„Jemand muss nach vorne gehen“
Als Obmann des Südtiroler Imkerbundes ist Engelbert Pohl aus Tarsch auch der oberste Anwalt der Bienen.
Galsaun - der Vinschger hat zum Ausklingen des Jubiläums „100 Jahre Südtiroler Imkerbund“ den Obmann aufgesucht, um sich über das Wohlergehen der Bienen, des „drittwichtigsten Nutztieres der Menschheit“, zu informieren. Man sprach locker über Gott und die Biene und kam auf überraschende Details, bedenkliche Zustände und auf die ungewöhnliche Biografie des Obmannes zu sprechen. Der Auftakt war ein kleiner, aber bezeichnender Scherz. Pohl sprach von fast 200 Jahren ehrenamtlicher Vereinstätigkeit und dass er eigentlich drei Leben haben müsste. Der Scherz löste sich in einem Lacher auf, als Pohl begann, die Jahre seiner Ämter und Funktionen zusammenzuzählen bei der Musikkapelle Tarsch, bei der Jägerschaft, als Bezirksobmann des Imkerbezirks Untervinschgau, als Wanderlehrer, als Obmann des Königinnenzuchtverbandes und schließlich als Bundesobmann.
der Vinschger: Wann hat denn die Romanze mit den fleißigen Bienen begonnen?
Engelbert Pohl: Das war vor 40 Jahren. Ich war 24 und es war Wirtschaftskrise. Als junger Elektriker suchte ich ein zweites Standbein. Ich begann mich für Bienen zu interessieren, hab‘ mich dann fachlich fortgebildet und schließlich die Prüfung zum Wanderlehrer in Österreich abgelegt.
Hatten Sie ein Vorbild in Tarsch? Hat sie jemand in die Imkerei eingeführt?
Imkermäßig nicht, bienenmäßig der Pohl Martl, mein Onkel. Mich haben halt die Bienen gefesselt. Wie auch heute viele junge Imker gefesselt werden. Bald habe ich verstanden, um was es geht: erstens, etwas zu lernen, um was sagen zu können, und zweitens: nach vorne zu gehen und wirklich was sagen oder zeigen. Es wurde mein Lebensmotto: Wer nach vorne geht, muss was draufhaben und überlegt es sich gut, Kritik zu üben.
Wie geht’s der Biene in Südtirol?
Bevor die intensive Landwirtschaft gekommen ist, ging es der Biene sicher viel besser. Sie hatte es leichter, weil es bei den Pflanzen eine große Artenvielfalt gab. Die Völker sind alleine über die Runden gekommen. Wir können nur neidisch nachtrauern, wie durch das reiche Angebot für die Bienen die Imker mindestens drei Mal schleudern konnten. Sie mussten nicht mit den Bienen herumwandern oder ausweichen. Wir müssen ja manchmal regelrecht verschwinden, wenn man einen Honig bekommen will. Wenn man zurückschaut, haben die Imker früher die gleichen Ideen gehabt und auch schon vor 70 Jahren die Sorgen mit dem Pflanzenschutz. Seit vielen Jahren könnte kein Volk mehr allein überwintern. Soweit sind wir gekommen. Gottseidank gibt es im Land 3.500 Imkerinnen und Imker, die sich darum kümmern und immer motiviert sind. Klar ist, dass die intensive Landwirtschaft ein wichtiger Wirtschaftszweig ist, aber er hängt von der Bestäubung durch die Biene ab und die hat es brutal schwer. Wir wissen bald nicht mehr wohin mit den Bienen, wenn das Wetter auch nicht mitspielt. Daher sagen wir schon lange, es muss gleichzeitig Alternativen geben. Dem Landesrat habe ich es schon vor acht Jahren gesagt, dass zum Beispiel am Sonnenberg Bepflanzungen angelegt werden müssen, damit die Bienen immer im Mai Alternativen haben. Mir ist schon klar, dass Pflanzenschutz notwendig ist, um gutes Obst zu ernten, aber dann muss man halt schauen, dass Alternativangebote bestehen. Zum Teil wird es schon gemacht. An manchen Orten. Zum Beispiel ist man auf dem Schutzdamm in Latsch beispielhaft vorgegangen. Das sind aber nur kleine Tropfen.
Soweit zur Situation im mittleren und unteren Vinschgau. Aber haben die Pusterer Imker auch solche Probleme?
Sie haben dort den Maisanbau. Aber sie haben nie Schäden in dem Ausmaß wie wir. Sie wandern in der Blütezeit und sind dann wieder weg. Sie haben andere Probleme. Es geht dort um den Beerenobstbau, der immer weiter ausgreift. Pflanzenschutz im Bereich Beeren gibt es den ganzen Sommer über. Andrerseits dürfte kein Landwirt in die Blüte spritzen – das ist gesetzlich. Aber das Landesgesetz bezieht sich nur auf die kurze Zeit der Apfelblüte. Ich kenne viele Obstbauern, die sehr viel für die Bienen tun, und solche, denen es am Hintern vorbeigeht. Inzwischen ist die Zeit reif, immer mehr wachen auf und blicken durch. Man wird den Kunden einfach mal beibringen müssen, dass man auch einen Apfel essen kann, der „Maggen hat“. Mehr Qualität zu produzieren ist nicht mehr möglich. Wir haben eine ähnliche Situation beim flüssigen oder harten Honig. Der Südtiroler Honig, den man länger lagert, wird mit der Zeit hart. Er sieht dann nicht mehr so schön aus. Im Kaufhaus sieht man immer flüssige Honige. Wunderschön fürs Auge. Das ist aber ein Honig, der überhitzt ist und dessen Inhaltsstoffe zerstört sind. Die Kunden wissen das nicht. Unser Honig ist hart, hat aber Qualität. Darüber haben wir jahrelang informiert und aufgeklärt. Den Landwirten sag ich‘s oft: Ihr habt es versäumt, die Konsumenten zu informieren.
Gibt es ein Verfallsdatum auch beim Honig?
Wenn er richtig gelagert wird, eigentlich nicht.
Was ist richtig gelagert?
Kühl, dunkel, Geruch darf keiner dazu kommen. Der Honig ist licht-, geruch- und hitzeempfindlich. Die Leute stellen das offene Honigglas manchmal ans Fenster. Man hat 100jährigen Honig gefunden. Er war noch essbar. Wir reden von Haltbarkeit über 3 Jahre.
Sie haben von Hilfestellungen gesprochen, von Bepflanzungen auf Schutzdämmen. Gibt es noch andere Möglichkeiten, die Biene zu unterstützen?
Wir versuchen, das Ansehen, modern Image, der Biene über viele Ebenen zu steigern und aufzubauen. Jeder Private kann der Biene helfen. Wenn er im Garten oder auch auf dem Balkon Nischen und Ecken belässt, wo sich Wildblumen einnisten können. Vor allem, wenn Private vom englischen Rasen – dem Friedhof der Biene – abgehen und andere blühende Pflanzen darauf zulassen.
