Nicht nur Wohlstandsland
Publiziert in 45 / 2014 - Erschienen am 17. Dezember 2014
Malser Oberschüler haben auf Südtirols Schattenseite geschaut und sich im Projektunterricht mit Armut und Armutspolitik befasst.
Mals - Es kann vorkommen, dass 26 Jugendliche bei ihren diesjährigen Weihnachtseinkäufen nachdenklich auf das Einkaufsverhalten ihrer Mitmenschen achten. Vielleicht drehen sie die Euro-Münze länger als üblich zwischen den Fingern oder sinnieren dem Satz nach: „Niemand ist sicher vor der Schuldenfalle“. Es wären alles Nachwirkungen eines umfangreichen Schulprojekts. Die 4. Klasse B des sozialwissenschaftlichen Gymnasiums im Oberschulzentrum Mals hat sich in sieben Arbeitsgruppen dem Thema „Armut und Armutspolitik in Südtirol“ genähert. In gut 30 Unterrichtsstunden zwischen dem 29. September und der Präsentation am 11. Dezember ließen die Lehrer Heinrich Zwischenbrugger, Peter Hofer, Roland Rungg, Christiane Patscheider, Marialuise Kuppelwieser, Martin Daniel und Helmut Ausserer ihre Schüler recherchieren, interviewen, Informationen auswählen und verwerten, argumentieren, Thesen aufstellen und diese präsentieren. Direktor Gustav Tschenett sah im Projekt die Verbindung zum wirklichen Leben, zu außerschulischen Lernorten und zum prozessorientierten Lernen gegeben. Laut Projektkoordinator Heinrich Zwischenbrugger wurde von den Schülern „über den Tellerrand hinaus geschaut“ und das Thema Armut „vom Akademischen herunter und vom Stammtisch herauf“ geholt. Die Schüler mussten sich eine Übersicht über Formen und Ursachen der Armut verschaffen. Sie ließen sich von der Caritas über „die Schulden der Armen“ aufklären. Festgestellt wurde, dass die Armut im Wohlstandsland Südtirol zumeist versteckt auftritt und dass es besonders schwierig ist, der Armut ein Gesicht zu geben. Im komplexen Gebilde der Sozialämter und Sozialleistungen und vor den Sperren des Datenschutzes mussten sich die Schüler erst zurechtfinden. Alle möglichen organisatorischen Fäden wurden gezogen, um in der Landeshauptstadt Volksvertreter und Gewerkschafter vor die Video-Kamera und aus der Reserve zu locken. Man scheute auch nicht zurück, sich die Frage nach Sinn und Anwendbarkeit des „bedingungslosen Grundeinkommens als sozialpolitische Alternative für Südtirol“ zu stellen. s

Günther Schöpf