„Es gibt nicht nur einen Schuldigen“
Publiziert in 15 / 2015 - Erschienen am 22. April 2015
Pestizide und Bienensterben: Haefeker: „Chemischer Pflanzenschutz wird langfristig nicht überleben.“ Eller: „Pestizide setzen Bienen zu.“
Mals - Der chemische Pflanzenschutz, speziell der Einsatz von Neonicotinoiden, haben toxische Auswirkungen auf Honigbienen, Hummeln und Solitärbienen. Die These, wonach das Bienensterben fast ausschließlich auf die Varroamilbe zurückzuführen sei, funktioniert nicht. Mit diesen und weiteren Feststellungen wartete Walter Haefeker aus Bayern, Imker und Präsident der Vereinigung der Europäischen Berufsimker, am Freitag bei einem gut besuchten Vortrags- und Diskussionsabend zum Thema „Pestizide und Bienensterben“ im Kulturhaus in Mals auf. Eingeladen hatten die Umweltschutzgruppe Vinschgau (USGV) sowie die Initiativgruppen „Hollawint“ und „Adam & Epfl“. Die USGV-Vorsitzende Eva Prantl hatte vorausgeschickt, dass bei Analysen von Bienen aus Südtirol Pestizidrückstände festgestellt worden sind. „Die Analysen lassen erahnen, dass es um die Bienen in Südtirol nicht gut bestellt ist“, sagte Prantl.
Kritik an Noggler und Schuler
Äußerungen der Landespolitiker Sepp Noggler und Arnold Schuler, wonach nicht der Obstbau das Problem sei, sondern in erster Linie der Varroa-Befall, würden von Fakten widerlegt. Bei der Diskussion wurden solche politischen Aussagen als verantwortungslos kritisiert. Dass es Zusammenhänge zwischen dem Einsatz von Pestiziden und dem Bienensterben gibt, ist laut Haefeker schon seit Jahren wissenschaftlich belegt. Es sei zum Beispiel erwiesen, dass Neonicotinoide für Bienen 7.000 Mal giftiger ist als das Insektizid DDT. Anhand des in einigen Mitgliedsstaaten der EU mittlerweile verbotenen Einsatzes bestimmter Neonicotinoide zeigte Haefeker auf, wie gewaltig der Druck der Agrochemie, sprich der Hersteller der Wirkstoffe, auf die Politik, die öffentliche Meinung und auch auf die Wissenschaft ist.
Druck der Argochemie
Es seien noch immer regelrechte Lobbyschlachten im Gang. Wenig Gutes sei vom Freihandelsabkommen zwischen den USA und der Europäischen Union (TTIP) zu erwarten. Zurzeit ist bezüglich der Verwendung bzw. des Verbotes von Pestiziden ein Gerichtsverfahren von Industriekonzernen gegen die EU-Kommission im Gang. „Die ganze Welt wartet auf die Entscheidung“, so Haefeker. Grundsätzlich sprach sich der Referent dafür aus, dass es keinen Gegensatz zwischen den Imkern und der Landwirtschaft geben sollte. Es gebe nicht einen einzigen Schuldigen: „Alle Seiten müssen etwas dazu tun.“ Die Chemie sei nicht die einzige Möglichkeit des Pflanzenschutzes: „Der chemische Pflanzenschutz wird langfristig nicht überleben.“ Die Chemieindustrie befinde sich derzeit in einer immer engeren Sackgasse. Auch deshalb, weil Schädlinge zunehmend resistenter werden und laufend neue Wirkstoffe entwickelt werden müssen. Haefeker zeigte auch auf, dass Pestizide nicht nur in der Luft verfrachtet werden, „sondern dass die Rückstände auch ins Grundwasser gelangen.“ Bienen sammeln nicht nur Nektar, sondern auch Pollen, Honigtau, Harz und Wasser.
„Mals geht den richtigen Weg“
Die in Mals durchgeführte Abstimmung für eine pestizidfreie Gemeinde hat laut Haefeker weltweit Beachtung gefunden: „Mals geht den richtigen Weg.“ Über seine Erfahrungen und Erkenntnisse als Imker und Obstbauer berichtete Georg Eller aus Marling. Er hat einen Teil seiner ca. 500 Bienenvölker in die Toskana verlegt, „weil es in pestizidfreien Zonen weniger Probleme für die Bienen gibt, der Honigertrag höher ist, und auch weil ich ein sauberes, rückstandsfreies Produkt erzeugen will.“ Er bedauerte, „dass die Bauern in Südtirol nur das tun dürfen, was der Beratungsring und die Genossenschaften sagen.“ Eller sprach sich z. B. dafür aus, das Neonicotinoid Calypso nicht mehr zu empfehlen. Martin Thomann vom Beratungsring sagte, dass Calypso nur für die Zeit der Nachblüte und nach erfolgtem Mulchen empfohlen wird. Bei der von Friedrich Haring moderierten Diskussion wurden viele Bedenken geäußert. Auf die Frage, ob Nachtspritzungen zielführend seien, zeigte sich Haefeker vorsichtig optimistisch, „obwohl es noch wenige positive Daten dazu gibt.“ Manfred Wolf vom Versuchszentrums Laimburg befürwortet Nachtbehandlungen. Mehrfach geäußert wurde, dass auch die Imker selbst gefordert seien. Der Zukauf auswärtiger Völker sei mit Risiken verbunden. Auch die Behandlungsmethoden lassen teilweise zu wünschen übrig. Es wurde auch gefordert, alle Spritzungen während der Blüte zu verbieten.
Artenvielfalt in Gefahr
Zu Bedenken gegeben wurde, dass die intensive Landwirtschaft nicht nur den Bienen schadet, sondern auch anderen Bestäubern und Tieren. Die intensive Landwirtschaft sei insgesamt nicht der richtige Weg, weil die Artenvielfalt unter die Räder kommt. Mehrere Diskussionsteilnehmer verwiesen darauf, dass auch die Auswirkungen des Pestizid-Einsatzes auf die Gesundheit der Menschen nicht zu vergessen sind. Verwundert zeigten sich einige, warum Wirkstoffe wie z.B. Calypso bis heute nicht überall verboten sind. Gewarnt wurde auch vor Spitzmittelverfrachtungen bis hinauf in hohe Lagen. Viel Applaus gab es für die Wortmeldung: „Die Politiker sollen uns in Ruhe lassen, wir werden schon unseren Weg finden.“ Sepp

Josef Laner