Benjamin Raffeiner, der neue Obmann des HGV-Gebietes Vinschgau.

„Gasthäuser in den Dörfern dürfen nicht sterben“

Der neue Vinschger HGV-Gebietsobmann Benjamin Raffeiner hat klare Ziele vor Augen. „Im Vinschgau gibt es noch viel Luft nach oben.“

Publiziert in 2 / 2022 - Erschienen am 1. Februar 2022

Schnalstal - „Der Vinschgau ist aufgrund seiner Vielfalt, seiner Natur und Landschaft, seiner Kultur und weiterer Besonderheiten eine Tourismusregion, die sich von allen anderen Gebieten Südtirols abhebt. Das Potential ist groß und eine vernünftige Weiterentwicklung sollte weiterhin möglich sein.“ Davon ist der 34-jährige Benjamin Raffeiner vom „Oberraindlhof“ im Schnalstal überzeugt. Der Obmann der HGV-Ortsgruppe Schnals wurde Mitte November zum neuen Obmann des HGV-Gebietes Vinschgau gewählt. Das Gebiet Vinschgau deckt sich mit dem politischen Bezirk Vinschgau und bildet zusammen zusammen mit den Gebieten Meran und Umgebung, Passeiertal sowie Lana und Umgebung den Bezirk Meran/Vinschgau des Hoteliers- und Gastwirteverbandes. Als Bezirksobmann wurde Hansi Pichler aus Schenna einhellig wiedergewählt.

der Vinschger: Herr Benjamin Raffeiner, Sie treten als Vinschger HGV-Gebietsobmann in die Fußstapfen des langjährigen Obmannes und HGV-Funktionärs Karl Pfitscher aus Schlanders. Ist das ein schweres Erbe?

Benjamin Raffeiner: Karl Pfitscher hat sich jahrzehntelang um die Belange unseres Verbandes gekümmert, und zwar auf Orts-, Bezirks- und auch Landesebene. Ich bin sehr froh, dass mir Kral Pfitscher zugesichert hat, mich trotz seines offiziellen Ausscheidens nach Möglichkeit mit Rat und Tat zu unterstützen. Vor allem als erfahrenes Bindeglied im Südtiroler Wirtschaftsverband, in dem alle Wirtschaftsverbände vertreten sind, sprich der hds, der lvh, der Bauernbund, der Unternehmerverband und die Freiberufler. Den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Wirtschaftssparten finde ich gut und wichtig. 

Die Corona-Pandemie hat dem Tourismus insgesamt und speziell der Gastronomie arg zugesetzt.

Ja, das ist leider so. Covid-19 stellt auch uns Touristiker seit fast zwei Jahren vor große Herausforderungen. Positiv ist, dass wir nach so manchen Tiefschlägen und Unterbrechungen wieder arbeiten können. Wir legen großen Wert auf die Einhaltung der Regeln und wollen den Gästen Sicherheit bieten und vermitteln. Aus meiner persönlichen Erfahrung heraus kann ich sagen, dass die Gäste mit den Vorschriften in der Regel gut zurechtkommen und dass sie sich auch sicher fühlen.

Wir schreiben heute den 27. Jänner: wie sieht die derzeitige Situation aus?

Das „Jännerloch“ ist extrem, das lässt sich nicht leugnen. Wie es im Februar und danach weitergeht, ist abzuwarten. Ein großer Schritt in die richtige Richtung ist sicher das sich abzeichnende einheitliche Vorgehen auf der Ebene der EU. Vor allem die Regel, dass die Testpflicht für Reisende aus EU-Ländern ab Februar fallen und der „Green Pass“ reichen soll, gibt uns Hoffnung. Es ist aber absolut notwendig, dass nun alle EU-Länder dieselben Gültigkeiten für den „Green Pass“ anwenden. Wonach sich jetzt alle sehnen, ist eine Rückkehr zur Normalität. Es braucht Normalität auf allen Ebenen und in allen Bereichen.

