Zahlreiche Bürger und Bürgerinnen nahmen an der Veranstaltung teil.
Georg Altstätter
Arno Kompatscher

Marteller Sorgen & Hoffnungen 

Großraubtiere, Nationalpark, Jugend und mehr: Bürgerversammlung mit Landeshauptmann Arno Kompatscher. 

Publiziert in 23 / 2024 - Erschienen am 17. Dezember 2024

Martell - „Schön, dass ich hier sein kann. Martell ist eine der Gemeinden, die ich am häufigsten besuche, es gibt hier immer viel zu bereden“, sagte Landeshauptmann Arno Kompatscher anlässlich der Bürgerversammlung im Bürgerhaus am 2. Dezember. Im Gepäck hatte er viele Komplimente für die Gemeindeverwaltung – insbesondere für Bürgermeister Georg Altstätter. Hartnäckig sei dieser, wenn es um die Forderungen der Marteller geht. „Er ist oft bei uns in Bozen zu Gast. Die Kilometer machen sich aber bezahlt“, unterstrich Kompatscher. Viele Steuergelder würden ins Martelltal fließen. Dies insbesondere aufgrund der zahlreichen Projekte, die in Martell realisiert wurden und werden. Diese stellte Altstätter vor. Kompatscher sagte, dass es in Südtirol wohl kaum eine Gemeinde mit vergleichbarer Größe in Sachen Einwohnerzahl gebe, die im Stande sei, mehrere Großprojekte quasi zeitgleich zu stemmen und bezog sich damit auf das derzeit entstehende neue Schulhaus mit Kindergarten und die Arbeiten am Biathlonzentrum, sowie die abgeschlossenen Arbeiten beim Nationalparkhaus culturamartell, dem Jugendhaus, dem Gemeindehaus usw. „Die Abwanderung wurde bei euch gestoppt, ihr habt sogar etwas mehr Einwohner als in den letzten Jahren“, lobte Kompatscher die 850-Seelen-Gemeinde. Das Ziel müsse die 1000er-Marke sein. Dazu brauche es Infrastrukturen. Für solche sorge die Gemeinde, dies zeichne Martell und Südtirol aus. In den ländlichen Gebieten hierzulande gebe es deutlich weniger Abwanderung als im restlichen Alpenraum.  Auch in Sachen Einkommensverteilung stehe Südtirol verhältnismäßig gut da, auch wenn es hierbei freilich einiges zu verbessern gebe. „Natürlich ist nicht alles perfekt hierzulande“, gestand Kompatscher. Aber: Es sei auch nicht alles so schlecht, wie es oft gemacht werde. 

„Wir meinen es ernst mit dem Wolf“ 

Ein Thema, welches das Martelltal bewegt, ist insbesondere das Großraubwild. „Dieses macht uns den Garaus. Wir Almbetreiber fühlen uns geringgeschätzt und im Stich gelassen“, hieß es aus dem Publikum. Die Schuld werde dabei immer nur auf die EU geschoben, andere Gebiete wie das Trentino oder das österreichische Bundesland Tirol seien Südtirol in Sachen Abschüsse voraus. Man habe in puncto Großraubwild „gar nichts auf die Reihe bekommen“, unterstrich auch Kompatscher. Er betonte aber auch: „In ganz Italien wurde noch kein Wolf geschossen, auch die Trentiner Dekrete wurden gekippt“. Beim Bär sehe die Sache anders aus, da die Gefahr, die von Problembären für Menschen ausgehe, offensichtlich sei. „Es mag stimmen, dass andere Staaten weiter sind, aber auch weil Wien anders dazu steht als Rom“, so Kompatscher über etwaige Wolfsabschüsse. Der Landeshauptmann erklärte, dass er derzeit in Rom über die Wiederherstellung autonomer Kompetenzen bzw. mehr Zuständigkeiten verhandle. Eine davon sei die Umwelt. Hierbei gehe es ausdrücklich auch um die Verwaltung der Wildtiere. „Wir werden dafür kämpfen, das zu tun, was die Tiroler auch dürfen“, so Kompatscher. Sprich: Der Abschuss von „Schadwölfen“ solle dann wie in Österreich erlaubt sein. Der Landeshauptmann sagte zudem: „Auch wenn wir die Zuständigkeiten einmal haben, wird es nicht reichen. Mit dem Abschuss von Problemwölfen wird es nicht getan sein. Es braucht eine geregelte Entnahme. Da reden wir von 30 bis 40 Stück, da müssen wir hin“. Er hoffe, insbesondere um Taten sprechen zu lassen, dass es mit der Entnahme einzelner Wölfe bald klappe, aber nur der Abschuss von zig Wölfen würde laut Kompatscher helfen. Das müsse das Ziel sein. „Wir meinen es ernst mit dem Wolf“, betonte der Landeshauptmann. Um über die Regulierung von einzelnen auffälligen Wölfen hinausgehen zu können, müsse sich aber auch etwas bei der Berner Konvention tun. Just am Tag nach der Bürgerversammlung, am 3. Dezember, haben die Unterzeichnerstaaten der Berner Konvention einer Herabstufung des Schutzstatus des Wolfes von „streng geschützt“ auf „geschützt“ zugestimmt. Der Vorschlag, den Schutzstatus zu senken, war von der EU gekommen, die jetzt in einem weiteren Schritt den Wolfsschutz in der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) senken darf. 

