„Kein Hunger“
Zum Welternährungstag am 16. Oktober sprach die Ernährungswissenschaftlerin Johanna Mahr aus Stilfs über globale Zusammenhänge und lokale Verantwortung.
Latsch - Anlässlich des Welternährungstages lud der Weltladen Latsch zu einem Vortrag der besonderen Art: Johanna Mahr, Ernährungswissenschaftlerin und seit sechseinhalb Jahren in Stilfs wohnhaft, berichtete eindrucksvoll von ihrer langjährigen Arbeit in Afrika und Asien. „Nicht immer sind es Themen, mit denen wir ein großes Publikum erreichen“, sagte Richard Theiner, Obmann des Weltladen Latsch, zur Begrüßung. „Aber es sind immer Themen, die wichtig sind.“ Und wichtig war dieser Abend tatsächlich. Nicht nur, weil der Welternährungstag jährlich am 16. Oktober daran erinnert, dass weltweit immer noch Millionen Menschen Hunger leiden, sondern auch, weil Mahr eine Perspektive vermittelte, die über Zahlen und Schlagzeilen hinausgeht. Nach ihrem Studium der Ernährungswissenschaften mit Schwerpunkt „Ernährung in Entwicklungsländern“ arbeitete Johanna Mahr zehn Jahre lang in verschiedenen afrikanischen Staaten und betreute Projekte für Organisationen wie das Deutsche Rote Kreuz oder UNICEF. Drei Jahre war sie in Berlin tätig, wo sie Projekte in Afrika koordinierte, stets mit dem Ziel, Ernährungssicherheit und Selbsthilfe zu fördern. Aktuell sind laut Welternährungsorganisation (FAO) in 42 Ländern der Welt zwischen 20 und 50 Prozent der Bevölkerung von schwerem bis ernstem Hunger betroffen. Das globale Ziel, den Hunger bis 2030 zu beenden, wird nach Einschätzung der FAO in 56 Ländern verfehlt werden. Gründe dafür sind vielfältig: Kriege, politische Instabilität, die Klimakrise, aber auch unfaire Handelsstrukturen und wirtschaftliche Abhängigkeiten.
Mit Projekten vor Ort Hilfe zur Selbsthilfe
Mahr zeigte an konkreten Beispielen, wie Entwicklungszusammenarbeit im Bereich Ernährung aussehen kann – und wo ihre Grenzen liegen. So betreute sie in Madagaskar ein Projekt für Kinder im Grundschulalter. Schulen gab es in der Region kaum, und zunächst galt es herauszufinden, was die Kinder selbst überhaupt wollten: lesen, schreiben, sich waschen können. „Hygiene war ein Riesenthema“, erzählt Mahr. Gemeinsam mit drei lokalen MitarbeiterInnen wurden Kurse entwickelt, die genau an diesen Bedürfnissen ansetzten. „Entscheidend ist, dass die Menschen selbst aktiv werden können – es geht um Empowerment, um Hilfe zur Selbsthilfe.“ Auch auf den Malediven arbeitete Mahr an einem Ernährungsprogramm mit: Eine paradiesische Urlaubsdestination, und doch ein Ort, an dem viele Familien an Vitaminmangel leiden. „Die gesunden Lebensmittel gehen auf die Touristeninseln, für die Bevölkerung selbst bleibt oft wenig übrig.“ Im Tschad wiederum begleitete sie den Aufbau von Versorgungsstrukturen in einem Flüchtlingscamp aus der Krisenregion Darfur, in Lesotho betreute sie Projekte für Familien mit HIV- und AIDS-Betroffenen. „Gerade dort zeigte sich, wie zentral Ernährung für Gesundheit ist“, so Mahr. Frauen waren in diesen Projekten die entscheidenden Partnerinnen. „Sie sind oft die nachhaltigeren Akteurinnen. Wenn man ihnen zeigt, wie man einen Garten anlegt oder wie man sich ausgewogen ernähren kann, verändert das ganze Familienstrukturen.“ Doch Mahr verschwieg auch die Schattenseiten nicht: Nicht immer sei genug Geld da, nicht jedes Projekt halte langfristig an. „Aber es bleibt Wissen zurück. Und Menschen, die gelernt haben, sich selbst zu helfen.“ Der Welternährungstag erinnert daran, dass Hunger kein Schicksal ist, sondern das Ergebnis von Strukturen, die verändert werden können. Johanna Mahrs Arbeit zeigt, dass es dazu mehr braucht als Hilfslieferungen: Wissen, Vertrauen und den Mut, Menschen vor Ort zu stärken.