„Ich laufe mit ihren Beinen und sie sieht mit meinen Augen“
Wie ein besonderes Trio die Corona-Zeit überbrückt.
Schluderns - Auf ein Trio, das in seiner Zusammensetzung wohl weitum einmalig ist, stößt man seit über zwei Monaten auf den Radwegen im Umkreis von Schluderns. Es ist Markus Telser aus Schluderns, seine Lebenspartnerin Patrizia und die Blindenführhündin Sissi, die jeden zweiten Tag gemeinsam zu einer rund 10 Kilometer langen Runde aufbrechen. So manche Läufer, Spaziergänger und auch Radler staunen nicht schlecht, mit welchem Tempo das Trio unterwegs ist. Angeführt wird es von Patrizia im elektrischen Rollstuhl. Am hinteren Ende desselben hatte sich Markus, der seit fast 27 Jahren blind ist, vom Schmied eine eigene Halterung anbringen lassen, an der er sich beim Laufen festhält. Die Geschwindigkeit wiederum stellt Patrizia auf einem eigenen Tempomat am Rollstuhl ein. Je nach Wunsch ihres Lebenspartners gibt sie 8 Kilometer pro Stunde ein, 9 oder manchmal auch 10. Fleißig Schritt hält mit dem Tempo auch die in Mailand geschulte und vom Lions Clubs Meran gestiftete Blindenhündin. Sissi ist mittlerweile zwei Jahre alt. „Zu Beginn dachte ich noch, dass wir zwei uns nie richtig verstehen würden, jetzt aber gäbe ich sie um keinen Preis mehr her“, lobt Markus seine Blindenführhündin. Auf die Idee, jeden zweiten Tag zu dritt eine Runde auf den Radwegen zu unternehmen, war Markus gekommen, als vor über zwei Monaten die Corona-Zeit ausbrach: „Das ist unsere Art, diese Wochen zu überbrücken.“ Zumal Patrizia in Schlanders arbeitet, geht es sich nur alle zwei Tage für eine gemeinsame Runde aus. An den anderen Tagen dreht Markus mit Sissi seine Runden. „Ich bin fit und gesund wie ein Vogel. So gut wie derzeit habe ich mich selten gefühlt“, freut sich Markus Telser. Dass es auch andere Zeiten und Phasen in seinem Leben gab, weiß er nur zu gut. Bereits kurze Zeit nach seiner Geburt im Jahr 1966 hatte sich herausgestellt, dass er an der Bluterkrankheit leidet. Als junger Erwachsener wurde er durch infiziertes Blutplasma mit HIV angesteckt. Zusätzlich dazu ist er vor fast 27 Jahren innerhalb von 14 Tagen vollständig erblindet. Die Erblindung sei eine Folge der Schwächung des Immunsystems gewesen. Trotz aller körperlichen und psychischen Leiden hat Markus immer wieder neuen Mut gefasst und niemals aufgegeben, obwohl er mehr als einmal auf den Tiefpunkt angelangt ist. Und auch den Humor hat der Schludernser nicht verloren. Als er im Vorjahr am 13. Juli am Reschenseelauf teilnahm, der erstmals als Nachtlauf ausgetragen wurde, sagte er im Spaß, dass der Nachtlauf für ihn ein Heimvorteil sei, denn er ist blind. Bereits in den Jahren zuvor hatte er mehrere Reschenseeläufe bestritten. Er blickt auf viele Dinge mit Humor, auf den der stolz ist. Als er sich vor 20 Jahren in Patrizia verliebte, sei es trotz seiner Blindheit Liebe auf den ersten Blick gewesen. Seine Lebens- und Leidensgeschichte hat Markus Telser 2013 in Zusammenarbeit mit Christine Losso im Buch „Wahnsinn: Leben“ festgehalten. Heute würde er dem Buch einen anderen Titel geben: „Mein zweites Leben.“ Auch in Zukunft wird man auf den Radwegen im Raum Schluderns, Glurns und Prad auf das eingespielte Trio treffen. Wie schon im Alltag ergänzen Markus und Patrizia einander auch bei diesen Runden bestens. „Ich laufe mit ihren Beinen und sie sieht mit meinen Augen“, bringt es Markus auf den Punkt.