Schutzgebiete erschweren vieles

Ebenfalls ein Dauerthema in Martell sind die Schutzgebiete, sprich Nationalpark Stilfserjoch und Natura 2000. Diese würden Landwirten, Gemeindeverwaltung und der ganzen Bevölkerung vieles erschweren, hieß es bei der Bürgerversammlung. Seit rund 9 Jahre warte man auf den Nationalparkplan, „es ist frustrierend“, so Kompatscher. Ein Problem sei, dass die Lombardei „nicht weitermacht“ und Südtirol nicht alleine für den Südtiroler Teil des Parks handeln könne. Auch dass weite Teile des Tals zu Natura 2000 zählen, mache vieles kompliziert. Bei Natura 2000 handelt es sich um ein Netz von Schutzgebieten innerhalb der Europäischen Union. „Wo es keine Verschlechterung, sondern nur eine Verbesserung der Natur geben darf“, erklärte Kompatscher. Derzeit seien Stellungnahmen abzugeben. „Ich kann nicht versprechen, dass alles angenommen wird. Aber gebt Stellungnahmen ab, das ist die Basis, um zu verhandeln. Wir müssen Lösungen finden.“ Eine Verbesserung der Natur komme oft mit einer Verschlechterung der Bedingungen für die Landwirtschaft einher, gestand der Landeshauptmann. 

„Niemand will das Krankenhaus zusperren“

Ein klares Bekenntnis gab es für das Krankenhaus Schlanders. „Niemand will das Krankenhaus zusperren. Diese Idee gab es auch niemals“, betonte Kompatscher. Man wolle versuchen, sämtliche Dienste weiter zu gewährleisten. Dies sei immer das Ziel gewesen, dafür habe sich das Land stets eingesetzt. Kompatscher erinnerte daran, dass man etwa in Sachen Geburtenstation bereits vor vielen Jahren eine Ausnahmegenehmigung erhalten habe, obwohl man die Standards, die der Staat definiert – in diesem Fall die jährliche Anzahl der Geburten – nicht erfüllen kann. Das gesamtstaatliche Geburtenkomitee habe jedoch eingesehen, dass es sich beim Vinschgau um einen Raum handle, der ansonsten nicht genügend versorgt sei. Auch künftig solle dies bzw. die Dienste für Kleinkinder gewährleistet sein. Ein Problem derzeit seien Personalengpässe in einigen Fachbereichen. Aufgrund eines staatlichen Gesetzes ist die Verlängerung der Verträge mit externen Ärztefirmen über den 31. Dezember hinaus untersagt worden. In Vergangenheit war für die Abdeckung von Diensten in den Abteilungen Pädiatrie und Anästhesie im Krankenhaus Schlanders auf solche Verträge zurückgegriffen worden. Hier arbeite man aber an Lösungen, die unbesetzten Ärztestellen wurden ausgeschrieben, bei Bedarf sollen Ärzte anderer Pädiatrie- und Anästhesie-Abteilungen im Land aushelfen. Mittelfristig setze man darauf, mehr Ärztinnen und Ärzte in Südtirol zu beschäftigen, verschiedene Maßnahmen wie die Facharztausbildung und Medizinstudium in Bozen bereits gesetzt. „Ich bin zuversichtlich“, so Kompatscher. 

Wo bleibt die Jugend? 

Auch das Thema Jugend bzw. Möglichkeiten für junge Menschen wurde angesprochen. Vieles werde in Martell getan, es hapere aber am Angebot. Junge Leute müssten das „halbe Land abfahren“, um ein Nachtleben zu erleben. Dies sei im ländlichen Gebiet generell schwierig, so Kompatscher. Auch er habe als Völser in seiner Jugend damit Erfahrungen gemacht. Eine Gemeinde könne zwar für einen Jugendtreff zuständig sein, aber nicht für Pubs und Diskos, so der Landeshauptmann. Er appellierte an die jungen Menschen, auch selbst aktiv zu werden und Events zu organisieren: „In Südtirol ist viel möglich, auch bei euch“. Bürgermeister Georg Altstätter unterstrich, dass in Martell verhältnismäßig viel los sei, was das Nachtleben betreffe: lange geöffnete Bars, Feierlichkeiten am Sportplatz und vor allem die Sommerfeste in den wärmeren Monaten. 

Strukturschwache Gebiete berücksichtigen 

Der Obmann der Bürgergenossenschaft Martell 3B, Alexander Mair, berichtete über den Tourismus im Tal. Diesem gehe es nicht schlecht, aber Martell gehöre nach wie vor zu den unterentwickelten Gemeinden. Er forderte dazu auf, bei der Vergabe von Förderungen usw. zu differenzieren und strukturschwache Gebiete mehr zu berücksichtigen. Auch kritisierte er die ständige Erhöhung der Ortstaxe. Dem pflichtete Bürgermeister Altstätter bei. „Es wäre wichtig, wenn die mal so bleibt“. Weitere Wortmeldungen betrafen unter anderem die Instandhaltung der Straßen – wo der Landeshauptmann erklärte, insbesondere mit den Asphaltierungen landesweit in Verzug zu sein – sowie die südtirolweit mangelnde Zweisprachigkeit und das leistbare Wohnen. 

Michael Andres
Michael Andres
Vinschger Sonderausgabe

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