus spritzt, oder mit einer Handpumpe in Bodennähe arbeitet. Denn da bleiben die Gifte ja auf seinem eigenen Grund. Ich verlange vom anderen aber auch Respekt vor meinem Grund und Rücksicht auf die allgemeine Gesundheit. Mit meinen Einsatz „für eine pestizidfreie Gemeinde Mals“ kämpfe ich für die Gesundheit aller. Ich setze mich auch für unsere ganz traditionellen Vieh- und Getreidebauern ein, die um wenig Geld unendlich viel leisten, und die niemandem Schaden zufügen.
Sepp Laner

Josef Laner