Mehr als nur Almen, Wald und Weide
Info-Abend zeigt, welchen Stellenwert die Eigenverwaltungen haben. Nachholbedarf in der öffentlichen Wahrnehmung. Landesverband bietet vielseitige Unterstützung.
Burgeis - In Südtirol gibt es insgesamt 117 Eigenverwaltungen Bürgerlicher Nutzungsrechte. Die Bezirke mit den meisten Eigenverwaltungen sind der Vinschgau von Naturns bis Reschen und das Pustertal. Die Bedeutung, die den Eigenverwaltungen zukommt, wird nicht selten unterschätzt bzw. in der Öffentlichkeit zu wenig wahrgenommen. Dass die Aufgaben der Fraktionen weit über die Verwaltung von Almen, Weiden und Wäldern hinausgehen, zeigte sich am 8. März bei einer Informationsveranstaltung in der Fachschule Fürstenburg, zu der die Raffeisenkasse Obervinschgau eingeladen hatte. Vizedirektor Andreas Paulmichl, seines Zeichens auch Präsident der Eigenverwaltung Laatsch, konnte im Namen der Schuldirektorin Monika Aondio viele Fraktionspräsidenten, Mitglieder der Verwaltungskomitees sowie Sekretäre und Sekretärinnen begrüßen.
Der Landesverband wächst
Oswald Angerer, Präsident der Eigenverwaltung Laas und Vorsitzender des Landesverbandes der Südtiroler Eigenverwaltungen, blickte im Eröffnungsreferat auf die Entstehung des Verbandes zurück. Es war der Latscher Fraktionspräsident Matthias Oberhofer, auf dessen Initiative im Jahr 2009 der Arbeitskreis der Eigenverwaltungen im Südtiroler Bauernbund gegründet wurde. Auch die Herausgabe des Buchs „Gemeinschaftlicher Besitz – Geschichte und Gegenwart der Bürgerlichen Nutzungsrechte in Südtirol und Trentino“ hatte Oberhofer angestoßen. 2019 übernahm Oswald Angerer den Vorsitz des Arbeitskreises. In Gesprächen mit dem Obmann und Direktor des Bauernbundes, Leo Tiefenthaler und Siegfried Rinner, wuchs die Überzeugung, „dass die Tätigkeiten der Eigenverwaltungen mittlerweile umfangreich sind und die Beratungsmöglichkeiten des Bauernbundes sprengen“, blickte Angerer zurück. Es seien nicht nur Almen, Wald, Weide und Kulturgründe zu verwalten, sondern viele weitere Tätigkeiten bzw. Aufgaben zu bewältigen. Angerer: „Es gibt Fraktionen, die Stromwerke haben, Photovoltaikanlagen, Parkplätze, Skigebiete, Steinbrüche usw.“
„Da schrillten die Alarmglocken“
Als auf Initiative von Landeshauptmann Arno Kompatscher Anpassungen am Landesgesetz Nr. 16 von 1980 vorgenommen werden sollten, „und es dem Landeshauptmann vor allem darum ging, eine unentgeltliche Abtretung von Gründen der Eigenverwaltung an die Gemeinde festzuschreiben, schrillten die Alarmglocken und so haben wir am 24. August 2020 in Bozen den Landesverband der Eigenverwaltungen B.N.G. Südtirols gegründet.“ Gründungsmitglieder waren Laas, Mals, Prad, Schleis, Latsch, St. Johann, Wahlen, Weißenbach, St. Peter, Niederdorf und Naturns. Der Arbeitskreis wurde nach der Gründung des Verbandes aufgelöst. Der Bauernbund ist im Verband mit Sitz und Stimme im Verwaltungsrat vertreten. Zumal es bei den Eigenverwaltungen sehr viele Bereiche und Tätigkeiten gibt, die mit der Landwirtschaft eng verbunden sind, „ist der Bauerbund für uns ein wertvoller Partner“, sagte Angerer. Gute Beziehungen pflege der Verband auch mit der Nachbarprovinz Trient, die den dortigen Verband finanziell unterstützt, was in Südtirol leider noch nicht der Fall sei. Derzeit sind 56 Eigenverwaltungen Mitglied im Verband, „4 Neuaufnahmen stehen bei nächsten Sitzung des Verwaltungsrates an und weitere Mitglieder werden folgen“, kündigte Angerer an.