Worüber die Tourismusbranche besonders klagt, ist der Mangel an Arbeitskräften.

Fehlende Arbeitskräfte sind schon seit vielen Jahren ein Thema, das uns zu schaffen macht. Corona hat das Ganze sicher nicht einfacher gemacht, sondern zusätzlich erschwert.

Warum?

Es ist uns während der Krisenzeit zwar gelungen, das Stammpersonal einigermaßen zu halten, aber bei den saisonal Beschäftigten gab es einen erheblichen Abfluss. Nicht wenige haben sich von unserer Branche verabschiedet. Sie suchten sich ein neues Arbeitsfeld und viele werden wohl nicht mehr zu uns zurückkommen.

Spielen hier auch die Arbeitszeiten eine Rolle?

Sicher auch die Arbeitszeiten, aber nicht nur. Im Tourismus ist es nun einmal so, dass auch an Wochenenden gearbeitet wird. Punkten können wir mit der 5-Tage-Woche, wobei sich hier die politischen Rahmenbedingungen ändern müssen. Denn hierfür braucht es mehr Arbeitskräfte. Mehr Mitarbeiter einstellen ist zwar leicht gesagt, aber angesichts der Lohnnebenkosten kann das für viele Betriebe nur ein Wunsch bleiben.

Der Bettenstopp, wie er im neuen Tourismus-Entwicklungskonzept des Landes vorgesehen ist, hat speziell im Vinschgau zu teils heftigen Reaktionen geführt und stößt nach wie vor auf Kritik, auch auf der Ebene der Gemeinden. Wie stehen Sie zu diesem Konzept?

Sicher nicht richtig ist es, alle Gebiete sozusagen über einen Kamm zu scheren. Von der ursprünglichen Absicht, die Gemeinden nur in zwei Kategorien einzuteilen, nämlich in stark oder schwach entwickelte, ist man Gott sei Dank abgegangen. In einem solchen Fall wäre zum Beispiel Martell in dieselbe Kategorie gefallen wie Schenna oder Dorf Tirol, und das könnte es wirklich nicht sein. Nun soll auch eine dritte Kategorie in der Mitte eingeführt werden. Aber unabhängig davon müsste es den Entscheidungsträgern schon bewusst sein, wie schwer sich die Einschränkungen vor allem auf kleinere Betrieb auswirken können.

Können Sie das ein bisschen näher präzisieren?

Wir sprechen ab ca. 50 Betten bei Hotelbetrieben von einer rentablen Größe. Hier fehlt mir dieser Ansatz absolut bei den derzeitigen Entscheidungsträgern. Berücksichtigt werden müsste auch ein weiterer ganz wichtiger Aspekt: die Banken. Eine Investition in die Qualität ist unser aller Bestreben, jedoch werden Finanzierungen auch dahingehend vergeben, als dass sie sich, einfach formuliert, „auszahlen“. Bestehende Betten müssen also eine Investition tragen und dies würde dann in vielen Fällen eine exorbitante Preissteigerung mit sich ziehen, die nie und nimmer konkurrenzfähig macht. Auch hier wird einfach mal „Bettenstopp“ posaunt, ohne das Ganze in der Praxis durchzudenken. Damit werden vor allem jungen und motivierten Betriebsnachfolgern die Chancen einer Weiterentwicklung verbaut. Wir wollen sicher keine Bettenburgen, aber die Möglichkeit, sich bis zu einem bestimmten Grad weiterzuentwickeln, um rentabel arbeiten zu können, müsste schon gegeben sein.

Beziehen Sie sich damit auf den ganzen Vinschgau?

Im Vinschgau gibt es in diesem Bereich genug Potential und Luft nach oben, und zwar vom Reschen bis nach Schnals. Eine gut durchdachte und behutsame Weiterentwicklung wäre vielerorts wünschenswert und angebracht. Das heißt natürlich nicht, dass man grüne Wiesen verbaut oder die Landschaft anderweitig beeinträchtigt.

