Märchenhaft gut
Publiziert in 45 / 2014 - Erschienen am 17. Dezember 2014
Marcel Zischg aus Naturns:
„Ich fühle mich Kindern näher als Erwachsenen“
der Vinschger: Wie kommt ein junger Student wie Sie zum Verfassen von Märchen?
Marcel Zischg: Ich war immer schon von Märchen fasziniert, seit Kindheit an. Als ich mit 15 Jahren angefangen habe, eigene Texte zu schreiben, waren es zum Teil Märchen. Ich habe das Gefühl, dass ich als Autor für diese Textsorte geboren bin, weil ich darin die Möglichkeit mag, alles tun zu dürfen.
Welches ist das Ausgangsmaterial Ihrer Märchen?
Ich muss vorausschicken, dass es sich bei meinem Märchenbuch nur teils um Texte handelt, die auf Sagenmaterial beruhen. Viele der Geschichten sind von mir selbst erfunden, beispielsweise „Gustav und das Land der Träume“, „Til mit den Zauberohren“, „Herr und Frau Einfalt“ usw. Das Sagenmaterial, auf das ich mich gestützt habe, bezieht sich auf sehr lokale Stoffe wie eine Schnalstaler-Sage von Robert Winkler. Der Naturnser Ritter „Cosmas, der Gupfete“ kommt als Sagenfigur im Märchen „Himmelhansl“ vor, das Märchen selbst stützt sich auf Berichte der Naturnser Dorfchronistin Maria Fliri Gerstgrasser, die in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg auf einem Bergbauernhof aufwuchs. Ich könnte noch viele weitere Beispiele nennen.
Wen oder was wollen Sie mit diesem Buch erreichen?
Ich war so frei, das Buch beim heurigen Kinder- und Jugendliteraturpreis des Landes Steiermark einzuschicken. Das Manuskript kam bis in die Schlussrunde. In erster Linie schreibe ich für Kinder und versuche, ihnen das Märchen in seiner kurzen, klassischen Form wieder näher zu bringen.
Sie haben bereits ein Buch veröffentlicht. Wovon handelt es?
Mein erstes Buch hieß „Familie am Bach“. Es thematisierte die Probleme von Kindern in der Welt der Erwachsenen, die in fragilen Familienkonstellationen leben. Als ich das Buch fertigstellte, war ich 24 Jahre alt. Jetzt bin ich fast 27, und finde es durchaus interessant, dass sich an meiner Grundeinstellung zum Leben nicht viel verändert hat: Ich fühle mich Kindern näher als Erwachsenen. Wie die Kinder in meinem ersten Buch ist mir die Erwachsenenwelt oft fremd. Ich habe das Gefühl, ganz viel nicht zu verstehen: Die Politik, die Wirtschaft, die Arbeit – diese Welten erscheinen mir oft sehr anstrengend und gekünstelt.
Wie lange haben Sie am Märchenbuch gearbeitet?
An meinem ersten Buch habe ich fast drei Jahre gearbeitet, aber damals hatte ich lange Zeit kein Bedürfnis, es überhaupt fertigzustellen. Beim Märchenbuch ging es um einiges schneller: In ein-einhalb Jahren war das Manuskript bereits fertig und illustriert. Mein Cousin Oswald Zischg hat sich im Sommer angeboten, zu den Märchen Bilder zu gestalten.
Haben Sie den Verlag oder der Verlag Sie gefunden?
Angefangen hat alles mit der Jugendliteraturwerkstatt Graz. Dort war ich zweimal mit dabei, als ich noch 17 war. 2008 nahm man zwei meiner Texte bei den Prosatagen Mals auf, organisiert von Johannes Fragner Unterpertinger aus Mals, der mit dem Provinz Verlag Südtirol zusammenarbeitet. Dadurch entstand der Kontakt. Während meines Germanistikstudiums habe ich dann begonnen mehr zu schreiben, vorwiegend Kurzgeschichten. Bereits mein erstes Buch erschien im Provinz Verlag, auch mein zweites Buch erscheint dort.
Das Honorar eines Autors ist meist sehr bescheiden. Was treibt Sie an, Bücher zu schreiben?
Das Schreiben ist ein Teil von mir geworden. Ich schreibe nicht wegen des materiellen Erfolgs und ich werde auch weiterschreiben, wenn ich wenig oder keinen Erfolg habe. Mir ist es wichtig, meine kleinen Leser glücklich zu machen und dies hat mir ein Mädchen bestätigt: „Bitte schreib noch viele Märchen!“. Das ist das Schönste, was es gibt. Muss man dafür berühmt sein?
Danke für das sehr persönliche Gespräch.
Interview: Andrea Kuntner

Andrea Kuntner