Bei der Prämierung im Schloss Goldegg in Salzburg (v.l.): Günther Marchner (Projektleiter), Birgit Maier (Jurymitglied), Andrea Folie (Preisträgerin), Labg. Cyriak Schwaighofer, Katrin Reiter (Preisträgerin) und LH-Stv. Astrid Rössler.

„Nicht die kulturelle Vielfalt ist das Problem, sondern der Umgang damit“

Publiziert in 11 / 2016 - Erschienen am 23. März 2016
Andrea Folie über den Verein Ikult, über sich, ihre Projekte und ihre Ziele. Prad/Salzburg - Vor rund einem Jahr hat Andrea Folie aus Prad in Salzburg den Verein Ikult gegründet. Kürzlich hat dieser Verein mit dem Projekt „Ankommenstour Querbeet“ den Landespreis „Zukunftslabor Salzburg 2016“ gewonnen. In der Begründung der hochkarätigen Jury heißt es: „Das Projekt zeichnet sich durch einen besonders umfassenden Zugang zum Thema Interkulturalität, Migration und Integration aus. Hervorzuheben ist das ‚Abholen’ der Wünsche von MigrantInnen, Flüchtlingen und von Einheimischen. Die Umsetzung des Programms in den Gemeinden/Regionen erfolgt unter aktiver Einbeziehung aller Zielgruppen.“ Nicht weniger als 148 Einreichungen hatte es für den Wettbewerb in der Kategorie „Regionale Zukunftsprojekte“ gegeben. Der Verein Ikult kann sich nun über einen Förderbeitrag in Höhe von 20.000 Euro freuen. der Vinschger: Wie kamen Sie auf die Idee, den Verein Ikult zu gründen? Andrea Folie: Das Thema der Vermittlung zwischen den Kulturen beschäftigt mich schon seit einiger Zeit. Einerseits reise ich privat für mein Leben gerne. Andererseits hatte ich während meiner internationalen Tätigkeit in einem Theater in Salzburg die Möglichkeit, mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen zu arbeiten. Dabei habe ich unterschiedlichste Modelle und Konzepte kennen gelernt, wie sich Menschen begegnen und miteinander leben und arbeiten können, auch wenn sie nicht dieselbe Sprache sprechen oder einen anderen Kultur- oder Wissenshintergrund haben. Während dieser Zeit habe ich einige Bücher aus dem arabischen Raum gelesen und war begeistert über deren poetische Erzählkraft. Besonders im arabischen Kulturkreis hat das Märchen- und Geschichtenerzählen eine lange Tradition. Da ist mir aufgefallen, dass auch früher bei uns viel erzählt und vorgelesen wurde. Das ist aber aus unterschiedlichsten Gründen in den Hintergrund getreten. Mit der Zeit sind immer mehr Ideen und Konzepte aufgetaucht, die Völker verbinden. Von Fotoworkshops und Musikabenden bis zu Diskussionsrunden, die sich mit dem Thema der Geschlechter- und Wertevorstellungen in den Kulturen beschäftigen. Es geht Ihnen also darum, unterschiedliche Kulturen einander näher zu bringen? Gerade jetzt, wo die Welt immer enger zusammenrückt, müssen gemeinsam Modelle und Konzepte entwickelt werden, die sich mit dem Thema der gesellschaftlichen Vielfalt in der Heimatgemeinde beschäftigen. Dabei geht es nicht nur um die Flüchtlingsdebatte alleine. Menschen müssen sich aus arbeitstechnischen Gründen immer wieder neu orientieren, die Stadtbevölkerung nimmt zu, auch durch den Zustrom von der Landbevölkerung. Immer dort, wo Menschen zusammenleben, entstehen Reibungen und Konflikte aufgrund diverser Haltungen und Vorstellungen von einem gemeinsamen Zusammenleben. Daher braucht es Ideen und Modelle, die nach der Grundversorgung ansetzen, um das Miteinander so gut wie möglich zu gestalten. Die Kultur- und Bildungsarbeit nimmt hier stets eine zentrale Schlüsselfunktion ein. Eigentlich sind es Fragen und Themen, die Südtirol schon seit jeher beschäftigt haben. Südtirol hat es geschafft, diese Kulturvielfalt als Chance zu nutzen. Nun geht es darum, ein paar Kulturkreise mehr einzubetten. Worin besteht die Tätigkeit von Ikult? Ikult entwickelt, betreut und berät Gemeinden, Vereine und Bürger/innen in der Konzipierung von individuellen Projekten. Projekte, die jene Themen ansprechen, die gerade für die jeweiligen Gruppen wichtig sind und behandelt werden müssen. Denn gerade für das Thema des Zusammenlebens von verschiedenen Kulturen gibt es kein Allroundkonzept. Diese müssen individuell auf die Interessen zugeschnitten werden und hier setzen wir an. Hier beziehe ich mich