Kampf dem Klimawandel
Wie man der Klimakatastrophe mit innovativen und zukunftsfähigen Konzepten entgegentreten kann, darüber wurde in Mals diskutiert.
Mals - Der Klimawandel kann nicht mehr gestoppt werden, er müsse aber verlangsamt werden. Dies ist mittlerweile hinlänglich bekannt. Wie man diesen Klimawandel verlangsamen kann, und wo Südtirol mit seinen Klimazielen steht, darüber wurde am vergangenen Freitag in Mals bei einer Tagung diskutiert. Zahlreiche hochkarätige Referenten aus den Alpenländern, allesamt Experten in ihrem jeweiligen Bereich, waren dazu ins Malser Kulturhaus gekommen. Die vom Malser Ingenieurbüro Patscheider & Partner in Zusammenarbeit mit dem Euregio Kompetenzzentrum IBI, dem Südtiroler Energieverband SEV und der deutschen Firma Geisseler Law organisierte Veranstaltung trug den passenden Namen „Interalpine Energie- und Umwelttage, Chancen und Risiken erneuerbarer Energien“. Richard Theiner, Landesrat für Umwelt und Energie, lobte: „Ein interessanter Titel. Einerseits geht es hier und heute um die Energiewirtschaft, andererseits aber auch um die Umwelt“. Es gelte, Interessen von Wirtschaft und Umwelt in Einklang zu bringen. „Energiewirtschaft muss heute umwelt- und sozialverträglich sein“, so Theiner. Es brauche den Ausgleich zwischen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Interessen. „Erneuerbare Energien ja, aber nicht um jeden Preis“, betonte der Landesrat und verwies auf das Titelbild der Veranstaltung, welches den versunkenen Turm im Reschensee zeigt und von einem düsteren Stück Vinschger Geschichte zeugt, von Ausbeutung und dem Voranstellen wirtschaftlicher Interessen.
Wasserkraft generiert Einkommen
Heute sind die erneuerbaren Energien im Vinschgau unter anderem auch ein Garant für den Wohlstand. Die Wasserkraftwerke, die zu einem großen Teil in lokaler Hand sind bzw. dem Land gehören, produzieren demnach nicht nur Energie, sondern schaffen auch Arbeitsplätze. „Die Wasserkraft generiert auch ein Einkommen in Gegenden, die nicht reich sind an Infrastrukturen. Es wurden Genossenschaften geschaffen und gut gearbeitet“, so Theiner. Der Stromverbrauch sei weit geringer als die Erzeugung, es werde rund doppelt so viel Strom produziert, wie gebraucht wird. Auch in der Gemeinde Mals selbst hat man den Trend der Zeit schon längst erkannt. So setze man unter anderem auf Wasserkraft, Photovoltaik und Biomasse. Mit der Energieerzeugung mache die Gemeinde zwar Gewinne, diese werden jedoch vollständig in weitere nachhaltige Projekte reinvestiert, insbesondere in die Mobilität, wie der Malser Bürgermeister Ulrich Veith in seinen Grußworten betonte.
Vinschger Pionierarbeit
Rudi Rienzner, der Geschäftsführer des Südtiroler Energieverbandes SEV, berichtete über die Vinschger Pionierarbeit in Sachen Energiegenossenschaften. „Uns Südtirolern ist oft gar nicht bewusst, welche Erfolgsgeschichten wir eigentlich schreiben. Die Energiegenossenschaften boomen in ganz Europa, in Südtirol haben diese Erfolgsgeschichten teils bereits vor fast 100 Jahren begonnen“, sagte Rienzner und verwies auf die Gründung der Stilfser Energiegenossenschaft im Jahre 1921. 1926 sei dann die Genossenschaft in Prad gegründet worden, 1999 wurde das Vinschger Energiekonsortium (VEK) gegründet, 2016 begann dieses mit der Verteilung. Unter anderem der im Juni verstorbene Prader Georg Wunderer sei einer der Pioniere in dieser Hinsicht gewesen. Der SEV fungiere als Interessensvertretung im Energiesektor. „Wir setzen uns als Kompetenzzentrum, Interessenvertretung und umsichtiger Partner für die dezentrale und bürgernahe Nutzung erneuerbarer Energie in Südtirol ein“, erklärte Rienzner.
Energiewende – wo stehen wir?
