Einfach und konkret helfen
Projekt „Sonnenstrahl“ stößt auf viel Zuspruch. Modell der niederschwelligen Assistenzleistungen soll weitergeführt werden.
St. Valentin a.d.H. - Beim Kochen oder Waschen helfen, Botengänge erledigen, beim Aufräumen mit anpacken oder bei sonstigen Wünschen und Anliegen zur Stelle sein. So in etwa lassen sich niederschwellige Assistenzleistungen beschreiben, mit denen alten und pflegebedürftigen Menschen oder auch Personen mit Behinderung einfach und konkret geholfen werden kann. Solche Dienstleistungen tragen nicht nur dazu bei, die Lebensqualität der betreuten Menschen zu erhöhen, „sondern sie sind auch als eine Maßnahme gegen die Abwanderung aus peripheren Gebieten anzusehen und auch als bescheidender Beitrag im Sinne der Beschäftigung und des Wiedereinstiegs in das Berufsleben“, sagte Bezirkspräsident Dieter Pinggera, als am 8. Juli in der „Villa Waldkönigin“ in St. Valentin auf der Haide auf die bisherige Entwicklung des Projekts „Sonnenstrahl“ zurückgeblickt und zugleich nach vorne geschaut wurde.
„Light“ in Stilfs als Ursprung
Der Ursprung des „Sonnenstrahls“ geht auf das Projekt „Light“ in Stilfs zurück. Die Gründerväter bzw. Visionäre dieses Projektes waren Friedl Sapelza, Juliane Stocker und ihr Mann Sascha Plangger sowie Roland Angerer. Ende 2018 mündete „Light“ in das Interreg-Projekt „Sonnenstrahl“ der Sozialdienste der Bezirksgemeinschaft Vinschgau in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitszentrum Unterengadin. Wie Karin Tschurtschenthaler, die Direktorin der Sozialdienste, informierte, wurde das Interreg-Projekt bis Ende Mai 2022 verlängert. Mit dem Projekt sei es gelungen, neue Wege im Bereich Prävention, Pflege und Betreuung in peripheren Regionen zu gehen: „Es wird ein würdiges Leben und Altwerden vor Ort ermöglicht.“ Gleichzeitig werden die Lebensqualität und Inklusion von alten und pflegebedürftigen Menschen erhöht, die soziale Isolation und Vereinsamung verhindert und die Belastungen für die Familien reduziert.
60 Betreute
Derzeit nehmen 60 Menschen in rund zwei Dutzend Ortschaften (Graun, Reschen, St. Valentin, Schleis, Plawenn, Rifair, Schluderns, Prad, Lichtenberg, Stilfs, Sulden, Gomagoi, Trafoi und Eyrs) die Assistenzleistungen von 14 Mitarbeiterinnen und einem Mitarbeiter in Anspruch. Die betreuten Personen zahlen 3 Euro pro Stunde. Die „Sonnen“ können je nach Bedarf 2 bis 10 Stunden pro Woche und Person in Anspruch genommen werden. Wie Sieglinde Angerer, die Koordinatorin der „Sonnen“ ausführte, sind die „Sonnen“ Wegbegleiter für ältere Menschen, die in Randgemeinden leben und in denen soziale Kontakte kaum vorhanden sind. Die „Sonnen“ unterstützen die zu Betreuenden und entlasten die Angehörigen. Laut Walburg Wielander, der Leiterin des Bereichs „Betreuung und Pflege“, geht es vor allem um das Bauen von Brücken zwischen Menschen und Diensten: „Das Schlüsselwort heißt Vertrauen.“ Zusätzlich zu vielen gut funktionierenden Diensten sei das Projekt „Sonnenstrahl“ ein weiterer Baustein dafür, günstige Voraussetzungen zu schaffen, damit Seniorinnen und Senioren möglichst lange selbstständig bleiben können. Roland Angerer erinnerte im Rückblick auf das Projekt „Light“ daran, „dass der Start holprig war. Wir mussten Leute suchen und überzeugen.“ Der Bedarf und der Zuspruch sind aber stetig gewachsen „und die Rückmeldungen der Betreuten waren nur positiv.“ Wie schon Dieter Pinggera gab sich auch Roland Angerer überzeugt davon, dass das Betreuungsmodell „Sonnenstrahl“ institutionalisiert, ausgebaut und weiterentwickelt werden muss. Pinggera plädierte dafür, dieses Betreuungsmodell als fixes Modul in der landesweiten Betreuungs- und Pflegelandkarte festzuschreiben, auch als Schlüssel zur Bewältigung der Herausforderungen, die der demografische Wandel, sprich die Alterung der Bevölkerung, mit sich bringt.
