Während sich das schwäbische Gästepaar am Frühstücksbuffet fürs Rucksackpicknick bedient, ruft der „Gazzetta lesende Giuseppe nach seinem „Café“.

„Ohne Gäste wäre immer Winter“

Publiziert in 4 / 2015 - Erschienen am 4. Februar 2015
Damit es auch wieder Frühling und Sommer wird, haben 13 Arbeitsgruppen quer durch die Gemeinde sich und ihr Umfeld hinterfragt. Rabland - Der Geroldsaal war eine einzige Plakataktion. Er war Kummerkasten und Wunschliste, Analyse und Kritik. An die 100 Bürgerinnen und Bürger haben sich in 13 Arbeitsgruppen zum Teil phantasievoll alles vom Herzen geschrieben, gezeichnet und geklebt, was ihnen immer schon gegen den Strich gegangen ist und wie es in 10 Jahren aussehen könnte. Sie haben in Plakatform an die Wand gehängt, was sie vom anderen erwarten, aber auch, was sie endlich selbst beitragen wollen. Zum kollektiven In-sich-Gehen - man sagt auch Leitbilddiskussion dazu - war es gekommen, als Berater Lois Kronbichler im März 2014 das Bettensterben ansprach und den Partschinsern klar machte: 1. geht der Tourismus alle an, 2. müssen ­Partschinser,­­ Rablander, Töller, Tablander und Quadrater bereit sein, ihre Einstellung zum Tourismus zu ändern. Acht Monate später konnte Tourismusreferentin Birgit Egger Ladurner Bilanz ziehen und das „integrierte“ Projekt „Lebensraum und lebendiger Ort Partschins“ vorstellen. Der meist gebrauchte Begriff war „mitanond reden“. „Nur wenn möglichst alle Interessensgruppen ins Boot genommen werden, kommt es zu einem ganzheitlichen Entwicklungskonzept“, meinte die Referentin und wünschte sich, in diesem Sinne weiterzuarbeiten. Tourismuspräsident Hans Peter Weiss schlug in dieselbe Kerbe: „Es hat Lust gemacht weiterzuarbeiten. Der Vorwurf ‚ Ihr tut‘s alles nur für die Gäste‘ konnte entkräftet werden, weil man ‚mitanond‘ geredet hat.“ Dazwischen bestärkte Lois Kronbichler mit markanten Sätzen und provokanten Fragen: Lebensqualität im Dorf gehe einher mit der Urlaubsqualität der Gäste. Partschins könne beitragen, dass Südtirol ein begehrter Lebensraum bleibe. Schöne und unschöne Ecken in der Gemeinde wurden ins Bild gebracht. Die Theatergruppe bediente auf amüsante Weise gängige Klischees über bundesdeutsche und italienische Gäste. In Kurzinterviews sammelte Tourismusdirektorin Karin Thaler Erkenntnisse aus der Arbeit in Kleingruppen. Vertreter aller 13 Arbeitsgruppen mit Bürgermeister Albert Gögele und seinem Ausschuss an der Spitze stellten nacheinander mehr oder weniger konkrete Maßnahmen vor. Immer wurden Kommunikation und Information als Voraussetzungen gemeinsamer Anstrengungen in den Mittelpunkt gestellt. Am Abend des 28. Jänner 2015 drückte ein winziger, gelber Klebezettel am großen Plakat der „Einwohnergruppen“ aus, wie die Einheimischen in der Tourismusgemeinde Partschins monatelang ihren Lebensraum erleben würden, wenn der Tourismus stirbt. Ohne Gäste wäre immer Winter. Gemeint sind geschlossene Gasthäuser, sterbende Nahversorgung, abwandernde Kaufkraft, verkommene Spazierwege, ausbleibende Steuereinnahmen, Feste ohne Besucher. s
Günther Schöpf
Günther Schöpf

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