auch ganz auf die Meinung der OECD, dass die Zivilgesellschaft direkt eingebunden werden muss, um erfolgreiche Integration leisten zu können. Was bedeutet Ikult? „I“ steht interkulturell und „kult“ für Kultur/Kult. Ganz einfach. Manche denken hier an Apple. Die Idee ist mir gar nicht gekommen. Finde ich aber auch recht lustig. Was sind die Ziele von Ikult? Ikult vermittelt professionell zwischen Kulturen und entwickelt Modelle und Konzepte, um sich mit dem Thema der gesellschaftlichen Vielfalt zu beschäftigen. Wir schaffen Wissen im Umgang mit fremden Kulturen und stützen dadurch wesentlich das Gemeinwesen. Denn gerade Wissen schützt, lässt Menschen Situationen besser einschätzen und kann klarere Grenzen setzen. Im Vordergrund stehen die Bewusstseinsschaffung und Sensibilisierung für die Vielfalt der Kulturen und der Umgang damit. Ich bin davon überzeugt, dass nicht die Vielfalt an sich das Problem ist, sondern der Umgang damit. Hier gilt es anzusetzen und eben die Bedürfnisse und Interessen der Bürger/innen einzubinden. Man darf und kann nicht daran vorbei arbeiten. Im Gegenteil. Gerade in den Ideen der Bevölkerung lassen sich unterschiedlichste Konzepte im Umgang des Zusammenlebens finden. Da gibt es zum Beispiel den lokalen Musikverein, der noch spannende Stimmen sucht, oder den Dienstleistungssektor, der Hilfe im Umgang mit Klienten aus dem arabischen Raum braucht. Oder es soll einfach ein interkulturelles Kochfest organisiert werden. Wir unterstützen, beraten, entwickeln und vernetzen mit. Zentral für die Ikult-Arbeit ist die nationale und internationale Vernetzung, damit möglichst viele Menschen eingebunden werden und die vorhandenen Ideen nachhaltig für die Regionen weiter entwickelt werden. Vor allem durch den Erfahrungs- und Informationsaustausch kann ein langfristiger Profit für die Interessenten geschaffen werden. Dabei können wir auf ein sehr breites internationales Netzwerk aus Politik, Gemeinden, Kultur, Bildung und Medien zurückgreifen. Im Konkreten geht es darum, Ängste und Vorurteile gegenüber Neuem abzubauen und vor allem die Vielfalt der Kultur als kulturelle und wirtschaftliche Ressource zu nützen. Schlussendlich führt kein Weg daran vorbei. Hatten Sie und Ihre Kollegin Katrin Reiter damit gerechnet, den Landespreis „Zukunftslabor Salzburg 2016“ zu gewinnen? Ganz ehrlich: Nein. Wir haben uns stets gedacht, dass das Konzept zu roh ist. Roh im Sinne, dass wir keine konkreten Projektvorschläge geben. Denn die Projekte sollen mit den Gemeinden, Bürgerinnen und Bürgern sowie den neu Zugezogenen entwickelt und durchgeführt werden. Meistens sind die Ideen ja schon da. Das Rad muss nicht neu erfunden werden. Aber oft wissen die Leute nicht, wie sie die Ideen umsetzen können oder was es dafür braucht. Hier setzten wir ein. Wir geben ihnen quasi ein Handwerk mit, wie Kunst- und Bildungsprojekte gestaltet werden können. Sei es jetzt ein Schulprojekt, bei dem Flüchtlinge und Schüler/innen zusammenarbeiten oder ein Debattierclub zum Thema „Vielfalt in meiner Gemeinde“, nur um ein paar Beispiele zu nennen. Aber anscheinend sind nicht nur wir der Überzeugung, dass die Interessen und Wünsche aller eingeschlossen gehören. Was uns natürlich sehr freut. Ohne diesen Preis könnten wir das Konzept nicht durchführen. Es ist wirklich ein Anschub für uns, um eine professionelle Arbeit in der interkulturellen Kompetenzbildung zu leisten. Können Sie uns das Projekt „Ankommenstour Querbeet“ kurz beschreiben? Das Projekt befasst sich in erster Linie mit den Bildungs- und Kulturinteressen der Gemeinden, der Bürger/innen und der neu Zugezogenen. Das heißt, dass zu Beginn die Bürgermeister/innen und Amtsleiter/innen befragt werden, was sie brauchen und was sie bieten können, um eine gelungene Integration zu ermöglichen. Anschließend werden in speziellen Workshops die Bürger/innen befragt, welche Themen und Ideen ihnen am Herzen liegen. Zudem wird geschaut, welchen Bildungs- und Kulturhintergrund die neu Zugezogenen haben und wie sie sich einbringen können und möchten. So entsteht ein rundes Bild über den Bedarf der Gemeinden bis zu den Interessen der