Im Visier der Wissenschaft
Genetik und Gesundheit des Steinwilds in der Terra Raetica werden untersucht
Schnals - Mit einem Interreg-Projekt startete in der Terra Raetica eine neue wissenschaftliche Initiative zum Schutz des Steinwilds. Der Fokus liegt darauf, wissenschaftlich fundierte Grundlagen für ein einheitliches, grenzüberschreitendes Management der Steinwildpopulationen zu schaffen. Denn Krankheiten, genetische Engpässe und klimabedingte Veränderungen machen der Wildart zu schaffen. Beim offiziellen Projektauftakt in Schnals wurde deutlich, wie groß das Engagement für die Zukunft des Steinwilds ist. „Zahlenmäßig ist es um das Steinwild in Südtirol nicht schlecht bestellt“, erklärte Projektkoordinator Albrecht „Abi“ Plangger. „Aber wir sehen im Osten seit Jahren Fälle von Räude, im Westen macht sich die mangelnde genetische Vielfalt und die mit einhergehende Inzucht bemerkbar.“ Es sei an der Zeit, Maßnahmen zu ergreifen.
Schnals als Zentrum der Initiative
Die Terra Raetica, das Grenzgebiet zwischen Südtirol, Nordtirol und dem Engadin, beherbergt eine genetisch eng verbundene Steinwildpopulation. Doch während sich die Bestände auch aufgrund bisheriger Projekte grundsätzlich positiv entwickelt haben, erschweren unterschiedliche gesetzliche Rahmenbedingungen und Jagdsysteme eine einheitliche Betreuung. Hier setzt das Projekt an, das von der Gemeinde Schnals federführend geleitet und von der EU unterstützt wird. Insgesamt 193.000 Euro umfasst das Vorhaben, 153.000 Euro werden von Südtiroler Seite getragen. Die Gemeinde Schnals ist nicht zufällig Projektträgerin. „Weil sie sich im Zentrum der Metapopulation befindet und dort die besten Bestände sind. Es gibt aber auch eine historische Bedeutung: Hier wurde der erste Steinbock Südtirols erlegt“, so Plangger. Der Schnalser Bürgermeister Peter Grüner blickt mit Stolz auf die Rolle seiner Gemeinde: „Als Revierleiter Markus Gurschler vor einem Jahr mit dem Projekt auf uns zukam, war schnell klar, dass wir dabei sind. Wir wissen, dass alles, was unser Revier macht, gut ist. Und mit Abi Plangger haben wir einen großartigen Projektleiter gefunden.“
Auftakt mit Wissenschaft, Praxis und Engagement
Im Zentrum der Auftaktveranstaltung stand die Übergabe der Proben-Sets an die Jäger sowie die Erklärung der wissenschaftlichen Methodik. Annette Nigsch und Walter Glawischnig von der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES), die die wissenschaftliche Betreuung übernommen hat, erklärten, wie es funktioniert. 140 Proben werden in Südtirol zwischen 2025 und 2027 entnommen. Geprüft werde auf Gamsblindheit, Paratuberkulose, Blutparasiten, Moderhinke und andere Erreger. Die Proben – bestehend aus Kot-, Blut- und Gewebeproben – sollen sowohl von erlegten als auch von lebend gefangenen Tieren entnommen werden. Dank der Steinwildfalle in Schnals, die zur Besenderung oder Umsiedlung der Tiere dient, stehen auch Proben von lebenden Tieren zur Verfügung. „Ziel ist es, ein möglichst genaues Bild des Gesundheitszustands zu erhalten“, so Nigsch. Revierleiter Markus Gurschler betonte: „Wir unterstützen das Projekt vom Anfang bis zum Ende. Ich bin sicher, dass wir mit solchen länderübergreifenden Projekten auf dem richtigen Weg sind, um den Steinwildbestand zu schützen und gesund zu halten. In Schnals selbst stehen wir gut da, wir sind das größte Jagdrevier in Sachen Steinwild.“ Trotz erfreulicher Bestandszahlen von rund 2.000 Tieren in der Metapopulation vom Reschenpass bis zum Brenner ist die Lage komplex. Denn das heutige Steinwild stammt nahezu vollständig von einer kleinen Kolonie im Gran Paradiso in Aosta ab, die die Ausrottung überlebte. Diese enge genetische Basis bringt langfristig Risiken mit sich. Auch der Klimawandel verschärft die Lage, denn steigende Temperaturen verändern Lebensräume und fördern die Ausbreitung neuer Krankheitserreger. Lena Schober vom Amt für Wildtiermanagement Südtirol erklärte die Strategie des Landes: „Prinzipiell geht es darum, die Art zu schützen und gleichzeitig die Entnahme zu regeln. Dazu brauchen wir die Jagdreviere. Ihre Rolle ist zentral.“ Schon in der Vergangenheit hatten Tiroler Stellen, insbesondere der Nordtiroler Jägerverband, genetische Untersuchungen an ihren Steinwildkolonien durchgeführt. Diese Daten fließen nun zusammen mit den neuen Proben aus Südtirol in eine gemeinsame Datenbasis ein.
Steinwild kennt keine Grenzen
Ernst Partl, Geschäftsführer des Naturparks Kaunergrat, brachte es bei der Auftaktveranstaltung auf den Punkt: „Das Wild kennt keine Grenzen. Auch das Management muss grenzüberschreitend gedacht werden. Das Steinwild steht aus verschiedenen Gründen unter Druck. Lasst uns die nächsten Jahre gut nutzen.“ Südtirol hinke bei wissenschaftlichen Untersuchungen dem Rest der Alpenregion noch etwas hinterher, so Plangger. Mit diesem Projekt, an dem sich alle Steinwildreviere Südtirols beteiligen, solle dies geändert werden „um später gemeinsam mit Nordtirol und Graubünden langfristige Lösungen für den Erhalt dieser besonderen Wildart zu entwickeln“, gab der Projektkoordinator die Marschroute vor.
