Roland Grutsch bei der Arbeit mit dem Radlader im Bereich der „Sechserin“ (Kurve Nummer 6).
Jürgen Ortler (links) und Klemens Reinstadler
Stephan Bauer

Kurve um Kurve

Passstraße auf das Stilfserjoch ist vom Schnee geräumt. Offizielle Öffnung voraussichtlich Ende Mai.

Publiziert in 18-19 / 2020 - Erschienen am 21. Mai 2020

Stilfserjoch - Während im Tal im April und Mai schon längst alles blüht und grünt, liegt auf dem Stilfserjoch in der Regel noch meterhoher Schnee. Die Passstraße nach dem Winterschlaf vom Schnee zu befreien und wieder in Schuss zu bringen, ist für den Straßendienst Vinschgau seit jeher eine besondere Aufgabe und Herausforderung. Heuer wurde am 7. April mit den ersten Arbeiten begonnen. „Wir arbeiten uns in drei Etappen in die Höhe. Zuerst kommt die Strecke von Trafoi bis zum Weißn Knott an die Reihe, dann der Abschnitt bis zur Franzenshöhe und zuletzt geht es hinauf bis zur Passhöhe. Heute befinden wir uns im Bereich der ‚Sechserin’. Läuft alles gut, sind wir in drei Tagen oben.“ Mit „Sechserin“ bezog sich der Vorarbeiter Jürgen Ortler, der den der Vinschger am 12. Mai über den Fortschritt der Arbeiten informierte, auf die Kurve Nummer 6. Entlang der letzten 5 Kurven bis zum 2.757 Meter hohen Pass lag am 12. Mai noch ziemlich viel Schnee. Jürgen Ortler: „Große Schneemassen an den Hängen gibt es heuer zwar nicht und deswegen sind wir auch vor Lawinenabgängen sicher, aber der Schnee, der im Herbst 2019 fiel, ist hart wie Beton.“

„Schnee ist hart wie Beton“

Man habe zunächst versucht, Schneefräsen einzusetzen, doch das war aufgrund der Härte des Schnees kaum möglich. „Um weitere Schäden an den Maschinen zu vermeiden, haben wir beschlossen, auf die Fräsen zu verzichten und nur mehr einen Radlader einzusetzen“, so Ortler. Im Vorfeld war auch eine Schneekatze zum Einsatz gekommen. Geräumt wird die Fahrbahn von oben nach unten. In die Höhe gelangt der Radlader über eine Rampe, die er zu diesem Zweck auf den abgelagerten Schneemassen bzw. Lawinenkegeln errichtet. Am Ziel angekommen, beginnt dann die eigentliche Räumung. Kurve um Kurve wird der Schnee über den Abhang befördert. In der Regel sind drei Arbeiter vor Ort, wobei einer davon die spezielle Aufgabe hat, die Lage zu beobachten. Es geht dabei vor allem um die Sicherheit der Arbeiter.

Lawinen- und Steinschlaggefahr

Im Auge zu behalten gilt es in erster Linie die Lawinen- und Steinschlaggefahr. Zu diesem Zweck steht Jürgen Ortler auch stets in engem Kontakt mit der Lawinenkommission der Gemeinde Stilfs und mit dem Chef des Straßendienstes Vinschgau, Stephan Bauer. Zu achten ist während der Arbeiten aber auch auf so manche Fahrradfahrer und bisweilen auch auf Tourengeher, die sich trotz der offiziellen Straßensperre in das Gebiet „verlieren“. Zumal sich immer auch Steine und Felsen lösen, die auf die Straße stürzen, wurde auch heuer wieder eine eigene Firma mit Felssicherungsarbeiten betraut. Wie wechselhaft das Wetter auf dem Stilfserjoch sein kann, weiße der „neue Hubert“ - Jürgen Ortler ist der Nachfolger des langjährigen Vorabeiters Hubert Pfeifer und für die Straßendienstzone Lichtenberg/Stilfs zuständig - nur zu gut: „Es kommt vor, dass wir hier oben an einem einzigen Tag zehn verschiedene Wetter haben.“ Die Palette reiche von Neuschnee und Regen bis hin zu Wind und milden Phasen.