Bevölkerung und den Bildungs- und Kulturhintergrund der neu Zugezogenen. Aus den jeweiligen Wünschen, Interessen und Ideen werden anschließend in speziellen Kursen gemeinsame Projekte entwickelt. Je nach Bedarf und Interesse der einzelnen Gemeinden. Die Bürger/innen der einen Gemeinde zum Beispiel entwickeln mit dem lokalen Flüchtlingshaus eine Kochwerkstatt, während die Nachbargemeinde einen gemeinsamen Handwerkskurs anbietet, bei dem arabisches Design mit westlichen Einschlägen entwickelt wird. Durch diesen Zugang stützen wir die Gemeinden und die Bevölkerung. Sie wissen, welche Menschen in der Region leben und wie sie eingebunden werden könnten. Durch das gemeinsame Arbeiten an den eigenen Ideen wird selber Kulturwissen geschaffen und die Menschen können besser aufeinander zugehen. Sie haben bereits viele Reisen unternommen, auch in entlegene Gegenden, zum Beispiel in die zentralrussische Stadt Jaroslawl. Die Reiselust war immer schon da. Meine Mutter hat immer gesagt: „Geht’s hinaus und schaut`s euch die Welt an“. Diesen Satz habe ich stets mit mir getragen. Als meine Mutter noch ein Hotel in Prad leitete, war ich immer umgeben von Menschen und Kindern, die täglich ein- und ausgingen. Im Grunde hat mich gerade dieser flexible und persönliche Umgang mit den Menschen geprägt und die Scheu vor Fremden genommen. Gerade das Neue und Andere in anderen Kulturen hat mich immer fasziniert. Ich finde es einfach spannend, hinter die Kulissen zu schauen, mir neue Sichtweisen einzuholen und über den eigenen Tellerrand zu blicken. Denn wer sagt schon, dass meine Sichtweise die richtige ist? Dabei geht es gar nicht darum, dass ich ans andere Ende der Welt reisen muss. Letzten Sommer hatte ich ein höchst interessantes Gespräch mit einem Senner auf einer österreichischen Alm über die aktuelle Integrationsdebatte in Österreich. Aber natürlich hat das Exotische und Unbekannte, zumindest für mich, immer seinen Reiz. Im März breche ich für einige Wochen nach Japan auf. Bei meinen Reisen besuche ich meistens Freunde und Bekannte. Ich bin mit Auto, Zelt oder zu Fuß unterwegs. Diese Art des Reisens schafft einfach einen Bezug zur Bevölkerung und schirmt mich nicht als Tourist ab. So bin ich einmal mit einer Freundin zu Fuß durch Portugal gezogen oder habe durch einen privaten Besuch in Moskau ein Gespräch zum österreichischen Kulturattachè aufgenommen und zwei Jahre später waren wir mit dem Theater in Jaroslawl eingeladen und konnten durch die Gespräche mit den Einheimischen wenigsten einen kleinen Blick in die russische Seele werfen. So kann ich heute mein Engagement für die Kulturvermittlung auch beruflich einsetzen. Was kann einem Schöneres passieren? Welche Pläne haben Sie für die Zukunft? Möchten Sie irgendwann für immer in den Vinschgau zurückkehren? Ganz konkret sind meine Pläne, dass ich mein Wissen und meine Erfahrung in der Kulturvermittlung und im Coaching beruflich weiter tragen und entwickeln kann. Wir denken da schon an ganz konkrete EU-Programme. Mein Standpunkt ist Salzburg. Sollte sich eine Kooperation mit Südtirol und dem Vinschgau ergeben, würde ich mich natürlich sehr freuen und dafür einsetzten. Der Vinschgau selbst wird immer meine Heimat bleiben. Ich erzähle immer gerne mit großer Freude von Land und Leuten. Dadurch kam auch schon der eine oder andere ins Tal. Erst im Oktober waren ein japanischer Kulturmanager und eine Musikerin aufgrund meiner Erzählungen in Mals. Zufällig waren wir in einer Probe des Malser Kirchenchores. Herr Yagihara hört heute noch mit Freude die CD, die er damals kaufte. Wenn ich ihn jetzt in Tokio treffe, werden wir sicher auch über Südtirol und im Speziellen über den Vinschgau sprechen. Das sind dann immer die spannenden Begegnungen und Erzählungen. Kulturvermittlung auf beiden Seiten. Salzburg selbst ist quasi meine Wahlheimat und mein Lebensmittelpunkt. Solange ich beide Heimaten leben und verbinden kann, finde ich es schön. Wie kann man Andrea Folie erreichen? Unter www.ikult.at bzw. andrea.folie@ikult.at. Interview: Sepp Laner
Josef Laner
Josef Laner

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