Besteht aber nicht die Gefahr, dass der Vinschgau zu einer „überlaufenen“ Tourismusregion mit allen negativen Auswirkungen wird, wie wir sie aus anderen Landesteilen kennen?

Diese Gefahr sehe ich nicht. Wie schon gesagt, haben wir genug Luft nach oben. Die Vielfalt und Besonderheiten, die der Vinschgau hat und die unser große Schatz sind, dürfen natürlich nicht beeinträchtigt werden.

Warum ist der Vinschgau so besonders?

Bei uns finden die Gäste so gut wie alles. Wie haben den Ortler und die Gletscher, den Turm im Reschensee, Top-Skigebiete in den Gemeinden Graun, Stilfs und Schnals, wir haben die Passstraße auf das Stilfserjoch, den einzigartigen Sonnenberg, weitgehend unberührte Seitentäler, ein reiches Angebot für Wanderer und Biker, Weinberge usw. In keinem anderen Gebiet in Südtirol ist die Vielfalt derart stark ausgebildet. Man muss natürlich auch noch die Kultur, die Architektur und das Brauchtum dazunehmen.

Aber der Verkehr hat auch im Vinschgau zum Teil unerträgliche Ausmaße angenommen.

Der Verkehr ist zweifellos ein großes Problem. Dafür sind aber nicht die Touristen allein verantwortlich. Im Vinschgau kommt er vor allem zu Stoßzeiten zu Schwierigkeiten, speziell im Monat August oder z.B. im Herbst, wo die wichtige Apfelernte eingebracht wird. Um das Verkehrsproblem in den Griff zu bekommen, ist vor allem auch die Politik gefragt.

Was haben Sie sich für die 4-jährige Amtsperiode als HGV-Gebietsobmann besonders vorgenommen?

Ein besonderes Augenmerk möchte ich darauf legen, die Anliegen des HGV und der Tourismusbranche insgesamt auf politischer Ebene aufs Tapet zu bringen und zu vertreten, angefangen bei den Gemeinden. Einsetzen möchte ich mich auch dafür, dass die Zusammenarbeit innerhalb unserer Branche weiter gestärkt wird. Es haben zwar alle Gemeinden ihre eigenen Besonderheiten, aber der Gast hat keine Scheu, im Urlaub von einem Ort zum anderen zu gehen. Wir müssen uns immer mehr die Sicht des Gastes vor Augen führen und danach handeln.

Es ist immer wieder zu beobachten, dass Gasthäuser in Dörfern zusperren. Hat das nur mit Corona zu tun?

Der Erhalt der traditionellen Gasthäuser in den Dorfzentren war und ist dem HGV und besonders auch mir persönlich ein sehr großes Anliegen. Wenn in einem klassischen Dorfgasthaus die Lichter ausgehen, ist das nicht nur ein Verlust für die Gäste, sondern für die ganze Dorfgemeinschaft. Wir möchten uns - soweit es als Verband in unseren Möglichkeiten steht - mit allen Kräften dafür einsetzen, dass Dorfgasthäuser am Leben bleiben.

Wie ist der Tourismus derzeit in Ihrer Heimatgemeinde Schnals aufgestellt?

Seit dem Einstieg neuer Mehrheitseigentümer bei der Schnalstaler Gletscherbahnen AG hat sich vieles zum Positiven gewendet. Im Skigebiet wurden wichtige und sinnvolle Investitionen getätigt. Viele Tourismusbetriebe, darunter auch kleinere sowie Anbieter von Urlaub auf dem Bauernhof, haben investiert. Es kam neuer Schwung in das Tal. Wir haben tolle, breit aufgestellte Gästestrukturen im Winter. Im Winter ist natürlich das Skigebiet in Kurzras das große Zugpferd. Wir hoffen alle, dass die Hotelzone in Kurzras möglichst bald errichtet werden kann. Für die Seilbahngesellschaft ist das ebenso wichtig wie für die gesamte Tourismuswirtschaft im Schnalstal.

Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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