Zeno Christanell

„Kein Alibi-Kandidat“ 

Mit Optimismus und sozialdemokratischer Politik möchte der Naturnser SVP’ler Zeno Christanell auch in der Landespolitik etwas bewegen.

Publiziert in 9 / 2018 - Erschienen am 13. März 2018

Naturns -  Spricht man mit Zeno Christanell, dann wird schnell klar, der Naturnser mit Latscher Wurzeln ist von Grund auf ein politischer Mensch. Politik, so sagt er selbst, ist der Einsatz für die Allgemeinheit. Diesen habe er in die Wiege gelegt bekommen. Der Opa Bürgermeister, der Vater Gemeindereferent. Für Christanell war schon in jungen Jahren klar, dass er nicht nur reden, sondern mitgestalten möchte. Bereits 1998, im Alter von 18 Jahren, begann er seine politische Arbeit als jüngster Gemeindereferent Italiens. 15 Jahre lang gehörte er der Naturnser Gemeindeverwaltung an. 2014, als die SVP die wohl schwierigste Zeit ihrer jüngeren Geschichte durchlebte, lenkte er als stellvertretender Parteiobmann mit Philipp Achammer das Schiff der Volkspartei in ruhigere Gewässer. Rentenskandal, finanzielle Sorgen, extremer Mitgliederschwund: Die vergangenen SVP-Jahre waren für den studierten Historiker und Oberschul-Lehrer nicht immer leicht. Dennoch – heute ist sich der 37-Jährige sicher, dass er auch in Zukunft Politik machen will. Viele sehen in ihm sogar einen Hoffnungsträger der Arbeitnehmerbewegung. Bei einer echten Chance, wirklich etwas bewegen zu können, will sich der Burggräfler SVP-Bezirksobmann auch der Landtagswahl stellen.
der Vinschger hat mit ihm über seine mögliche Kandidatur, neue Ideen, die anstehenden Parlamentswahlen, sozialdemokratische Politik und vieles mehr gesprochen. 

der Vinschger: Herr Christanell, betrachtet man Ihre bisherige politische Laufbahn, dann ist ein Platz im Landtag nur mehr eine Frage der Zeit. Ist es bei den Landtagswahlen im Herbst soweit? 

Zeno Christanell: Ich spüre den Tatendrang in mir und kann mir vorstellen zu kandidieren. Doch ich bin ein kritischer Geist und habe meine konkreten Vorstellungen. Ein Alibi-Kandidat will und werde ich nicht sein. Wenn ich sehe, dass es die Möglichkeiten gibt, etwas zu gestalten und etwas zu bewegen, werde ich mich auch der Wahl stellen. Dann entscheiden die Wähler, ob sie mein Angebot annehmen.

Welche Politik würden Sie in den Landtag bringen? 

Ich stehe für eine Politik des sozialen Ausgleichs. Ohne Scheuklappen, aber mit Überzeugungen. Es gibt in Südtirol viel zu tun. Die Macht der Lobbys kennen wir alle, auch bei uns gibt es Ungerechtigkeiten.

Zum Beispiel? 

Wenn ich daran denke, dass in Südtirol die Lebenshaltungskosten statistisch erwiesen 20 Prozent über dem italienischen Durchschnitt liegen, aber der Verdienst nur um 8 Prozent höher ist, dann läuft etwas falsch: die Gehälter sind objektiv zu gering. Da kann das Land gegensteuern. Derzeit gibt es im Landeshaushalt rund 90 Millionen Euro, die für die IRAP-Freibeträge zur Verfügung stehen. Davon profitieren die Arbeitgeber. Diese Subvention kann als antizyklische Maßnahme bei einer Wirtschaftskrise sinnvoll sein. Doch die Krise ist nachweislich vorbei. Die Wirtschaft boomt und das ist auch gut so. Nun muss dieses Geld als Anreiz verwendet werden, die Löhne der Arbeitnehmer zu erhöhen. Man könnte also die IRAP-Reduzierung nur jenen Unternehmen zusprechen, welche diese durch Zusatz- oder Bereichsabkommen an die Mitarbeiter weiterleiten. Ebenso wären im privaten Sektor längst Angleichungen beim Elternschutz fällig. Auch hier könnte das Land mit den IRAP-Millionen Impulse geben. Der Betrieb bestätigt die Maßnahme durch eine Eigenerklärung, dadurch entstünde auch keine große zusätzliche Bürokratie.

Wie könnte ein gerechteres Gesellschaftssystem aussehen?

Ich bin für Förderungen nach dem Gemeinwohlprinzip. Wenn man Betriebe unterstützt, sollten den Beiträgen auch sinnvolle Kriterien zu Grunde liegen, die auf das Gemeinwohl abzielen. Etwa ob die Unterstützung zu mehr Familienfreundlichkeit des Betriebes beiträgt oder ob für die lokale Wertschöpfung gesorgt ist. In der Gemeinwohl-Ökonomie spricht man von der so genannten Gemeinwohlbilanz von Unternehmen.

Sind Sie mit ihren sozialdemokratischen Ansätzen in der SVP gut aufgehoben?

