Über 700 Hektar Waldflächen sind im Großraum Laas, Tschengls, Prad, Gomagoi und Taufers im Münstertal (Schattenseite) vom Borkenkäfer-Befall betroffen.
Stark vertreten waren beim Infoabend in Mals die Eigenverwaltungen.
Bezirksforstinspektor Georg Pircher bei einer befallenen Fichte.
„Ein Patentrezept gegen den Borkenkäfer gibt es nicht“, stimmten Arnold Schuler (links) und Günther Unterthiner überein.

Leicht wird es nicht

Wie lässt sich die Ausbreitung des Borkenkäfers eindämmen?

Publiziert in 23 / 2022 - Erschienen am 20. Dezember 2022

Mals - Rund 5.400 Hektar Waldflächen sind derzeit landesweit vom „Großen Achtzähnigen Fichtenborkenkäfer“, auch Buchdrucker genannt, befallen. Der Obervinschgau gehört zu jenen Gebieten, in denen der Forstschädling am meisten verbreitet ist. Über 700 Hektar sind im Großraum Laas, Tschengls, Prad, Gomagoi und Taufers im Münstertal (Schattenseite) betroffen. Die Schadholzmenge in diesen Gebieten wird auf über 60.000 Festmeter geschätzt. Wenn man sich vor Augen führt, dass der normale Jahreshiebsatz im Vinschgau bei 50.000 Festmetern liegt, sind das gewaltige Mengen. „Wenn es dem Wald nicht gut geht, geht es auch den Waldbesitzern nicht gut und das sind bei uns zum Großteil die Eigenverwaltungen“, sagte der Malser Bürgermeister Josef Thurner, als er am 7. Dezember im Kulturhaus in Mals einen gut besuchten Informations- und Diskussionsabend zum Thema Borkenkäfer eröffnete. Als Referenten konnte der Bezirksforstinspektor Georg Pircher den Landesrat Arnold Schuler sowie Günther Unterthiner, den Leiter der Landesabteilung Forstwirtschaft, begrüßen. Der Infoabend in Mals war nach landesweit 4 Abenden als zusätzlicher Termin eingeschoben worden. 

Besonders guter „Nährboden“
im Vinschgau

„Der Borkenkäfer ist leider Gottes ein großes Problem und eine Ausbreitung in diesem Ausmaß hat uns alle überrascht“, sagte Arnold Schuler. Begünstigt haben die starke Ausbreitung des Schädlings der Sturm „Vaia“ mit landesweit 1,63 Millionen Festmeter Schadholz, vor allem aber der Schneedruck der Jahre 2019 und 2020 mit rund 2 Millionen Festmetern. Während das „Vaia“-Schadholz relativ rasch aus den Wäldern gebracht werden konnte, blieb viel Schneedruck-Holz liegen, vor allem in Gebieten, wo die Holzbringung bzw. das Aufräumen schwierig ist. Schuler: „Dieses liegengebliebene Schadholz, die trockenen Sommer und der Anstieg der Temperaturen haben die Ausbreitung des Borkenkäfers begünstigt.“ Im Trockental Vinschgau sei der Temperaturanstieg im Sommer 2022 im Vergleich zu anderen Landesteilen noch markanter gewesen. Im Vinschgau sei der Klimawandel in diesem Sinn besonders stark spürbar. Als weitere Vinschger Besonderheiten nannte der Landesrat die hohe Rotwilddichte, die damit einhergehenden Verbissschäden, auch in den Wäldern, und andere „Stresssituationen“, wie etwa das Auftreten des Prozessionsspinners in Schwarzföhren-Beständen, die vom Forstinspektorat Schlanders schrittweise in naturnahe Mischwälder umgewandelt werden. Eine weitere Eigenheit des Vinschgaus ist der Umstand, dass der Großteil der Wälder nicht privaten Besitzern gehört, sondern den Eigenverwaltungen und zum Teil auch den Gemeinden.

Schutzfunktion teilweise in Gefahr

Besonders problematisch ist die rasante Ausbreitung des Borkenkäfers in Südtirol vor allem deshalb, weil 60% der Waldflächen als Schutzwälder eingestuft sind. Neben den Aspekten der Umwelt, des Landschaftsbildes, der Ökologie und der Waldbewirtschaftung schützen die Wälder an den Hängen vieler Täler auch Infrastrukturen wie Straßen oder Bahnlinien, Höfe und Weiler oder gar ganze Dörfer. Wie Günther Unterthiner ausführte, wurde dem „Objektschutzwald“ daher bei der Festlegung der forstinternen Richtlinien zur Eindämmung des Borkenkäfers die erste Priorität eingeräumt, gefolgt vom Standortschutzwald und dem Schutz der übrigen Waldflächen. Einen Kahlschlag ganzer Hänge wolle man vermeiden, denn auch bereits abgestorbene Bäumen können ihrer Schutzfunktion über viele Jahre hinweg gerecht werden. Als weitere forstinterne Maßnahmen kündigte Unterthiner die Kartierung der Befalls-Flächen, die Priorisierung der notwendigen Maßnahmen, die Fortsetzung der Ehebungen und die Neufestlegung der Prämie für die Schadholzbringung an. In Sachen Schadholzbringung rief Unterthiner dazu auf, „das Zeitfenster bis Mitte April 2023 effizient zu nutzen.“ Die Borkenkäfer, die sich im lebenden Gewebe der Rinde entwickeln, verbringen den Winter in den Wirtsbäumen, bevor im Frühling der Ausflug erfolgt und damit eine neue „Angriffswelle“ beginnt.

