Schon bald wird er sein Büro im Rathaus räumen: Nach rund 15 Jahren verabschiedet sich Dieter Pinggera als Bürgermeister der Gemeinde Schlanders.

„Eine lange, angemessene Zeit“ 

Für den Schlanderser Bürgermeister Dieter Pinggera geht die dritte und letzte Amtsperiode zu Ende.

Publiziert in 3 / 2025 - Erschienen am 11. Februar 2025

Schlanders - Wenn am 4. Mai die Gemeinderatswahlen stattfinden, dann wird Dieter Pinggera nicht mehr kandidieren. 15 Jahre lang stand er der Gemeinde Schlanders als erster Bürger vor. Es ist kein plötzlicher, kein unvorhergesehener Abschied. der Vinschger hat ihn um ein letztes großes Bürgermeister-Interview gebeten. 

der Vinschger: Die dritte und damit letzte Amtsperiode geht zu Ende. Mit einem neuen Staatsgesetz fiel die Mandatsbeschränkung für kleinere Gemeinden, jene für Gemeinden zwischen 5.000 und 15.000 Einwohner/innen ist geblieben. Hatten sie kurzzeitig Hoffnung, doch nochmal als Bürgermeister kandidieren zu dürfen? 

Dieter Pinggera: Für mich war zu Beginn immer klar, dass ich im Optimalfall für 15 Jahre im Amt sein werde. Als das Thema mit der Mandatsbeschränkung aufkam, war für mich aufgrund des staatlichen Rahmengesetzes, welches die Aufhebung der Mandatsbeschränkung für kleinere Gemeinden vorsah, aber für größere eben nicht, weiterhin klar, dass es keine wesentlichen Änderungen geben wird. 

Halten Sie die Mandatsbeschränkung und die Unterscheidung zwischen kleineren und größeren Gemeinden in ihrer jetzigen Position für sinnvoll? 

Ich persönlich halte es für ein sinnvolles Mittel. Ich glaube, 15 Jahre sind ein langer, ein angemessener Zeitraum. In 15 Jahren kann vieles bewegt werden. Es ist gut, wenn nach einer bestimmten Zeit für neue Kräfte Platz gemacht wird. Auch die Unterscheidung zwischen kleineren und größeren Gemeinden sehe ich nicht so tragisch, prinzipiell würden die Überlegungen für kleinere Gemeinden genauso gelten, aber in diesen ist es oft viel schwieriger, Kandidaten oder Kandidatinnen für das Bürgermeisteramt zu finden. 

Was bleibt Ihnen aus den letzten 15 Jahren besonders in Erinnerung? 

Es waren 15 arbeitsintensive und auch 15 sehr erfüllende Jahre. Es war unbestritten eine sehr anstrengende Zeit, aber gleichermaßen war es eine freudvolle und sehr ehrenvolle Aufgabe. Ich glaube, wir haben viele große und wichtige Projekte realisiert. Der Ankauf des Kasernenareals war sicherlich ein Meilenstein in unserer Gemeinde. Auch der Ankauf des Kapuzinerklosters sowie der Tausch des Priel-Areals bieten viele Möglichkeiten und sind zukunftsweisend für unsere Gemeinde. Ein Projekt, welches mich fast über die ganzen 15 Jahre lang begleitete und nun endlich beim Abschluss ist, ist die Errichtung der „Kraftwerkskette“ im Schlandrauntal. Mit Kosten von rund 19 Millionen Euro ist dies auch das größte Projekt. Langfristig wird sich das als großer Segen für die Gemeinde erweisen, sowohl aus finanzieller Sicht, aber auch aus umwelttechnischer. Damit setzen wir auf saubere, erneuerbare Energie, und es gelingt, die Stromproduktion fast zu verdreifachen. Sechs Kraftwerke sind fertig gestellt und in Betrieb, das siebte muss bis spätestens Mitte März realisiert sein. 

Aus einem Teil des Kasernenareals wurde die BASIS; ein Mega-Projekt, das immer wieder in aller Munde ist. Wie stehen Sie dazu? 

Die BASIS ist südtirolweit ein Vorzeigeprojekt, hat eine internationale Resonanz und ein phänomenales Netzwerk. An der lokalen Akzeptanz muss aber weitergearbeitet werden. Ich hoffe, dass alle erkennen, was dies für ein großer Mehrwert ist. Ein Mehrwert, den wir zuerst im ganzen Tal nicht hatten.   

