Raika Obervinschgau wagt neue Wege

Publiziert in 8 / 2015 - Erschienen am 4. März 2015
Wirtschaftsbeirat aus der Taufe gehoben. Ideen sammeln und Synergien nutzen. Betriebe sollen voneinander lernen. Unter dem Motto des Gründers der Raiffeisenkassen, Friedrich Wilhelm Raiffeisen, „Was dem Einzelnen nicht möglich ist, das vermögen Viele“, lud die Raiffeisenkasse Obervinschgau zur Gründung eines Wirtschaftsbeirates ein. Wie Raika-Direktor Markus Moriggl zu Beginn der Veranstaltung im Vereinssaal Graun erklärte, geht es darum, dass Betriebe voneinander lernen. Der Wirtschaftsbeirat soll die Sammlung von Ideen unterstützen und Synergien entdecken helfen. Konstruktiv, kooperativ und potentialorientiert sollen die Gespräche ablaufen, um möglichst viel Gewinn zu erzielen. Auf der Tagesordnung standen die Präsentationen von zwei Vinschger Betrieben. Martinsheim in Mals Zuerst das Martinsheim in Mals und dann Vinschgau Marketing mit Sitz in Glurns. Der Hauswirtschaftsleiter des Martinsheims, Roland Reinalter, stellte das ­Martinsheim, das Senioren/innen aus Mals, Taufers, Glurns und Graun eine Heimat für den Lebensabend bietet, als einen der größten Arbeitgeber des Obervinschgau vor. Bei einem Gesamtumsatz von rund vier Millionen Euro und einer Auslastung von fast 100% ist das Heim auch wirtschaftlich ein sehr potenter Betrieb. Es sind hier allerdings auch sehr findige Köpfe am Werk, die mit ihren Projekten beweisen, dass ihnen nicht nur die Wirtschaftlichkeit, sondern vor allem die Hilfe für ältere Menschen und deren Angehörige am Herzen liegen. Neben den 79, hauptsächlich weiblichen Mitarbeitern, helfen auch 87 Freiwillige ehrenamtlich mit, den Betrieb im Alten- und Pflegeheim attraktiv zu gestalten, ergänzt durch zusätzliche Sozial- und Zivildienst leistende Mitarbeiter. Von daher scheint es auch mit dem Betriebsklima gut zu stimmen. „Mitarbeiter sind das wichtigste Kapital eines Betriebes“, wie Roland Reinalter mehrmals betonte. „Altern im Dreiländereck“ ist eines der Projekte des Martinsheims, das ein gegenseitiges Lernen der verschiedenen Strukturen im Bereich der Alten- und Pflegeheime in Südtirol, Tirol und im Engadin ermöglichen soll. So soll das Martinsheim zu einem Kompetenzzentrum für Seniorenpflege werden können. Viel Aufmerksamkeit wird auch den pflegenden Angehörigen gewidmet. „Wenn jemand drei Jahre einen Angehörigen pflegt, sind seine Kräfte meist erschöpft. Daher wollen wir mit unseren Angeboten den pflegenden Angehörigen immer wieder einen Erholungstag ermöglichen, an dem sie die Verantwortung an unser Heim abgeben können. Wer Bedarf hat, der möge sich im Martinsheim melden“, erklärte Roland Reinalter. Ein neues Projekt in Zusammenarbeit mit Vinschgau Marketing ist im Seniorentourismus angesiedelt: „Oma ist versorgt“ bietet Feriengästen die Möglichkeit ihre älteren Verwandten, meist die Eltern, während des Urlaubs nicht daheim zurückzulassen, sondern diese in den Urlaub mit zu nehmen und sie bei Bedarf im Martinsheim bei professioneller Pflege stundenweise unterzubringen. Derzeit werden auch Überlegungen angestellt, was mit dem alten Martinsheim in Mals basierend auf einer Machbarkeitsstudie geschehen soll. Vinschgau Marketing Kurt Sagmeister, Direktor von Vinschgau Marketing, berichtete vom Aufbau, den Zielsetzungen und den Aktivitäten dieser