„Peace flag“ von Benno Simma
Sandra Montali und Benno Simma

Flagge zeigen ... 

... in diesen Zeiten. Das aktuelle Projekt von Othmar Prenner auf der Plattform des Bunkers 23 in Tartsch.

Publiziert in 14 / 2022 - Erschienen am 3. August 2022

Tartsch - Ein Ausstellungsort, der aus einem sechs Meter langen Stahlrohr besteht und in reichlich frischer Luft in die Höhe ragt: Eine Herausforderung für alle Kreativen. Doch genau dieser Raum bildet jenen Ort, wo das aktuelle Projekt von Othmar Prenner „Flagge zeigen“ stattfindet, denn dieser Raum ist ein Fahnenmast auf der Plattform des Bunkers 23. Um den Mast herum, unter und über ihm, an ihn gebaut, gelehnt, gezeichnet, aus ihm fließend oder sprechend, von ihm blinkend oder ihn verhüllend, präsentieren jeweils eine Künstlerin oder ein Künstler für die Dauer von zwei Monaten ihre Projekte. Und sie zeigen es jeder und jedem, der sie sehen möchte. Für die Besucher ist die Annäherung an den Mast und die Kunst eine Verabredung ohne Terminplanung. Ein Treffen mit den Künstlern, dem Kurator und anderen Interessierten? Alles möglich, denn die Energie der Offenheit bahnt sich ihren eigenen Weg. Klar ist: es fehlen die klingenden Ansprachen. Vielleicht spricht die Kunst. Vielleicht tönt der Wind. Vielleicht kommt etwas in Bewegung.

Sich bemerkbar machen und Anwesenheit zeigen

Othmar Prenner will Flagge zeigen. Der Mast ist ein klar definierter Ort, auch deswegen hat er ihn gewählt. Vor allem jedoch ist der Mast eines: ein Fahnenmast. Die Bedeutung von „Show the flag“ hat ihn inspiriert. Sich bemerkbar machen und Anwesenheit zeigen – diese Konnotationen liegen dem englischsprachigen Ausdruck zugrunde. „Einfach einmal machen - ohne die Arbeitsschritte exakt durchzutakten oder die Konsequenzen voraussehen zu wollen“, sagt Prenner, „all das war mit ein Grund, warum ‚Flagge zeigen’ ein Jahr lang hier präsent sein wird“. Ist es also ein Sich-Behaupten auf neu erworbenem Grund? Ja, das ist es! Die Zeit ist die richtige, der Ort ist der richtige, der Wille ist vorhanden und genau dann, dies wussten bereits Mystikerinnen und Philosophen des Altertums und Weise aus allen Erdteilen, kann das geschehen, was Joseph Campbell folgendermaßen formulierte: „Follow your bliss and the universe will open doors for you where there were only walls“. Jede der Arbeiten tritt im besten Fall nicht nur eine unsichtbare Tür ein, sondern geht auf Reisen. Irgendwohin. Nach Berlin, nach Rom oder nach Entlebuch. Die Idee kam Othmar Prenner, als er bereits mitten im Projekt steckte. So viel zum Flow und dem Glück, einfach einmal zu machen und loszulegen. Denn um die neue Arbeit zeigen zu können, musste die alte Flagge abgenommen werden. „Die Flagge ist so leicht, sie passt ja in einen Briefumschlag“, dachte er sich und erweiterte sein Projekt um den Aspekt der immer weiter wandernden Kunst.

Die „Peace flag“ von Benno Simma

Seit Anfang Juli weht die „Peace flag“ von Benno Simma; sie ist ein perfekter Einstieg in das Kunstprojekt „Flagge zeigen“. Aus der ursprünglichen Collage aus Kriegsberichterstattungen vom Zweiten Weltkrieg bis heute – mit weißer Farbe übermalt und dem farbig leuchtenden Friedensymbol im Zentrum – druckte er jene Flagge, die nun am Bunker 23 gehisst ist. Beide Kräfte, jene des Lebens und des Todes, sind präsent in seinem Werk. Und nicht nur dort: von der Plattform aus schweift der Blick in die Umgebung; unter anderem auf die Ortler-Cevedale-Gruppe. Auch hier ist alles: Leben und Sterben und das endgültige Aus. Die Gletscher ziehen sich weltweit zurück; alleine im Alpenbogen schrumpfte die Vergletscherung im Jahr 2012 auf weniger als die Hälfte vom Jahr 1850. Von den 284 seit 1995 in Frankreich, der Schweiz, Österreich und Italien untersuchten Gletschern haben sich 273 zurückgezogen. Wenn das Eis schmilzt, gehen auch die paläoklimatischen Archive verloren. Der Blick zurück ist dann nicht mehr möglich. Nicht in jene Zeit vor Tausenden von Jahren, auch nicht in die Zeit der 1950er und 1960er Jahre, als die dann entstandenen Eisschichten erhöhte Radioaktivität aufwiesen – weil überirdische Atomtests rund um den Erdball stattfanden. Die klimatischen Auswirkungen sind überall spürbar, erneut gibt es Krieg in Europa, wieder wird Atomenergie als die Rettung aus der Energiekrise verkauft – sogar als eine ökologisch vertretbare. Der Tod ist omnipräsent. Das Leben auch. In Benno Simmas „Peace flag“ triumphiert das farbige Friedenszeichen – entworfen 1958 vom britischen Künstler Gerald Holtom für die Kampagne der nuklearen Abrüstung – über die Greueltaten der Kriegsgeschehnisse. Hier leuchtet die Hoffnung für das Leben. Mit jedem Lebensjahr wird die Gewissheit präsenter, dass eines Tages das Ende kommen wird. Doch womit wir unsere Lebenszeit füllen, ist uns überlassen. „Wer kommen will, ist willkommen. Gerade in Zeiten, in denen das gesellschaftliche Miteinander stark gelitten hat, ist genau diese Offenheit für ein gutes Lebensgefühl unabdingbar.“ Mit diesen Worten lädt uns Othmar Prenner ein. Steigen wir die Stufen zur Kunst hinauf. Und schauen, was „Flagge zeigen“ mit uns macht. Vielleicht verwandelt sich die eine oder andere Wand in eine Tür. (Kontakt: Bunker 23 Tartsch; Othmar Prenner: Tel. 391 339 0051, E-Mail: info@dingeundursachen.de). 

Katharina Hohenstein
Katharina Hohenstein

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