„Zehn verschiedene Wetter an einem Tag“

Das Mittagessen nahmen die Arbeiter heuer fast immer von zu Hause mit. Dies auch deshalb, weil die Gasthäuser im Umkreis coronabedingt geschlossen waren. Apropos Corona-Krise: zum Opfer gefallen ist der Krise auch der Giro d‘Italia. Die Königsetappe hätte am 28. Mai über das Stilfserjoch führen sollen. Es war zwar weder ein Etappenstart, noch eine Zielankunft in Südtirol vorgesehen, aber ein Spektakel mit viele Zuschauern wäre es auf jeden Fall geworden. Die Rennradfahrer wären am 28. Mai in Pinzolo (Trentino) gestartet und wären dann vom Nonsberg kommend über das Hofmahdjoch und das Ultental nach Meran gefahren und von dort nach Prad, auf das Stilfserjoch und von dort bis zu den Cancano-Seen im Veltlin. Der Giro wurde auf Oktober 2020 verschoben. Ob er tatsächlich stattfinden kann, ist noch ungewiss. 

Giro und Radrennen abgesagt

Ebenfalls gestrichen wurde das traditionelle Radrennen auf das Stilfserjoch, das am 13. Juni hätte stattfinden sollen. Noch nicht offiziell abgesagt war zum Stichtag 13. Mai die 6. Stilfserjoch Traktor Tour (19. bis 21. Juni). Zusätzlich zur eigentlichen Schneeräumung fallen entlang der Passstraße in jedem Frühjahr noch viele weitere Arbeiten an, so etwa die Neuasphaltierung bestimmter Teilstrecken oder die Instandsetzung schadhafter Randmauern. Zu einem treuen Zuschauer und Beobachter der Straßenarbeiter ist schon seit Jahren ein Bartgeier geworden. Er zieht beständig seine Kreise in den Lüften oberhalb der Passstraße. „Manchmal ist er so nah, dass man ihm in die Augen schauen kann“, bestätigt der Straßenarbeiter Klemens Reinstadler. Und anstelle von Auto- und Motorradlärm sind es nur die Pfiffe der Murmeltiere, die durch die prächtige Natur im Nationalpark schrillen. Mit der Öffnung der Passstraße für den Verkehr ist laut Stephan Bauer (im Bild) Ende Mai zu rechnen. 

Drei Wochen „Zwangsurlaub“

Der über 70-köpfige Mitarbeiterstab des Straßendienstes Vinschgau (Außendienst, Werkstatt, Verwaltung) wurde nach dem Ausbruch der Corona-Krise für drei Wochen in den Zwangsurlaub geschickt. Der Bereitschaftsdienst wurde immer gewährleistet. Auch die notwendigsten Arbeiten, etwa Schneeräumungen, wurden durchgeführt. Am 6. April wurden die Arbeiten des Straßendienstes wieder aufgenommen, natürlich unter der Einhaltung der vorgegebenen Sicherheitsvorkehrungen. Zu den größten der seither durchgeführten Arbeiten gehört die Neuasphaltierung von rund der Hälfte der „Laaser Geraden“. Zumal aufgrund der Corona-Krise sehr wenig Verkehr herrschte, konnte laut Bauer in aller Ruhe, sicher und gut gearbeitet werden.

Enge Kurven werden begradigt

Zu den größeren Vorhaben, die demnächst anstehen, gehört die Begradigung der drei engen Kurven im Bereich zwischen der Bogenbrücke über den Suldenbach in Gomagoi und Trus. Das Projekt wurde von der Gemeinde Stilfs erstellt. Die Finanzierung übernimmt das Land. Ausgeführt werden die Arbeiten von der Firma Mair Josef & Co. KG. Dank der Begradigung der engen Kurven können in Zukunft auch große Reisebusse problemlos nach Sulden fahren. 

Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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