Forschergeist sucht Ortsgeist
Die Historikerin Roberta Rio analysiert, wie Orte auf Menschen wirken.
Schlanders - Sie war schon in Schloss Goldrain und in der Schlandersburg, hat 2003 bei Xong mitgewirkt und kennt die Rimpfhöfe. Sie habe Südtirol und besonders den Vinschgau ins Herz geschlossen. In Südtirol habe sie auch gelernt, demütig mit Geschichte umzugehen. Ihre persönlichen Erfahrungen – sie sprach von Lebenserfahrungen –
hätten zum Bestseller „Der Topophilia Effekt. Wie Orte auf uns wirken“ (2020) geführt. Roberta Rio’s Vortrag in der Bibliothek Schlandersburg war eine Veranstaltung im Rahmen der Ausstellung Bücherwelten im Kulturhaus. Die aus Triest stammende Historikerin gewann im Handstreich die Sympathien der Zuhörer. Lebhaft und kommunikativ versuchte sie den Widerspruch zu lösen, aus den meist negativen Wirkungen eines Ortes auf die Liebe – Philia – zu einem Ort zu kommen. Man habe immer schon vermutet, dass Häuser und Wohnungen auf die Bewohner wirkten, Büros und Arbeitsplätze auf Angestellte und Urlaubsorte auf Erholungssuchende. Die Wirkungen wurden meist als Schicksal bezeichnet. Als begonnen wurde, die Erscheinungen zu erklären, verlangte die Naturwissenschaft dazu Messbares. Das gab es nicht und so wurden diese Zusammenhänge als Esoterik abgetan. 2011 präsentierte die Historikerin Roberta Rio erstmals an der Universität von Glasgow eine Forschungsmethode zur Analyse von Orten. Seither recherchiert sie zum „Genius Loci“, dem Ortsgeist, und sucht nach sich wiederholenden Mustern. In der Schlandersburg stellte Rio Fallbeispiele vor - ausgehend vom Tod ihrer Mutter. In einem anderen Haus hätten sich über Generationen Paare getrennt. Ihren Forschungen zufolge entpuppte sich das Haus als früheres Gerichtsgebäude. Warum es zu bestimmten Auswirkungen komme, wisse sie nicht. Sie habe aber festgestellt, dass ein bestimmtes Wissen darüber über Generationen weiter gegeben wurde. Die Vorfahren hätten die Wirkung von Orten durchaus beachtet und wahrscheinlich sich ihrer bedient.
„Jeder Ort gibt uns die Chance, neue Seiten an uns zu entdecken.“
„Vor allem die Etrusker – übrigens mein Lieblingsvolk in der Geschichte – scheinen über die Kräfte eines Ortes Kenntnis gehabt zu haben“, erklärte sie. Mit dem Satz: „Jeder Ort gibt uns die Chance, neue Seiten an uns zu entdecken. Deshalb bin ich 30 Mal umgezogen“, hatte Roberta Rio die Lacher auf ihrer Seite. Die umtriebige Forscherin nannte als positives Beispiel in der näheren Umgebung die Umwidmung der Militärkasernen in die BASIS Vinschgau.
