Gewerkschaft macht Schule
Einsatz für Arbeitnehmer, hart erkämpfte Rechte und noch viel Handlungsbedarf.
SCHLANDERS - „Seit Jahren erleben wir bei unserer Arbeit als Vertreter der Arbeitnehmer viel Unsicherheit, besonders bei Neueinsteigern in der Arbeitswelt“, so Eleonora Rinner, im Allgemeinen Gewerkschaftsbund AGB/CGIL Südtirols in Schlanders für den Öffentlichen Dienst zuständig. Um die Jugendlichen über ihre Rechte und Pflichten zu informieren, waren Rinner sowie der im AGB für Handel-Tourismus-Dienstleistungen zuständige Werner Niederkofler und Harald Egger – verantwortlich für den landwirtschaftlichen Bereich und für die Lebensmittelindustrie – Mitte Juni zu Gast bei den Schlanderser Oberschülern. In der Aula des WFO (Wirtschaftliche Fachoberschule) hatten sich dafür Schülerinnen und Schüler der Abschlussklassen des Oberschulzentrums Schlanders (OSZ) zusammengefunden. Den Vortrag organisiert hatte Jürgen Tragust, OSZ- Vizedirektor und Schulleiter TFO (Technologische Fachoberschule).
Nicht „übers Ohr hauen lassen“
„Alle Verträge im Detail werden wir euch hier sicherlich nicht erklären können, aber es geht darum, einen groben Überblick zu erhalten“, betonte Harald Egger. Denn: Man dürfe sich nicht von den Arbeitgebern „übers Ohr hauen lassen“ – auch junge Leute nicht. Dass dies auch in heutigen Zeiten leider immer wieder passiert, wurde anhand einiger Fallbeispiele klar. Die Gewerkschaftsmitarbeiter betonten: „Prüft die Verträge bevor ihr sie unterschreibt. Oder lasst sie prüfen. Im Nachhinein ist es dann leider oft zu spät“. Dabei gelte es einiges zu kontrollieren, erschreckend sei, dass einige Arbeitnehmer nicht einmal den Unterscheid zwischen „befristeten“ und „unbefristeten“ Verträgen kennen. „Wenn man etwas nicht versteht, dann fragt oder recherchiert bitte nach“, betonte Egger.
Hart erkämpfte Rechte
Wie wichtig die Gewerkschaften sind und welchen Stellenwert sie in Italiens Geschichte haben, wurde anhand eines kurzen Geschichtsexkurses klar. „Die Rechte der Arbeitnehmer mussten hart erkämpft werden“, erinnerte Eleonora Rinner. Urlaubstage, Wochenenden und dergleichen, so etwas gab es früher noch nicht. Mit Blick auf die Geschichte unterstrichen die Vortragenden den Stellenwert der Gewerkschaften, damals wie heute: Die Confederazione Generale Italiana del Lavoro (CGIL) wurde 1944 gegründet, 1948 gründete die „Democrazia Cristiana“ mit der CISL einen eigenen Gewerkschaftsbund. Die dritte große Gewerkschaft in Italien ist die Unione Italiana del Lavoro (UIL). In Südtirol gibt es noch neben den nationalen Ablegern der Gewerkschaften den 1964 gegründeten Autonomen Südtiroler Gewerkschaftsbund (ASGB). Allein in den drei großen Gewerkschaften sind in Italien über 11 Millionen Menschen eingeschrieben.
Die AGB/CGIL, der als nationale Dachorganisation des CGIL am 1. Mai 1945 in Bozen gegründet wurde, verzeichnet heute mehr als 40.000 Mitglieder. „Je mehr Mitglieder desto besser“, betonte Harald Egger. Dadurch könne man Druck auf Politik und Wirtschaft ausüben.
Es gibt Aufholbedarf
„In Italien gibt es noch Aufholbedarf“, erklärte Werner Niederkofler. So gebe es in skandinavischen Ländern bereits eine 34-Stunden-Woche. Aber: So oder so habe sich in den vergangenen Jahrzehnten viel getan. „Früher musste man einfach immer arbeiten. Wer krank wurde, wurde nicht mehr gebraucht und ausgetauscht“, blickte Harald Egger zurück. Viele Dinge wie Krankenstand und eben bezahlter Urlaub sind heute – glücklicherweise – Normalität. Man dürfe sich aber nicht auf dem Erreichten ausruhen, der „Kampf“ für die gerechte Behandlung der Arbeitnehmer müsse stets fortgesetzt werden.
Hürden für Frauen
Insbesondere Frauen haben seit jeher einen schweren Stand. Teilzeitarbeit, wirtschaftliche Abhängigkeit von Männern und dergleichen: „Es gibt sehr, sehr viele Härtefälle auch bei uns hier im Vinschgau“, so Rinner. Sie mahnte, schon jetzt an die Rente zu denken. „Viele Frauen müssen mit einer kleinen Rente leben, die kaum zur Existenz reicht“. Ein Abhängigkeitsverhältnis zu den Männern sei kritisch. Und insbesondere auch die Politik sei gefordert, um endlich gerechtere Regelungen für Frauen zu schaffen. In Sachen Rente wiesen die Gewerkschaftsmitarbeiter auch auf die Vorteile eines Zusatzrentenfonds hin. Nicht nur die Abfertigung fließe hier rein, sondern auch ein zusätzlicher Betrag des Arbeitgebers.
„Schwarze“ Arbeitgeber-Schafe
Eingegangen wurde auch auf den Aspekt „Sicherheit am Arbeitsplatz“. Hier sei es genauso wie bei den Arbeitsverträgen selbst wichtig, die Bestimmungen zu lesen. Ebenfalls erwähnt wurden die Möglichkeiten der Sommerjobs. So könne man mit Vollendung des 15. Lebensjahres ein Sommerpraktikum absolvieren, ein monatliches Taschengeld von 600 bis 800 Euro werde empfohlen, „der Mindestbetrag beläuft sich auf monatlich 300 Euro“, stellten die Gewerkschaftsmitarbeiter klar. Das Sommerpraktikum zähle nicht für die Rentenvorsorge, ein Sommerjob hingegen schon.
Gewarnt wurde auch vor Schwarzarbeit. Hiervon würden in erster Linie die Arbeitgeber profitieren. Es komme auch heute noch vor, dass Personen – oft ausländische Mitarbeiter – in bestimmten Sparten ohne gültigen Vertrag arbeiten und „dann einfach nicht bezahlt werden“. Die Moral einiger Arbeitgeber auch in unserem Land sei hier oft noch erschreckend.