Jens Mühlhaus, Vorstandsmitglied des Münchner Unternehmens Green City, berichtete über die Energiewende und den Status Quo. Die Firma habe sich zum Ziel gesetzt, die Energie- und Verkehrswende in die Tat umzusetzen. Der Energiemarkt befinde sich im Umbruch. „Der Energiewandel schreitet unaufhaltsam voran“, betonte Mühlhaus. Nachhaltigkeit sei wichtiger denn je, um den Wandel zu verlangsamen. Der Klimawandel sei auch in den vergangenen Jahren bereits sichtbarer geworden. Mühlhaus präsentierte im Vortrag dabei einige dramatische Bilder brauner trockener Landschaften in Deutschland. Dort gebe es derzeit vor allem auch die Diskussion, ob die Energiewende gewollt und finanzierbar sei. Momentan strebe man danach, die Kohlekraftwerke abzuschalten. Diese gehören in Deutschland zu den größten Klimasündern. Allerdings wären tausende Arbeitsplätze davon betroffen. Kurzfristig könnten zudem die Strompreise für den Endverbraucher steigen, mittelfristig sollen diese jedoch weiter sinken. Kohlekraft sei zwar eine günstige Energiequelle, jedoch habe man ausreichend weitere günstige Formen der Energieerzeugung, vor allem die Sonne und den Wind.
Das Südtirol-Modell
Wolfram Sparber, Leiter des Instituts für Erneuerbare Energie an der Eurac Bozen sowie Vorstandsvorsitzender der Alperia, stellte die Südtiroler Klimaziele vor. Derzeit produziere jeder Südtiroler 4,4 Tonnen Kohlendioxid (CO2) im Jahr. Der Klimaplan Südtirols sieht vor, dass bis zum Jahr 2050 nur mehr 1,5 Tonnen pro Person jährlich produziert werden sollen. Mit dem Energiemodell Südtirol 2050 habe man ein Modell ausgearbeitet, wie dieses Ziel erreicht werden könne. „Es handelt sich dabei nicht um einen Blick in die Zukunft, radikale neue Technologien und Rohstoffe konnten natürlich nicht berücksichtigt werden“, so Sparber. Derzeit mache die Wärme den größten Teil des Endenergieverbrauchs aus mit rund 50 Prozent. Dahinter folgen der Transport (27 Prozent) und dann erst der Stromverbrauch (23 Prozent). Hier gelte es anzusetzen, im Modell könnte der Endenergieverbrauch in Sachen Wärme auf 22 Prozent gesenkt werden. Heute produziert Südtirol 12,4 Milliarden Kilowattstunden Energie im Jahr, dieser jährliche Gesamtenergieverbrauch solle bis 2050 auf 6,8 Milliarden Kilowattstunden sinken. Vor allem der Verbrauch für Heizung würde dabei sinken, dies solle durch energetische Sanierungen erreicht werden, Stichwort Klimahäuser. „Eine massive Sanierung des Gebäudebestandes ist notwendig, um die Klimaziele zu erreichen“, so Sparber. Der Verbrauch an fossilen Rohstoffen würde sinken, der Stromverbrauch steigen. Damit würde man die Kosten von Rohstoffen zu Infrastrukturen verschieben, und könne langfristig auch die Gesamtkosten senken. Potential gebe es in Südtirol zudem weiterhin bei Photovoltaik-Anlagen. Windkraft sei hingegen nicht gefragt, in Südtirol wolle man keine großen Windanlagen.
Wasserkraft – unschlagbar aus globaler Sicht
Walter Gostner (Patscheider & Partner) unterstrich nochmals die Vorteile der Wasserkraft. Diese gilt als bedeutendste erneuerbare Energiequelle hierzulande. Wasserkraft ist klimaneutral, effizient und eignet sich in Südtirol aufgrund der landschaftlichen Gegebenheiten besonders gut zur Energieproduktion. Die Wasserkraft sei aus globaler Sicht unschlagbar. Windkraft, wie es sie im Vinschgau bereits vor vielen Jahren gegeben hat, ist in naher Zukunft hingegen wohl kein Thema. 2003 war auf der Malser Haide das erste Windrad aufgestellt worden, 2012 wurden die zwei Windräder wieder abgebaut. Vor allem das unter dem Windrad leidende Landschaftsbild sorgte damals für zahlreiche Proteste. Zahlreiche weitere Referenten, unter anderem Mitinitiatorin Bettina Geisseler aus Freiburg, sprachen über die Erfolgsfaktoren der Wasserkraft, Förderschienen für erneuerbare Energien in Italien, Entwicklungspotentiale für Windkraft und Photovoltaik, Geothermie und vieles mehr.