seit drei Jahren im Vinschgau tätigen Einrichtung. „Meine Vision für den Vinschgau ist ein Tal mit einem gesunden Maß an Tourismus und einer gesunden Wirtschaft, ein Tal, in dem jeder Gastgeber stolz sein kann, einen Betrieb zu führen“, erklärte Sagmeister sein Arbeitscredo. Mit einigen Zahlen beschrieb er seinen Arbeitsbereich: Zwölf Gemeinden mit rund 35.000 Einwohnern, nicht ganz zwei Millionen Übernachtungen, einem Tourismusverband und acht Tourismusvereinen, die für 545 Mitgliedbetriebe arbeiten. Vinschgau Marketing hat in kurzer Zeit mit nur fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern viel erreicht. Mit einem Budget zwischen 1,5 und 1,8 Millionen Euro fließen nur 21% in die Strukturkosten. Der Rest kommt dem Tourismus im Vinschgau direkt zugute. Der Vinschgau kann mit Landschaft, Landwirtschaft und gesunden landwirtschaftlichen Produkten punkten. Als Kulturregion ist er vor allem für den Aktivurlauber und als Erholungs- , Ruhe- und Rückzugsraum für den Feriengast interessant. Vinschgau Marketing ist es gelungen, für alle Gemeinden im Tal ein einheitliches Erscheinungsbild zu vermitteln. Als besondere Erfolge kann Sagmeister die VinschgauCard verbuchen, die im März 2014 eingeführt wurde und von 190 Betrieben mitgetragen wird, die aktuell rund 150.000 Gäste mit Tickets versorgen. Sagmeister regte an, die Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Tourismus weiter voranzutreiben, um den Herausforderungen für die Zukunft besser gewachsen zu sein. Er sieht die Potentiale der Zukunft vom Thema Wellness zum Thema Gesundheit weiter zu Wandern, in der Echtheit von Mensch und Landschaft, in den Möglichkeiten eines alternativen Wintersports und eine der Landschaft und den Menschen angepassten Architektur. „Damit können wir den Herausforderungen der Zukunft erfolgreicher begegnen.“ Mut zum Loslassen von alten Rezepten und Zugehen auf Neues, Vertrauen in die eigenen Kräfte ohne übertriebene Angst vor kritischen Übergangsphasen werden der Zukunftsfähigkeit des Tourismus im Vinschgau dienlich sein. Zeit für Bioregion ist reif In der Diskussion wurde angeregt, dass eine echte Bioregion im Obervinschgau ohne Mogelpackung willkommen sei, da die Zeit dafür reif sein. Der Konsument sollte allerdings noch mehr Gespür für die Bedeutung der Landwirtschaft aufbringen und vor allem für Preisgerechtigkeit qualitätsvoller regionaler Produkte sorgen. Die überbordende Bürokratie sollte endlich von politischer Seite kräftig beschnitten werden, da sie viele innovative Aktivitäten hemme oder sogar zugrunde richte. Direktvermarkter und ansässige Handwerksbetriebe sollten sich zu Aktionsgemeinschaften zusammenschließen, um eine moderne Geschäftsfähigkeit zu garantieren. Dann müssten auch viele Aufträge auf Grund der Ausschreibungsvorschriften nicht aus der Region abwandern. Die beiden vorgestellten Betriebe waren in ihren Aktivitäten sehr mustergültig, sodass es nicht allzu viel an neuen Vorschlägen vorzubringen gab. Moderator Mathias Theiner leitete die Veranstaltung mit großer Bravour, sodass die Geburtsstunde des Wirtschaftsbeirates der Raiffeisenkasse Obervinschgau als gelungen gelten darf. Das nächste Treffen des Wirtschaftsbeirates wird voraussichtlich im Mai stattfinden.
Friedrich Haring
Friedrich Haring

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