Es ist keine Schande, Hilfe zu suchen

Publiziert in 41 / 2012 - Erschienen am 14. November 2012
Stress, Ängste, Leistungsdruck und Depressionen: Über diese und andere Sorgen wurde mit Experten in Mals diskutiert. Mals - Dass der KVW-Bezirk Vinschgau mit der Podiumsdiskussion zum Thema „Wohin mit den Sorgen heute?“ den Nagel auf den Kopf getroffen hat, bewies schon die Anwesenheit von über 150 Personen im Kultursaal Mals. Als Gäste am Podium konnten Vizebürgermeisterin und Bildungsausschuss-Vorsitzende Sibille Tschenett sowie Josef Bernhart vom KVW Vinschgau als Moderator namhafte Referenten begrüßen. Diese warteten eingangs mit Statements zum Thema „Belastungen und Nöte - Ihre Wurzeln und Wege zur Überwindung“ auf. „Die Krankheit Depression hat viele Gesichter, weil sie viele Symptome hat. Vielfältig sind auch die Ursachen“, sagte der in Mals geborene Primar der Psychiatrie im Krankenhaus Bozen und Universitäts-Professor Andreas Conca. Die Ursachen seien in einem oder mehreren der drei Bottiche Gehirn, Seele und Beziehungen zu finden. „Fest steht, dass Depression eine Krankheit ist, die erkannt und geheilt werden kann,“ so Conca. „Eine Krise ist, wenn Altes stirbt, Neues aber noch nicht begonnen werden konnte,“ zitierte Josef Pichler, Direktor des Psychologischen Dienstes im Gesundheitsbezirk Meran, den deutschen Sozialphilosophen Oskar Negt. In der heutigen Gesellschaft, geprägt von Stress, Hektik, Mehrfachbelastungen, Beziehungsproblemen und Leistungsdruck, trete immer stärker die Erkenntnis zu Tage, dass Wohlstand allein nicht Zufriedenheit bringt. Wohlstand allein bringt nicht Zufriedenheit „Der Mensch ist aber lernfähig,“ so Pichler. Die Heraus- und Überforderungen lassen Ängste wachsen, „und Ängste sind wesentlich für die Entwicklung des Menschen. Sie sind Hinweise für notwendige Veränderungen.“ Sicherheit, Wissen, Macht und Reichtum werden zusehends zu einem Problem, zu einer Bedrohung. Pichler plädierte für neue Haltungen. Dazu gehören eine neue Authentizität (Echtheit), Sicherheit in den Beziehungen, Achtsamkeit, persönliche Bereitschaft zum Wechsel und vor allem auch das Zulassen von Emotionen. „Nur einem Menschen, der über seine Gefühle spricht, kann geholfen werden,“ gab sich Ingeborg Forcher überzeugt. Sie litt einst unter schweren Angstsstörungen und ist seit vielen Jahren ehrenamtlich im Bereich der Selbsthilfe tätig. Sie leitet in Meran eine Selbsthilfegruppe des Vereins Lichtung (Förderung der psychischen Gesundheit) und bietet in Schlanders im Haus der Begegnung jeden Donnerstag von 16 bis 19 Uhr unter dem Motto „Brücken bauen für Menschen in schwierigen Lebenssituationen“ kostenlose Einzelge­spräche an. Anmeldungen nimmt sie unter Tel. 339 1637100 oder 0473 624558 entgegen. „Brücken bauen“ Sollten sich im Raum Mals mindestens 4 Personen bei ihr oder dem Verein Lichtung (Tel. 0474 530266) melden, könnte in Mals eine neue Selbsthilfegruppe aufgebaut werden. „In Einzelgesprächen oder in der Gruppe können Betroffene die Einsamkeit überwinden und Wege aus der sozialen Isolation finden,“ so ­Forcher. Weiters wird über Anlaufstellen und professionelle Dienste informiert. „Patienten stehen nicht immer im Mittelpunkt“ Menschen mit seelischen Krankheiten fühlen sich laut Forcher nicht selten als Randfiguren im Gesundheitssystem. In diesem Bereich stehen die Betroffenen als Patienten nicht immer im Mittelpunkt. Ideal wäre eine gute Zusammenarbeit zwischen professionellen Helfern und Selbsthilfegruppen. Weil sich verletzende Vorurteile Betroffenen gegenüber oft auch auf die Angehörigen auswirken, brauchen auch diese Orientierung und Unterstützung. Zum Thema Psychopharmaka meinte Forcher: „Medikamente sind eine Stütze, wagen muss man es allein, aus der Notsituation heraus zu kommen.“ Christiane Folie (Psychosoziale Beratung der Caritas) stellte die Caritas-Beratungstelle vor. Als einen Weg aus der Sackgasse nannte sie die Achtsamkeit als Methode zur Verminderung von Leiden: „Ich meine eine beobachtende, nicht wertende Haltung sich selbst und anderen gegenüber.“ Wichtig sei, die Lage, in der man ist, zu erkennen und auch anzunehmen. Georg Johann Martin, Pfarrer und Prad und Lichtenberg, überraschte die Besucher/innen mit einer geistlichen Übung. Er verwies auf die Bedeutung des persönlichen Gesprächs. Gestresste Personen sollten auch lernen, manchmal nein zu sagen. Nicht zu vergessen sei, „dass Einer ja sagt zu mir.“ Georg Johann Martin rief dazu auf, manchmal den Fuß vom Gaspedal zu nehmen und sich Ruhe zu gönnen. Spiritualität ist heilsam Bei der Diskussion war vor allem Andreas Conca gefordert. Was in unserer Gesellschaft als Kulturgut verloren ging, ist laut Conca die Spiritualität. Zu verantworten hätten dies die Kirche und ihre Vertreter. Dabei sei die Spiritualität heilsam, während Therapien nichts anderes seien als Behandlugsmethoden. In der Diskussion rund um Psychopharmaka werde leider mehr über die Nebenwirkungen gesprochen als über die Wirkung. Dabei sei erwiesen, dass solche Medikamente wirken, dass sie das Gehirn nicht zerstören und in der Regel auch nicht abhängig machen. Conca: „Es ist die Depression, die das Hirn kaputt macht, die Seele und die Beziehungen.“ Sepp Laner
Josef Laner
Josef Laner

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