„Regiogeld schützt und fördert die Region“
Publiziert in 16 / 2013 - Erschienen am 2. Mai 2013
Franz Galler: „Der Spruch ‚Beim Geld hört die Freundschaft auf!’ dreht sich über Regionalgeld ins Gegenteil“
der Vinschger: Herr Franz Galler, Sie waren früher Bank-Manager und sprechen jetzt von einem Denkgefängnis „Geld“. Was brachte Sie dazu, die Bankenwelt zu verlassen?
Franz Galler: Ich bin nach wie vor Banker, allerdings nicht mehr der in „Nieten und Nadelstreifen“. Ich betreue zusammen mit zwei Kollegen auf selbständiger Basis wenige vermögende Kunden. Dies ist mein „Brotberuf“, der mir über 10 Jahre lang mein Engagement als Regionalentwickler möglich machte. Grund meines Engagements war ein Schock: ich wurde mit 1.200 Leuten von einer der großen deutschen Banken ohne Vorwarnung von einem Tag auf den anderen gekündigt.
Wie haben Sie reagiert?
Ich habe beschlossen, nicht immer noch mehr, sondern weniger arbeiten zu wollen und dafür ein soziales Projekt zu starten. Daraus sind in den letzten 10 Jahren ca. 30 Stunden je Woche geworden – bis vor 2 Jahren ausschließlich ehrenamtlich. Seit gut zwei Jahren gebe ich mein praktisches Wissen als Hochschul-Dozent oder wie hier im Vinschgau als Spezialist für Regiogeld-Themen in anderen Regionen weiter. Zusammen mit meiner Frau führe ich im Berchtesgadener Land seit Anfang vergangenen Jahres das Zallis Naturkost Café, wo wir nicht nur vegetarische, gesunde und vollwertige Produkte anbieten, sondern dabei die Regiogeld-Idee so weit wie nur möglich leben. Und es geht!
Worin besteht der Unterschied zwischen Geld im herkömmlichen Sinn und regionalem Geld?
Es gibt verschiedene Arten von Regionalgeldern. Regionalgelder wie der Chiemgauer oder Sterntaler sind Gutscheine auf Euro, d.h. nichts anderes als in einer Region „eingesperrter Euro“ und damit natürlich Geld. Regionalgelder wollen dabei den Euro nicht ersetzen, sondern ihn dort ergänzen, wo er seine Schwächen hat. Globale Währungen wie der Euro fließen durch den „eingebauten“ Wachstums- und Renditezwang zumeist sehr schnell aus der Region ab. Denn mehr Rendite wird in den Zentren und nicht in den Regionen gemacht. Das gilt national und international. Weltweit fließt ein Großteil des mobilen, anlagebereiten Geldes in die prosperierenden Länder wie z.B. China, Indien und Brasilien. Regionalgeld hingegen ist ein reines Tauschmittel, das in der Region verbleibt.
Was ist das Ziel des Regionalgeldes?
Ziel des Regionalgeldes ist die Förderung der regionalen Wirtschaft im Sinne der lokalen Agenda 21, also aktive Einbindung der Bevölkerung, Stärkung regionaler Identität, Verbesserung der Lebensqualität und des Dienstleistungsangebotes, Förderung sozialer Bezüge, Verbesserung der regionalen Wertschöpfung und regionaler Einkommen, kurze Wege, sowie Schließung regionaler Stoffkreisläufe. Zielgruppe sind inhabergeführte Unternehmen, d. h. zumeist kleinere und kleinste Betriebe, welche durch die zunehmende Globalisierung immer mehr zu den Verlierern zählen. Denn diese führt zu einem Ausbluten der Innenstädte und Wegbrechen von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen. Gleichzeitig ist Regionalgeld für regional orientierte Verbraucher da, die bereit sind, ihr eigenes Einkaufsverhalten zu hinterfragen, zumindest teilweise zu verändern, dies vorzuleben und damit weiterzugeben.
Regiogeld ist also nicht generell gegen Globalisierung?