Im Zusammenhang mit der BASIS gab es auch Kritik, was den Abriss von Teilen der ehemaligen Drususkaserne betrifft. War die Kommunikation falsch, war vielleicht der überhastete Abriss nicht optimal? 

Ich weiß nicht, welche konkrete Kritik Sie meinen. Die Beschlusslage war stets offen, transparent und offiziell. Ich habe in meinen Stellungnahmen, egal ob im Gemeinderat oder bei Bürgerversammlungen, auf gezielte Fragen dahin immer auf den Abrisstermin verwiesen und gesagt, wann es so weit sein soll. Es handelte sich um genehmigte Beschlüsse des Gemeinderates. Was den konkreten Moment des Abbruchbeginns betrifft, haben wir sicherlich eine grenzwertige Art gewählt, aber wir hatten begründete Argumente und sahen uns gezwungen, diesen Weg im Interesse der Gemeinde zu wählen. 

Würden Sie diesen Weg nochmal gehen? 

Im Nachhinein würde ich diese Vorgehensweise vielleicht nicht mehr wählen und sie noch offener besprechen bzw. auch mit dem Landeshauptmann abstimmen. Es war eine schwierige Zeit, aber die Ziele und Projekte, die wir realisieren wollen, haben keinen Abbruch erfahren, und es ist uns gelungen, die Interessen der Gemeinde Schlanders und der Bevölkerung gegenüber dem Denkmalschutz zu verteidigen. 

Es war stets bekannt, dass bei einem Teil der Drususkaserne die BASIS entsteht und ein anderer Teil dem Wohnbau zur Verfügung gestellt wird. Einige, in erster Linie von außerhalb des Vinschgaus, haben dennoch aufgeschrien, dass die BASIS abgerissen werde. Wie kam es zu diesen Fehlinformationen? 

Ich würde sogar sagen, das waren nicht nur Falschmeldungen, sondern manipulative Desinformation, die zu diesen führten. Letztendlich schadeten diese sogar der BASIS selbst. Es war sehr komplex. Aber auch die Medien haben hier eine ungute Rolle gespielt. Einem Großteil der Presse interessierte hier nur der Skandal, es ging nie um Aufklärung der Situation. 

Es kam zu einem Baustopp seitens des Denkmalamts. Wie geht es weiter? 

Der Baustopp ist längst überwunden. Landeskonservatorin Karin Dalla Torre hatte die Möglichkeit, für sechs Monate über die provisorische Unterdenkmalschutzstellung zu verfügen. Das hat sie gemacht. Die Landesregierung hat dann entschieden, als Kompromiss einen äußerst geringen Teil unter Schutz zu stellen; 99 Prozent des Areals waren wieder freigestellt. Diese kleinen Unterschutzstellungen hätten aber derartige Auswirkungen gehabt – von ungeklärten Fällen bis hin zu Folgekosten – sodass wir uns gezwungen sahen, auch gegen dieses Dekret Rekurs vor dem Verwaltungsgericht einzureichen. Dieses hat uns Recht gegeben und den gesamten Beschluss annulliert. So wurde der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt, wie in den früheren Beschlüssen von der Gemeinde vorgesehen, und es gibt derzeit keinen Denkmalschutz. Wir arbeiten aktuell an kleinen Abänderungen der Durchführungsbestimmungen und der Durchführungspläne, mit denen wir noch einen Kompromiss mit der BASIS und ihrer Unterstützer umsetzen möchten. Die Planungsunterlagen sollen dahingehend adaptiert werden, dass für das dritte Baulos eine große Entscheidungsfreiheit der Gemeindeverwaltung garantiert ist. Es bleibt auf jeden Fall ein sehr langfristiges Projekt. 

Das Kasernenareal könnte auch Platz für leistbares Wohnen, speziell für das Wohnen mit Preisbindung schaffen. Wie sieht es hierbei aus? 

Wir arbeiten an den Ausschreibungen und sind dabei, alles bestmöglich vorzubereiten, damit die nächste Verwaltung das angehen kann. Das Wohnen mit Preisbindung spielt hierbei eine wichtige Rolle. Wir haben schon lange auf die Durchführungsbestimmungen dazu gewartet, um exakt die Spielregeln zu kennen. Im Marillenanger hat das Projekt Wohnungen mit Preisbindung bereits Fahrt aufgenommen, im Herbst ist der Baubeginn geplant. Wir hoffen, den Preis von 3.500 Euro pro Quadratmeter sogar noch zu unterschreiten. Ich bin überzeugt, dass das Wohnen mit Preisbindung ein wichtiges Modul ist, um zukünftig günstigeres und leistbares Wohnen zu schaffen. Aber natürlich, die Baukosten sind sehr hoch, diese können wir nicht reduzieren. Auch das Wohnen mit Preisbindung hat ein Limit, aber wir müssen versuchen, das Bestmögliche für die Bürger/innen herauszuholen. 

Ein Dauerthema in Schlanders sind auch die Parkplätze. 

Es gibt in Schlanders ein gefühltes Parkplatzproblem. Ich denke, zumindest an zwei Tagen ist es so, am Donnerstag und am Samstag gibt es Engpässe. An den weiteren Tagen gibt es weniger Probleme. Wir von der Gemeinde haben immer gesagt, wir sind bereit, weitere Parkplätze zu schaffen, um diese Engpässe zu überwinden. 

Über den Standort, wo die Parkplätze entstehen sollen, gehen die Meinungen auseinander. 

Ich bin sicherlich einer derjenigen, die den Standort des Kapuziner-Angers nicht als geeignet betrachten. Teile der Wirtschaft bevorzugen diesen. Das ist legitim, dass jeder auf seine Interessen schaut. Ich denke, wir haben mit der Variante „Verdross II“ – der Idee hinter der Lebenshilfe eine Tiefgarage zu errichten – eine ausgezeichnete Alternative geschaffen, die ähnlich zentrumsnahe wie der Kapuzineranger ist und von der Verkehrslogistik her viele Vorteile hat. Mit dem Kapuzineranger hätte man dann andere Möglichkeiten, es könnte ein Kleinod, eine Erholungs- und Beschattungszone, eine Ruheoase für die Schlanderser/innen und Gäste werden. Es wäre eine geniale Lösung. Die Wirtschaft behauptet, Tiefgarage und Park beim Kapuzineranger wären ohne weiteres kompatibel, aber das sind sie meiner Meinung nach nur mit großen Abstrichen. „Verdross II“ wäre einfach die bessere Gesamtlösung. So eine Tiefgarage kostet aber enorm viel Geld. Sie kann nur gebaut werden, wenn es breite Akzeptanz gibt. Die Diskussion dazu wird sicherlich weitergeführt; es ist ein großes Thema, das der nächste Gemeinderat lösen muss. 

In der Fußgängerzone im Dorf haben zuletzt Geschäfte geschlossen. Wie schwer tut sich der Handel? 

Man muss ehrlicherweise sagen, dass der Handel mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Seit Corona hat der Internethandel nochmals explosionsartig zugenommen. Das ist eine unlautere Konkurrenz, auch was rechtliche und steuerliche Bedingungen betrifft. Dies bringt die Kaufleute in eine schwierige Situation. Das ist nicht nur in Südtirol, sondern auch in internationalen Städten zu beobachten. Die Entwicklung ist in ganz Europa dieselbe. Damit schaufeln wir uns unser eigenes Grab. Hier ist die Politik auf EU-Ebene gefordert einzugreifen. Es liegt aber auch in der Verantwortung von uns Bürger/innen, und es braucht Loyalität zu unserer Wirtschaft. Wenn man die lokalen Geschäfte nicht hätte, dann wären Schlanders und alle anderen Orte um vieles ärmer. Ein weiteres nicht unbedeutendes Problem ist auch der Generationenwechsel in einigen Betrieben. 

Wie geht es dem Tourismus? 

Schlanders war nie eine touristische Hochburg. Von einem Overtourismus sind wir weit entfernt. Gegen den Betten-
stopp haben wir uns in Schlanders und im ganzen Vinschgau immer gewehrt. Und diesbezüglich haben wir auf Landesebene alle Zusagen für zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten und Bettenzuweisungen erhalten, sollte der Bedarf vorhanden sein. Es wäre ein absoluter Nonsens, Schlanders in diesem Bereich zu begrenzen.

Nach 15 Jahren als Bürgermeister, wie geht es für Sie weiter? 

Ich bin seit Mai 2024 Direktor des Bürgerheims St. Nikolaus von der Flüe. Diese Aufgabe erfüllt mich, und ich freue mich, zukünftig meine ganze Energie und Erfahrung dort einsetzen zu können. Wir haben wunderbare Mitarbeiter/innen und sehr zufriedene Heimbewohner/innen und Angehörige. Ich habe hier die Möglichkeit, täglich Menschen in schwierigen Situationen zu helfen.

Michael Andres
Michael Andres

Diese Seite verwendet Cookies für funktionale und analytische Zwecke. Lesen Sie unsere Cookie-Richtlinien für weitere Informationen. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden.