Nadia Schwienbacher neben einem Kunstwerk von Giulia Nasti.

„Kreativität kennt keine Grenzen“

Regisseurin und Theaterpädagogin Nadia Schwienbacher im Interview

Publiziert in 21 / 2021 - Erschienen am 24. Juni 2021

Schlanders - Weil es aufgrund der Corona-Situation nicht möglich war, das Stück „Der Herr der Fliegen“ von William Golding aufzuführen, hatte sich das Jugendtheater Vinschgau (Juvi) für eine besondere Ausstellung entschieden. Es handelte sich um ein Audiotheater mit dem Titel „Theater trifft Kunst“, das in den Räumen der Hinterbühne im Kulturhaus in Schlanders zu sehen und zu hören war und auf regen Zuspruch stieß. Es war Nadia Schwienbacher, die bereits für das Stück „Der Herr der Fliegen“* als Regisseurin engagiert worden war und auch die Leitung des Projektes „Theater trifft Kunst“ übernommen hatte.

der Vinschger: Frau Schwienbacher, wie frustrierend ist es, wenn man sich als Regisseurin monatelang auf die Aufführung eines Stückes vorbereitet und es dann trotz mehrerer Anläufe nicht klappt?

Nadia: Projekte nicht abschließen zu dürfen, belastet – das ist mein Empfinden. Ich hatte in den letzten 13 Monaten unterschiedliche Situationen, da drei Inszenierungen corona-bedingt nicht gespielt werden konnten. Mehrere Anläufe zu nehmen hat mich nicht frustriert, jedoch die Tatsache, dass ich den Gruppen, für die ich als Regisseurin und Theaterpädagogin verantwortlich bin, situationsbedingt nicht immer gerecht werden konnte. Vielleicht war auch das meine treibende Kraft, dieses Projekt würdig abzuschließen.

Wie haben die Juvi-Mitglieder das endgültige „Aus“ erlebt und wie kam es zur Idee, aus dem Erlernten und Geprobten das Projekt „Theater trifft Kunst“ anzugehen?

Aus meiner Sicht war das erste „Aus“ (Ende Oktober) viel schlimmer für die Jugendlichen, denn die Endproben hatten begonnen. Am Donnerstagabend haben wir noch in Präsenz geprobt und am Freitag hieß es, dass wir die Proben einstellen müssen. Die Jugendlichen hatten bereits eine Inszenierung unter der Regie von Daniel Trafoier durch den ersten Lockdown nicht spielen können und nun dasselbe nochmal. Wir haben das Einzige getan, was möglich war – wir haben uns weiterhin wöchentlich online zu Textproben verabredet, um eine rasche Wiederaufnahme zu garantieren. Leider wurde uns Anfang des Jahres klar, dass sich die Situation zeitnah nicht bessern würde und die angedachte Wiederaufnahme nicht in Frage kam. Daraufhin wurden gemeinsam mit den Jugendlichen mehrere Möglichkeiten für einen Abschluss angedacht und die Gruppe hat sich entschieden, das Stück im Tonstudio aufzunehmen – einen besonderen Dank an das Team des „Juze Freiraum“ für die Nutzung des Tonstudios. Das hat natürlich viel Zeit und Arbeit in Anspruch genommen, besonders für die Jugendlichen, die sich mit den Aufnahmen und dem Schnitt befasst haben. Da wir das Hörstück aus rechtlichen Gründen nur für uns produziert hatten, fand der Ausschuss des „Jugendtheaters Vinschgau“, dass diese ganze Arbeit doch irgendwie genutzt werden sollte. Daniel Trafoier, der künstlerische Leiter des Vereins, hatte die Idee, dass man Audio-Stationen machen könnte, wie die Freilichtspiele Lana im Sommer 2020. Durch diesen Input habe ich ein Konzept entwickelt und aus dem Erarbeiteten wurde Schritt für Schritt ein Audiotheater – Kunstwerke kombiniert mit Begleittexten und kurzen Audio-Sequenzen aus dem aufgenommenen Hörstück.

