Auch das ist Gletscherarchäologie: Ein südlicher Tiroler war mit einem Fahrrad italienischer Machart Richtung Obergurgl in Nordtirol unterwegs.
Vortragsabend im ArcheoParc mit Johanna Niederkofler, Andreas Putzer, Hubert Steiner und Johanna Bampi (v.l.)

„Keine Angst vor den Bergen“ 

Das Schnalstal als archäologische Modellregion. Informationsabend im ArcheoParc Schnals

Publiziert in 36 / 2019 - Erschienen am 22. Oktober 2019

Schnals - Wieder wurde in Südtirols Archäologiemuseum mit Freilichtbereich ArcheoParc Schnals Bilanz gezogen und über Forschungen zum Thema „Hochgebirge als Wirtschafts- und Interaktionsraum prähistorischer Dorfgemeinschaften“ berichtet. Als Ehrengast konnte Museumsleiterin Johanna Niederkofler die Präsidentin des Südtiroler Museumsverbandes, Johanna Bampi, begrüßen. In zwei Kurzvorträgen blickten die Archäologen Hubert Steiner vom Amt für Bodendenkmäler und Andreas Putzer vom Archäologiemuseum Bozen auf die letzten Grabungsprojekte und Funddatierungen zurück. Bei den Forschungen im Schnalstal ging es immer um Antworten auf die Fragen, wann der Mensch begonnen hat, hochalpine Weideflächen zu nutzen, und welchen Einfluss er auf die Naturlandschaft ausgeübt hat. So wurden Seitentäler begangen und Fundstellen von der Jungsteinzeit bis in die Römerzeit entdeckt. Dazu wurden Pollenprofile entnommen, um das Einwirken der siedelnden Menschen festzustellen. Besonders in den Fokus geraten seien, laut Putzer, das Tisen- und Finailtal, wo eine durchgehende Besiedelung über mehrere Jahrtausende nachgewiesen werden konnte. „Das Interessante am Bereich um den Finailhof ist dort eine Siedlungskontinuität von 6.000 Jahren festgestellt werden“ so Putzer. Jetzt - im Projekt 2018 bis 2020 - gehe es darum, Datensätze zu erweitern und die Nutzung des Hochgebirges durch Dauersiedlungen im Schnalstal und im Vinschgau zu verstehen. Putzer meinte: „Das Schnalstal zeigt, dass das Hochgebirge seit jeher Teil des Wirtschaftsraumes ist, dass die Berge den Menschen keine Angst machen und keine Barrieren sind.“ In der Gletscherarchäologie habe man sich durch die späte Schneeschmelze auf Datierungsarbeiten konzentriert, erklärte Hubert Steiner. So wurden am 3.000 Meter hohen Langgrubjoch zwischen dem Matschertal und Kurzras aus der Kupferzeit ein seltener Gürtelhaken aus Holz und aus der Bronzezeit Dachschindeln gefunden. Niemand habe das für möglich gehalten, meinte Steiner, aber es weise auf die erstaunlich hohe Mobilität der damaligen Menschen hin. Ausführlich behandelte er die Funde vom Gurgler Eisjoch auf 3.134 Metern Höhe. Bekannt wurde das Joch durch den Schneeschuh aus der Jungsteinzeit. Bis in die 60er-Jahre gab es den Schafübertrieb nach Obergurgl und damit eine 6.000 Jahre währende Begehung. Bei der letzten Untersuchung habe man bearbeitete Holzstäbe aus Fichtenholz, Pfeilschäfte aus Hasel, eine Art Holzschaufel und Reste eines Holzschlittens aus dem Mittelalter gefunden. „Wir haben keine gute Antwort auf die Frage, was die Menschen bewogen hat, diesen Übergang in dieser bizarren Landschaft zu frequentieren“, stellte Steiner fest. Man könne gespannt sein, wie der von Andreas Putzer angestrebte Fundort im Pfossental mit dem Übergang am Gurgler Eisjoch zusammenhänge.

Günther Schöpf
Günther Schöpf

Diese Seite verwendet Cookies für funktionale und analytische Zwecke. Lesen Sie unsere Cookie-Richtlinien für weitere Informationen. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden.