Kindsein ohne Druck
LATSCH - Es ist der Leistungsdruck, der viele Kinder und Jugendliche unglücklich und krank macht. Aber freilich sind auch Erwachsene davon betroffen. Um Leistungsdruck, Stress und Krisen ging es im Vortrag der Psychologin und Autorin Heike Torggler, zu dem der Katholische Familienverband Südtirol (KFS) Latsch kürzlich ins CulturForum geladen hatte. Unter anderem jedenfalls. In erster Linie unterstrich die Expertin nämlich den Stellenwert der Fürsorge, der elterlichen Liebe, der Harmonie und jener positiven Dinge, die eine Eltern-Kind-Beziehung ausmachen. Denn: So könne es gelingen, das „Kindsein ohne Druck“, wie auch der Titel des Vortrags lautete. Torggler, die ein gleichnamiges Buch zum Thema geschrieben hat, war früher im Leistungssport im Orientierungslauf erfolgreich und ist heute selbst Mutter. Wie ein roter Faden zogen sich drei Themenbereiche durch den Vortrag: Der sichere Hafen, sprich die emotionale Geborgenheit, die Stärkung des Selbst sowie das Meistern von Stress und Krisen. Torggler berichtete von Herausforderungen für Eltern und Kinder. Es dauere nicht lange bis das Kind in die erste Autonomiephase kommt, nach wenigen Jahren den eigenen Willen entdeckt und die ersten Trotzphasen anstehen. Eine bedeutende Autonomiephase sei auch das Jugendalter. „Die Kinder entwickeln eigene Persönlichkeiten und legen Verhaltensweisen an den Tag, mit denen man nicht immer einverstanden ist“, so die Psychologin. Im Gehirn finde dabei eine Umstrukturierung statt, die bei Mädchen bis Anfang 20 andauere, bei Jungs bis etwa Mitte 20. Generell sei sowohl im Kindes- als auch im Jugendalter ein emotionaler Hafen die Basis für eine gute Persönlichkeitsentwicklung. Die Kinder sollen sich geborgen fühlen, gleichzeitig gelte es langsam loszulassen.
Bedürfnisse und Emotionen
Als Tipps nannte Torggler etwa, die Bedürfnisse und Emotionen der Kinder wertfrei wahrzunehmen, Verständnis auszudrücken und neugierige Fragen zu stellen anstatt Ratschläge zu erteilen: „Oft reicht Interesse und ein offenes Ohr für die momentane Situation. Wir müssen nicht gleich unsere vorgefertigte Lösung parat haben. Kinder lernen selbst Probleme zu lösen“. Die Bedürfnisse und Emotionen der Kinder könne man oft sehr gut nachvollziehen, „wir kennen sie aus der eigenen Jugend“, so die Autorin.
Selbstwertgefühl stärken
Es gelte das Selbstwertgefühl, also den Glauben an den eigenen Gesamtwert, zu stärken. „Bedingungslose Liebe, Zeit und Fürsorge, Interesse und Wertschätzung“, seien hier elementar, wie Torggler aufzählte. Auch Sinn und Ziele im Leben stärken das Selbstwertgefühl. Die Selbstwirksamkeit bzw. das Selbstvertrauen, also der Glaube in die eigenen Fähigkeiten und die Überzeugung, schwierige oder herausfordernde Situationen überstehen zu können, könne ebenfalls gestärkt werden: „Den Kindern etwas zumuten und ihnen vertrauen, Emotionen wahrnehmen, ehrliche Rückmeldungen geben“, gab Torggler einige Ratschläge. Fehler zu machen sei entscheidend und wichtig für den Lernprozess. In Sachen Stress nannte die Psychologin diverse Stressauslöser: katastrophale Stressoren (tiefgreifende Ereignisse die sich auf die gesamte Bevölkerung auswirken wie eine Pandemie, Kriege oder Naturkatastrophen) persönliche Stressoren (belastende Ereignisse die viele Menschen zu irgend einem Zeitpunkt im Leben treffen, wie Todesfälle) sowie Hintergrund-Stressoren (dauerhafte Umstände, die anhaltende Spannung erzeugen, wie Unzufriedenheit mit der eigenen Situation, Probleme am Arbeitsplatz etc.). Auch Kinder und Jugendliche seien vielen Stresssituationen ausgesetzt, wie Schulstress, Verzichtstress, Online- und Kommunikationsdruck oder Entwicklungsstress. Bei Stress und Krisen sei es wichtig eine gute Balance zu finden. Langfristige Maßnahmen für ein gelungenes Stressmanagement seien etwa ausreichend Schlaf, gesunde Ernährung, viel Bewegung sowie Erholungsphasen. Als kurzfristige Maßnahmen seien Entspannungsverfahren, Atemtechniken, Muskelrelaxation sowie die Gedankenregulation sinnvoll.