Was haben Sie persönlich aus dieser besonderen Erfahrung gelernt?

Dass Kreativität keine Grenzen kennt. Dass jugendliche Begeisterung neue Welten öffnen kann und dass man einen Weg zu Ende gehen sollte, egal wie steinig er erscheinen mag.

War es schwierig, die Darstellerinnen und Darsteller, die sich auf das Stück „Der Herr der Fliegen“ eingeschossen hatten, auf diese neue Reise mitzunehmen?

Interessanterweise gar nicht. Die Jugendlichen waren für Alles offen, haben bei jedem Schritt mitgearbeitet und ich muss gestehen, es gab viele Schritte auf dieser Reise. Es gab kein „Das können wir nicht“ oder „Das schaffen wir nicht“. Jeder hat das beigetragen, was er konnte und das mit Begeisterung. Ich persönlich glaube, dass uns das reale Miteinander getragen hat. Wir mussten lange auf reale Begegnung verzichten, das hat nochmal eine eigene Kraft ausgelöst und so konnten wir das Projekt „Theater trifft Kunst“ mit tatkräftiger Unterstützung des Vereins innerhalb eines Monates realisieren.

Was war Theater und was war Kunst?

Die Kunst war es, das Theater am Leben zu erhalten. Kleiner Scherz am Rande – oder doch nicht? Theater ist Kunst, genauer gesagt eine Kunstform. Genauso wie Schreiben oder das handwerkliche Gestalten eines Kunstwerks. Diese Kunstformen sind durch die Jugendlichen zum Leben erweckt und miteinander verbunden worden. Dadurch wurden bei den Besuchern unterschiedliche Sinne angeregt, individuelle Assoziationen ausgelöst und es entstand Raum für eigene Gedanken. Die Rückmeldungen waren viel individueller als nach einer Theateraufführung, das hat mich fasziniert.

Hat sich die schwierige Situation der Theater- und aller Kulturschaffenden im Zusammenhang mit der Corona-Krise mittlerweile etwas entspannt?

Eine sehr schwierige Frage, da ich nicht für alle Kulturschaffenden in Südtirol sprechen kann. Ich habe erlebt, dass die Kulturschaffenden eine existenzielle Krise durchlebt und dennoch positiv Stand gehalten haben. Ich glaube, die Freude nach sieben Monaten wieder arbeiten zu dürfen, entspannt die momentane Grundsituation. Wobei ich bemerken möchte, dass es ohne die Krise nicht die Gründung der „PERFAS“ gegeben hätte, was für die Kulturschaffenden jetzt schon eine große Bereicherung darstellt und auch der lose Zusammenschluss der Südtiroler Theaterpädagog*innen hat vor Kurzem den Verein „PlatThea – Plattform Theaterpädagogik Südtirol“ gegründet. Der Wille und die Notwendigkeit sich zu unterstützen hat etwas bewegt, mal sehen, wo es uns hinführt.

Vielen Menschen ist während der Corona-Zeit bewusst geworden, wie wichtig und wertvoll Kultur und Kulturarbeit sind. Wie sollte die Politik darauf antworten?

Ich persönlich finde, dass vielen Menschen gar nicht bewusst ist, was Kultur bedeutet bzw. was alles unter diesen Begriff fällt. Schade eigentlich, weil die meisten davon Kultur konsumieren, ohne sich dessen bewusst zu sein und dann sagen, dass sie darauf verzichten könnten, ohne es versucht zu haben. Ich wünsche mir von der Politik, Kulturarbeit, Kulturinstitutionen und Kulturschaffende weiterhin zu fördern, denn jetzt brauchen wir Kunst und Kultur. Warum? Um die Krise psychisch unbeschadet hinter uns lassen zu können, um das Erlebte zu verarbeiten, um uns wieder als Gemeinschaft zu spüren – umso vieles und mehr!

*Wer „Der Herr der Fliegen - Theater trifft Kunst“ verpasst hat: www.meinjuvi.org/herrderfliegen

Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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