Als fixen Baustein festschreiben
Ähnlich äußerte sich auch Friedl Sapelza: „Die niederschwelligen Assistenzleistungen sollen als koordinierte Tätigkeit im Vinschgau weitergeführt werden.“ Er erinnerte u.a. daran, dass rund 700 Stunden pro Woche geleistet werden und dass die betreuten Menschen im Schnitt 80 Jahre alt sind. Koordiniert wird das Projekt „Sonnenstrahl“ von der Sozialgenossenschaft Viso Plus im Auftrag der Bezirksgemeinschaft. Über die Funktion und Aufgabe der Netzwerkerinnen und Netzwerker im „Sonnenstrahl“ informierte deren Koordinatorin Gerti Egger: „Wir kommen immer dann ins Spiel, wenn für das würdige Leben und Altwerden der Menschen Aktionen, Interventionen und Organisationen nötig werden, die über die Begleitung im alltäglichen Leben durch die ‚Sonnen’ hinausgehen.“ Die „Sonnen“ leben zum Großteil in den Orten, wo auch ihre Betreuten ansässig sind. Grußworte im Namen des Landesamtes für europäische Integration überbrachte Alessandro Fraenkel Haeberle, der für die regionale Koordinierung von „Interreg Italien-Schweiz“ zuständig ist. Vom Gesundheitszentrum Unterengadin war Philipp Gunzinger als Vertreter der Schweizer Partner angereist.
„Drei Tage vorkochen“
Konkret veranschaulicht haben die Dienstleistungen der „Sonnen“ die Betreuten Otto Angerer und Josefa Mall. „Es ist für mich immer eine große Hilfe, wenn meine ‚Sonne’ Karin kommt, wenn sie für drei Tage vorkocht, oder mir anderweitig hilft. Und wenn alles passt, trinken wir manchmal ein Glas zusammen“, sagte Otto. Josefa bracht ihre Erfahrung mit einem einfachen Satz auf den Punkt: „Man ist allein und doch nicht allein.“ Über positive Erfahrungen als Angehöriger berichtete Freddi Wallnöfer.
Landesrätin ist begeistert, aber …
Die Soziallandesrätin Waltraud Deeg sprach allen, die sich beim Projekt „Sonnenstrahl“ einbringen, ein großes Kompliment aus: „Es ist ein wunderbares Projekt, das hier seit 10 Jahren mit viel Herz vornagetrieben wird.“ Deeg zeigte sich vom Projekt begeistert, mahnte aber eine „gewisse Professionalisierung des Dienstes“ an: „Wer arbeitet, soll angemessen bezahlt werden und gut rentenversichert sein. Die Altersarmut ist weiblich.“ Nicht in St. Valentin dabei sein konnte die Tauferer Bürgermeisterin Roselinde Gunsch, die im Bezirksausschuss für die Sozialdienste zuständig ist. Zum Thema Professionalisierung meinte Roselinde Gunsch auf Nachfrage, „dass die Betreuerinnen, die als „Sonnen“ im Einsatz sind, aufgrund ihrer Lebens-, Familien- und Erziehungserfahrungen professionell genug sind, um niederschwellige Assistenzleistungen zu erbringen.