David Frank

„Nachhaltigkeitswende“ jetzt 

„Wir merken, wie abhängig wir von Importprodukten sind“, sagt David Frank im Interview. 

Publiziert in 6 / 2022 - Erschienen am 29. März 2022

VINSCHGAU - Hamsterkäufe, leere Supermarktregale – und steigende Preise. Was bereits zu Beginn der Coronavirus-Krise der Fall war, wurde zuletzt auch aufgrund Putins Ukraine-Krieg wieder Realität. Es waren und sind Zeiten, die zeigen, wie abhängig wir noch von Importprodukten aus entfernten Ländern sind. Bereits die Pandemie hatte uns klar gemacht, wie wichtig, wie sinnvoll und wie richtig lokale Kreisläufe, allen voran bei Lebensmitteln, sind. Regionale Produkte finden bei Konsumentinnen und Konsumenten in Europa ohnehin immer größeren Zuspruch. Bereits vor der Coronakrise, wie eine bedeutende Studie belegt: Laut der Untersuchung von Consors Finanz (2019) ist der Einkauf von regionalen Produkten mit großem Vertrauen in die heimische Produktion verbunden: 84 Prozent der europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher schätzen beim Einkauf von regionalen Produkten die Qualität, 63 Prozent möchten durch den Einkauf regionaler Produkte einen positiven Beitrag für die Umwelt leisten. Für 77 Prozent der Befragten spielen sozioökonomische Effekte eine wesentliche Rolle, also die positiven Auswirkungen des Kaufs regionaler Produkte auf die regionale Wirtschaft und den heimischen Arbeitsmarkt. Das Interesse und die anhaltende Nachfrage der Konsumentinnen und Konsumenten kann als genereller Trend zu regionalen Qualitätsprodukten gesehen werden. Wie es um Nachhaltigkeit und Regionalität im Vinschgau bzw. in Südtirol steht, erklärt David Frank im der Vinschger-Interview. 

der Vinschger: Was versteht man unter Nachhaltigkeit? 

David Frank: In der wissenschaftlichen Literatur gibt es eine Vielzahl von Definitionen über Nachhaltigkeit. Es lassen sich jedoch einige wichtige Aspekte identifizieren, welche bei den meisten Definitionen zur Geltung kommen: Die ethische Komponente, die Ressourcenschonung (Schutz des Bodens, Wasser, Luft und Erhalt der Produktionsgrundlagen), der Erhalt der biologischen Vielfalt, die Sicherstellung der ökonomischen Existenz sowie die Gewährleistung der Nahrungsversorgung und Nahrungsqualität. Möchte ein landwirtschaftlicher Betrieb nachhaltiger wirtschaften, sollten in den genannten Bereichen Verbesserungen vorgenommen werden. Nachhaltigkeit ist sozusagen kein Zustand, der von heute auf morgen erreicht wird, es ist ein laufender Prozess wo jede Handlung eine Auswirkung auf andere Bereiche haben kann.

Solche Lebensmittel sind oft teurer. Können sie auch bei uns trotzdem bei einem Großteil punkten? Hat ein Umdenken auch in Südtirol bzw. im Vinschgau speziell bereits stattgefunden? 

Im Ländervergleich weist Südtirol eine hervorragende Nahversorgungsstruktur auf. Während die Zahl von Verkaufsstellen und kleinen Läden mit regionalen Erzeugnissen in Deutschland zurückgeht, ist die Versorgung in Südtirol relativ stabil. Südtirol ist durch erfolgreiche Kooperationen zwischen Händlerinnen und Händlern und regionalen Produzentinnen und Produzenten, vor allem aus der Landwirtschaft, charakterisiert. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Südtirols Konsumentinnen und Konsumenten ein ausgeprägtes Regionalbewusstsein aufweisen und die Bereitschaft vorhanden ist für qualitative und regionale Produkte mehr Geld auszugeben.

Wie weit sind wir im Vinschgau, was regionale Produkte und Saisonalität betrifft? 

Man merkt, dass die Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft, dem Handel und Tourismus immer stärker wird und dass immer mehr Initiativen und Projekte entstehen welche diese Zusammenarbeit fördern und vorantreiben. Die Vermarktung regionaler Produkte über lokale Partner hat in Bezug auf die Nachhaltigkeit positive Auswirkungen. Kurze Lieferketten, erhöhte Wertschöpfung in der Region, Erhaltung der Biodiversität und des Landschaftsbildes sind einige der Vorteile. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft und die sinkenden Auszahlungspreise für Agrarprodukte erhöhen vor allem für kleine landwirtschaftliche Produzentinnen und Produzenten den Druck, wettbewerbsfähige Betriebskonzepte anzuwenden. Um unabhängig von den Marktpreisen zu wirtschaften und höhere Einnahmen zu generieren, entscheiden sich Landwirtinnen und Landwirte häufig für alternative Absatzformen, wie zum Beispiel die Direktvermarktung. Dieser Trend hin zur Direktvermarktung ist auch in Südtirol und im Vinschgau zu erkennen, was sich positiv auf die Förderung regionaler Produkte auswirkt.

Covid, Kriege, weltweite Konflikte: Sind solch traurige Realitäten die Chance zur „Nachhaltigkeitswende“? Wird uns bewusster, wie wichtig Regionalität und Nachhaltigkeit sind? 

Im Ernährungssektor hat die Corona-Krise klare Spuren hinterlassen. Neue Trends werden sich mit der Zeit durchsetzen und den Ernährungsbereich verändern. Die Hamsterkäufe und die leeren Supermarktregale haben auch unsere Kauf- und Kochgewohnheiten verändert. Studien welche sich mit Konsumtrends beschäftigen zeigen, dass lokale Kreisläufe unser Ernährungssystem beeinflussen. Der Einkauf bei lokalen Produzenten bewirkt nicht nur eine höhere Frische bei den Produkten, sondern auch weniger Verpackungsmüll, geringere Transportwege und man erhöht die Wirtschaftlichkeit und die Wertschöpfung in der Region. Diese Trends können unter anderem als Auswirkung der Corona-Krise interpretiert werden. Neben Covid zeigt die Ukraine-Krise, dass regionale Wirtschaftskreisläufe wichtiger denn je sind. Wir merken wie abhängig wir von Importprodukten wie etwa Getreide sind, gemeinsam sollten wir versuchen autarker und unabhängiger zu werden. 

Info: David Frank 

Aus Matsch, wohnhaft in Glurns

- Studium: Agrar- und Ernährungswirtschaft, BOKU Wien
- Staatlich geprüfter Agronom
- Seit 2021 Produktmanager für das Qualitätszeichen Südtirol (IDM)

Michael Andres
Michael Andres

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