Natürlich muss man sich wehren, den Mut haben sich der
Dialektik in einer Sammelpartei zu stellen. Aber die Arbeitnehmer in der SVP stehen ganz klar für eine hartnäckige sozialdemokratische Politik und haben in den vergangenen Jahrzehnten Südtirol maßgeblich geprägt: Erich Achmüller, Rosa Franzelin, Otto Saurer, Robert Kaserer oder Richard Theiner – oft kamen die Führungspersonen aus dem Westen des Landes.

Kann man mit sozialen Themen überhaupt noch Wahlen gewinnen?

Die Sozialdemokratie steckt europaweit in einer Identitätskrise, das stimmt. Viele Menschen kommen mit den rasanten Veränderungen nicht zurecht, haben Angst und wählen deshalb rechtspopulistische Parteien, die schnelle Lösungen versprechen, diese Versprechen aber nie halten. Vor den Wahlen sind sicher auch bei uns alle wieder auf sozial gestylt, aber wenn sie beispielsweise beim leistbaren Wohnen Farbe bekennen müssen, wollen viele nichts von einem fairen Wertausgleich wissen.

Nach fünf Jahren Regierung Kompatscher. Was war in Ihrer Partei gut? 

Arno Kompatscher konnte einiges bewirken. Es gab viele gute Ansätze, auch für die Arbeitnehmer, zum Beispiel die IRPEF-Befreiung bis zu einer Rente oder einem Gehalt von 28.000 Euro. Der Steuerdruck ist insgesamt gesunken und das Land investiert viel in Bildung, was für die Chancengerechtigkeit zentral ist. Auch im Bereich der Mobilität hat sich einiges getan, wie die Elektrifizierung der Vinschger Bahn. Ebenso war die Lösung des Energiestreites vor allem für die Vinschger Gemeinden sehr wichtig. 

Was lief weniger gut? 

Einiges ist noch verbesserungswürdig. Die Steuerlast ist ungleich verteilt, der Wirtschafts- und Bauboom bringt in manchen Gemeinden sozioökologische Grenzsituationen mit sich. Auch der Transit nimmt laufend zu und wird vor allem im Vinschgau durch die geplante Erhöhung der Brennermaut neue Dimensionen erreichen, wenn wir nicht durch gezielte Maßnahmen rechtzeitig gegensteuern. Die Sanitätsreform hat für viel Unmut gesorgt und blieb den Beweis ihrer Notwendigkeit bislang schuldig.

Wo besteht akuter Handlungsbedarf?

Das Thema Wohnbau ist in absoluter Schieflage. Das Südtiroler Versprechen, dass bei entsprechendem Fleiß und Einsatz die eigenen vier Wände leistbar sind, kann in einigen Gemeinden nicht mehr gehalten werden. Der Traum vom Eigenheim bleibt heute für einen immer größer werdenden Teil der Bevölkerung wirklich nur ein Traum. Viele normale Arbeiter, aber auch Freiberufler oder Handwerker aus dem Mittelstand können sich diesen nicht mehr realisieren. Einiges liegt in der Eigenverantwortung und beim persönlichen Lebensstil. Gleichzeitig ist aber der Baugrund oft unmoralisch teuer, die Wertsteigerung bei einer Umwidmung zu groß, deshalb ist ein fairer Wertausgleich notwendig. Auch der Landesbeitrag ist im Verhältnis zu den Baukosten einfach zu gering. Der SVP muss es gelingen, dieser Ungleichheit entgegenzuwirken – daran muss sie sich messen lassen.

Vor kurzem fanden die Parlamentswahlen statt, die recht chaotische Zustände mit sich brachten. Was kann die SVP in Rom nun noch erreichen?

Die SVP hat einen klaren Wählerauftrag erhalten: Abi Plangger und Julia Unterberger wurden stark unterstützt. Damit steht die Volkspartei für Stabilität und Seriosität - was in Rom nun sehr wichtig ist. In erster Linie werden wir gegen erklärte Minderheiten- und Autonomiefeinde, die das Ruder übernehmen wollen, unsere errungenen Zuständigkeiten und die Interessen Südtirols verteidigen. Die Entwicklung der nächsten Monate wird dabei richtungsweisend sein. Daneben haben wir aber auch einige Ziele in der Familien- und Sozialpolitik, wo wir uns für einen höheren Steuerfreibetrag für zu Lasten lebende Familienmitglieder und eine höhere Mindestrente bzw. ein höheres Lebensminimum einsetzen wollen. Die Hauptaufgabe wird aber sicherlich der Schutz der Autonomie sein.

Die im Parteistatut verankerten SVP-Basiswahlen standen aufgrund der mangelnden Auswahl-Möglichkeiten und der geringen Wahlbeteiligung in der Kritik. Braucht es Änderungen an den Statuten?

Die Möglichkeit zur politischen Partizipation ist grundsätzlich gut. Deshalb ist es auch sinnvoll, dass Basiswahlen im Parteistatut verankert sind. Aufgrund der gesetzlichen Ergebnisquoten sollte aber aus der Muss- eine Kannbestimmung werden. Bei allen Problemen, die Kritik einiger Parteien lasse ich trotzdem nicht gelten. Die SVP ist darum bemüht, eine politische Aufbruchsstimmung zu erzeugen. Die anderen machen nichts dergleichen. Freiheitliche und Süd-Tiroler Freiheit beteiligen sich gar nicht erst an den Wahlen. Die Grünen entscheiden im stillen Kämmerchen, das ist alles andere als transparent und bürgernah.

Michael Andres
Michael Andres

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