In Latsch wurde groß gedacht
Die dezentralisierte Energiewende.
LATSCH - „Wir brauchen viele Neel Tamhanes“, betonte Richard Theiner am vergangenen Freitag. Der Weltladen Latsch hatte den gebürtigen Inder nach Südtirol geholt. Im CulturForum referierte dieser über „die dezentrale Energiewende“. Tamhane wurde vom Time Magazin als einer jener sechs Menschen, die weltweit am meisten bewegen, auserkoren. Der Innovator zielt darauf ab, Energie allen zugänglich zu machen. Er beschäftigt sich mit erneuerbaren Energien und deren Verteilung. Erneuerbare Energien müssen laut ihm „sozial vertretbar und zukunftsweisen sein“. 3,5 Milliarden Menschen haben heute noch immer keinen oder einen schlechten Zugang zur Energieversorgung. Dies solle sich weiterhin ändern. „Die Energieversorgung ist nicht mehr den Reichen vorbehalten, sondern für alle möglich“, betonte er im Rahmen seines Vortrags. „Wir Menschen müssen Verantwortung übernehmen“, appellierte Richard Theiner. „Kürzlich wurde berichtet, dass die fünf größten Energiekonzerne weltweit im letzten Jahr 200 Milliarden Euro Gewinne ausgeschüttet haben, und es immer noch so viele Menschen gibt, die gar keinen Zugang zur Energie haben, dann ist das nicht vertretbar“.
Tamhane, der unter anderem alternative Energieversorgung studiert hat, trieb in Bangladesch die Energieversorgung voran. Er setzte dabei auf „kleine Netzwerke“. Mit Technikern aus Deutschland gründete er „Solshare“. Haushalte können Anlagen bzw. kleinere Solarkästchen, je nach Budget, erwerben. Die Solarpanels produzieren mehr Energie als die Haushalte nutzen. Den überschüssigen Strom können sie an ihre Nachbarn verkaufen. Das erwirtschaftete Geld wird sofort gutgeschrieben. „Lokale Wirtschaftskreisläufe entstanden“, erklärte Tamhane. Millionen Haushalte im ländlichen Raum waren und sind daran beteiligt. „Eine solche dezentralisierte Stromversorgung ist demokratischer. Man ist unabhängiger. Die Menschen sind stolz darauf“, sagte er. Vorher war in vielen solcher Gebiete Kerosin für die Stromerzeugung verwendet worden, was wesentlich teurer und schlussendlich auch gesundheitsschädlich war.
Klimawandel stoppen
„Energie ist die Grundlage für den Bau eines Hauses“, betonte Tamhane. Ohne Energie funktioniere nichts. Elektrizität sei wesentlich für Bildung, Gesundheit, Schutz, Produktivität und Wohlbefinden. Schon allein daher, müsse man „sie allen zugänglich machen“. Aber: „Der traditionelle Ansatz der Elektrifizierung ist leider nicht mit dem Klimawandel vereinbar“. Denn: Die Versorgung mit Strom, Wärme und Kraftstoffen basiert weltweit nach wie vor überwiegend auf fossiler Energie. Diese verursacht etwa 80 Prozent der gesamten Treibhausgasemission. Vor allem daher sei es nötig, auf erneuerbare Energien zu setzen. „Die Industrieländer stellen bereits auf sauberere und erneuerbare Technologien um, denn die Energiewende ist für unseren Planeten lebenswichtig“, erklärte Tamhane. Es gelte jedoch auch „neue Wege zu beschreiten, um den allgemeinen Zugang zu Energie zu erreichen“. Auch in weiteren abgelegen Gebieten der Entwicklungsländer sollen solarbetriebene Mikronetze entstehen.
Als positives Beispiel was Energiegemeinschaften in Europa nannte Tamhane das Schoonship in Amsterdam. Dabei handelt es sich um eine „schwimmende Wohnsiedlung“. In diesem ökologisch und sozial nachhaltigen Viertel leben seit Anfang 2020 46 Haushalte. Dabei wird mithilfe der Solarpanels so viel passive Sonnenergie wie möglich genutzt, es handelt sich um eine beispielhafte Energiegemeinschaft. Es gelte „weltweit lokale Netzwerke aufzubauen“. Eben auch in Europa. Dies bringe nicht nur weitere Jobs, sondern stärke auch die Gemeinschaft.
Lob für die Vinschger
Ohnehin sei die Solarenergie ideal und unkompliziert: „Solarpanels kann man überall platzieren“. Auch den Vinschger Privathaushalten im Tal empfahl der Experte auf Solarpanels zu setzen: „Bei 300 Sonnentagen im Jahr ideal“. „Das Thema Energie ist bei uns im Vinschgau seit jeher immer präsent“ betonte auch Theiner. In der Vorbereitung zum Vortrag habe man oft an den 2018 verstorbenen Prader Energiepionier Georg Wunderer gedacht. „Er wäre erfreut hier zu sein“, so Theiner über den ehemaligen Vizepräsidenten des Südtiroler Energieverbandes SEV und Obmann der Energie-Werk Prad Genossenschaft. Einige seiner Mitstreiter hatten aber freilich den Weg nach Latsch gefunden, darunter „Abi“ Plangger, Alexander Telser, der Geschäftsführer des Vinschgauer Energie-Konsortium (VEK) und VEK-Präsident Andreas Tappeiner. Tamhane hatte vergangene Woche auch dem VEK einen Besuch abgestattet und war für die „Vinschger Energie“ voll des Lobes.