Wahrung der Eigenständigkeit
Als wichtige Anliegen des Verbandes nannte er den Informationsaustausch die Fortbildung für Sekretäre, Präsidenten und Mitglieder der Verwaltungskomitees, die Wahrung der Eigenständigkeit der einzelnen Verwaltungen und die gute Zusammenarbeit mit den Gemeindeverwaltungen. Die Eigenverwaltungen seien wichtig, „sind aber in der Wahrnehmung der Bevölkerung nicht so präsent, wie es sein sollte“, sagte Angerer. Gezeigt habe sich das auch bei den Fraktionswahlen im Herbst: „Es gab Fraktionen, in denen die Wahlbeteiligung bei über 50% lag, aber auch solche, in denen lediglich 11% der Nutzungsberechtigten zur Wahl gingen.“ Aufholbedarf gebe es auch bei der Vertretung von Frauen in den Komitees: „Es fällt auf, dass die Verwaltungskomitees vorwiegend mit Männern bestückt sind.“ Im Hinblick auf die Neuwahl des Verwaltungsrates des Landesverbandes am 30. April rief Angerer den Malser Fraktionspräsidenten Armin Plagg dazu auf, sich noch einmal für den Verwaltungsrat zur Verfügung zu stellen. Vergleiche man den Verband mit einem Haus, so seien die Fundamente gegossen: „Wie wir jetzt dieses Haus weiterbauen, das liegt an uns gemeinsam.“
Nah am Bürger
Über die gesetzliche Einbettung der Eigenverwaltungen auf Staats- und Landesebene sowie über deren historische Entwicklung und Bedeutung informierte Georg Miribung von der Freien Universität Bozen. Der Kern des gemeinschaftlichen Eigentums (Allmende) liege darin, Ressourcen gemeinsam zu nutzen, und zwar nachhaltig: „Die Eigenverwaltungen agieren schon seit Jahrhunderten nachhaltig.“ Dass die Landwirtschaft stark im Mittelpunkt stand und steht, sei aus historischer Perspektive gerechtfertigt. Zumal in den Einzugsgebieten der Fraktionen mittlerweile auch viele Nicht-Landwirte leben, die dieselben Gemeinnutzungsrechte haben wie die Landwirte, sei es auch zu Konflikten und Reibungen gekommen. Miribung sieht in den Eigenverwaltungen eine sehr nachhaltige Nutzungsform von Gütern. Eine Form, bei der es um einen Ausgleich zwischen wirtschaftlichen Interessen und Umwelt geht. Die Eigenverwaltungen brauchen laut Miribung eine besondere Regelung. Es gelte vor allem, die Komplexität im Verwaltungsbereich einzudämmen. Den Gemeinden überlassen sollte man Eigenverwaltungen keinesfalls, „denn sie sind nah am Bürger, stiften Identität und sind auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit ausgerichtet.“
Rat, Hilfe und Unterstützung
Egon Mutschlechner, der Geschäftsführer des Landesverbandes, stellte dessen Ziele vor. Das sind einerseits die Koordination der Tätigkeiten der Fraktionsverwaltungen und die Stärkung der Zusammenarbeit. Andererseits fungiert der Verband als Ansprechpartner für rechtliche und verwaltungstechnische Fragen und ist darauf bedacht, die Interessen zu bündeln sowie die Sichtbarkeit und Kommunikation zu stärken. Besonders ans Herz legte Mutschlechner den Präsidenten, Mandataren und Sekretären den Abschluss einer Versicherung. Als das größte Damoklesschwert, vor allem für die Sekretäre, nannte er die komplexe Abwicklung öffentlicher Ausschreibungen. Auch in diesem Bereich biete der Verband Hilfsstellungen an. Vorgestellt hat der Geschäftsführer auch die Plattform www.fraktion.it, die auf immer größeres Interesse seitens der Eigenverwaltungen stoße. Abgeschlossen wurde die Veranstaltung mit Kurzreferaten von Vertretern der Raika Obervinschgau. Markus Moriggl (Direktor) informierte über das Wirtschaftsförderungspaket, das auch für Eigenverwaltungen vergünstigte Finanzierungen vorsieht. Meinrad Schöpf stellte die Schatzamtstätigkeit vor. Trotz der fehlenden Rentabilität sehe die Raika Obervinschgau die Unterstützung der Gemeinden und Eigenverwaltungen vor Ort als wesentliche Dienstleistung zur Förderung der Entwicklung des Gebietes. Gerhard Stecher informierte über das Kalenderprojekt 2023. Geplant ist ein Kalender mit und für Fraktionen. Ziel sei es, die Bedeutung der Fraktionen hervorzuheben sowie das Bewusstsein für die Eigenverwaltungen zu stärken. Der Bauernbundbezirksobmann Raimund Prugger bedankte sich bei der Raika für diesen „interessanten Abend“ und regte an, im Mittel- bzw. Untervinschgau eine ähnliche Info-Veranstaltung zu organisieren.