Förderungen werden angepasst

Landesrat Schuler erinnerte daran, dass nach dem Sturm „Vaia“ in den vergangenen 4 Jahren insgesamt rund 60 Millionen Euro an Förderungen ausgeschüttet wurden: 21,4 Mio. Euro für „Vaia“-Gesuche, 14,3 Mio. für 4.616 Gesuche für Schadholzbringung und 24 Mio. für Eigenregiearbeiten. Für die Zukunft kündigte der Landesrat die Anpassung von Förderungen für Fangbäume (80 Euro) sowie das Ablängen (20 Euro) und das Entrinden (40 Euro) an. Auch die Förderungen für die flächenbezogene Schutzwaldpflege werden angepasst. „Die Schadholzprämie werden wir mit substantiellen Gelmitteln erhöhen“, so Schuler.

Zu wenig Forstunternehmen
und Transportfirmen

Bei der Diskussion wurde mehrfach kritisiert, dass es sowohl zu wenige Förster gibt, als auch zu wenige Forstunternehmer und Transportfirmen. „Bei derartigen Mengen an Schadholz fehlen nicht nur Transportfirmen und Forstunternehmen, sondern auch die Abnehmer,“ so Unterthiner. Selbst die vielen Fernheizwerke im Land sind laut Schuler außerstande, derartige Mengen zu „schlucken.“ Gedrängt wurde bei der Diskussion unter anderem darauf, die Bringungsprämien rasch auszuzahlen. Zur Feststellung, dass es in steilem und unwegsamem Gelände sehr schwierig ist, befallene Bäume aus dem Wald zu holen, meinte Unterthiner, dass man jeweils „situationsbezogen“ schauen müsse, ob eine Entfernung des Schadholzes sinnvoll ist oder ob man sich dafür entscheidet, „graue“ Bäume, die für die weitere Verbreitung des Borkenkäfers unbedenklich sind, stehen zu lassen. Angesprochen wurde auch das Vorkommen des Lärchenborkenkäfers an bestimmten Stellen auf der Sonnenseite des Vinschgaus.

„Ein wichtiger Partner ist die Jägerschaft“

Um eine möglichst rasche Wiederbewaldung in die Wege leiten zu können, „sind wir auf die Jägerschaft als wichtigsten Partner angewiesen“, sagte Unterthiner, denn sonst sei eine natürliche Waldverjüngung kaum möglich. Auch Arnold Schuler gab sich überzeugt, „dass der Druck auf die Jäger und Jägerinnen steigen wird.“ Eine wiederholte Nichteinhaltung der Abschusspläne könne man nicht tolerieren. Um sozusagen ein Exempel zu statuieren, seien 4 Jagdreviere in Südtirol mit Strafen belegt worden. Schuler verwies aber auch darauf, dass sich die Jägerschaft immer stärker mit dem Problem konfrontiert sieht, dass täglich, und zwar rund um die Uhr, immer mehr Einheimische - und nicht nur - in der freien Natur unterwegs sind und die Lebensräume des Wildes stören. Bei der Diskussion wurde seitens der Jägerschaft eingeworfen, dass es nicht angehe, die Jäger und Jägerinnen an den Pranger zu stellen: „Die Abschusspläne im Vinschgau werden relativ gut eingehalten, auch im Nationalpark. Nur die Erhöhung der Abschusspläne ist nicht die Lösung.“ Schuler und Unterthiner betonten, dass der Borkenkäfer-Befall ein Problem ist, dass alle betrifft, die Waldbesitzer ebenso, wie die öffentlichen Verwaltungen, die Jägerschaft und viele weitere Beteiligte. „Wir sind zu einer Gemeinschaftsleistung aufgefordert“, so Schuler. Zu bedenken gab er, dass der Borkenkäfer trotz seines weitverbreiteten Vorkommens in Europa und darüber hinaus nicht immer nicht gut erforscht sei. Ein Patentrezept gibt es auch laut Unterthiner nicht. – Der Bezirksforstinspektor Georg Pircher hatte in einem Gespräch mit dem der Vinschger bereits im Juli 2022 prognostiziert, „dass uns die Probleme mit dem Buchdrucker, dem Lärchenborkenkäfer und mit weiteren Schädlingen sicher noch einige Jahre beschäftigten werden.“ Auch er sieht den eigentlichen und tiefer liegenden Grund für die Probleme in den Wäldern in der Erderwärmung und deren Folgen.

Josef Laner
Josef Laner

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