Nein, es zeigt aber deutlich auf, dass ein ausschließliches Zielen auf kurzfristige Gewinne und den billigsten Preis langfristig fatale Folgen haben kann. Nämlich dann, wenn es um den Erhalt der Nahversorgung, um Ausbildungs- und Arbeitsplätze und um die Situation der kommunalen Finanzen geht. Den Sinn von Regiogeld sehe ich darin, dass wir es zu persönlichem und zu „dienendem“ Geld machen können. Um es als regionales Werkzeug zu benutzen. Um es mit Spielregeln nach den Zielen einer Region zu belegen. Um möglichst Einfluss auf die Spur und Wirkung des Geldes nehmen zu können. Mir ging es bei Regiogeld nie um das Geld selbst, sondern darum, was es bewirken kann. Und da halte ich es für sehr sinnvoll. Ein „Beim Geld hört die Freundschaft auf!“ dreht sich über Regionalgeld ins Gegenteil.
Können die regionalen Kreisläufe mit einer Regionalwährung tatsächlich gestärkt werden?
Es gibt nicht „die“ Regionalwährung, sondern verschiedene Arten von Alternativ-Währungen. Das ist ja das Besondere an Regiogeld. Für welche Region soll das Geld gelten? Wer soll der Nutzerkreis sein? Soll es um die Förderung der regionalen Wirtschaft gehen? Diese und noch weitere wichtige Fragen gilt es mit den Akteuren in der Region zu definieren.
Es gibt bereits Beispiele von Gebieten, in denen eine Regionalwährung eingeführt wurde. Welches sind die konkreten Ergebnisse?
Es gibt inzwischen zahlreiche Initiativen für regionales Geld. Im deutschsprachigen Raum zirkulieren ca. 25 Regionalgelder. Etwa 30 bis 50 weitere planen die Herausgabe. Die interessanteste Region für eurogedecktes Regiogeld - und um das geht es ja im Vinschgau - dürfte der südostbayerische Raum zu sein. Mit dem „Chiemgauer“ für die Landkreise Rosenheim und Traunstein und dem „Sterntaler“ als Regionalgeld für den Landkreis Berchtesgadener Land mit zusammen ca. 700.000 Umlauf. Chiemgauer und Sterntaler grenzen nicht nur aneinander, sondern haben eine gemeinsame Rechenzentrale und sind sogar kompatibel. Banken fungieren zum Teil auch als Ausgabestellen. Das Ergebnis ist positiv: Das Geld zirkuliert schneller. Regionale Wirtschaftskreisläufe werden gestärkt. Es entstehen neue soziale Beziehungen zwischen Konsumenten und Wirtschaft. Regiogeld baut ein Netzwerk zwischen Unternehmern und Verbrauchern auf. Idealerweise nimmt die Anbieterdichte und das Angebot sukzessive zu: von der Apotheke bis zum Steuerberater, vom Waren-Lagerhaus bis zum kleinen Laden an der Ecke.
Im Vinschgau sollen zunächst die Gemeinden Mals, Laas, Schlanders und Latsch die Einführung einer Regionalwährung ins Auge fassen. Wie sieht die konkrete Vorgehensweise aus?
In einer Projektgruppe, in der die Pilotgemeinden und Unternehmer mitarbeiten, wird derzeit am Konzept gearbeitet, wie eine Regionalwährung im Vinschgau sinnvoll sein könnte. Dies betrifft immer den gesamten Vinschgau. Dabei ist es wichtig, dass die Banken den Prozess mitgestalten und da es ein Pilotprojekt ist, auch der rechtliche Rahmen genau geklärt ist. In einem zweiten Schritt werden Geschäfte, Touristiker, Handwerker und Unternehmen aus dem Vinschgau eingeladen mitzumachen. Alle, die mitmachen, profitieren von der Stärkung der regionalen Kreisläufe. Im dritten Schritt kann sich jeder Bürger einbringen und die Regionalwährungs-Gutscheine nutzen. Je mehr die Gutscheine genutzt werden, desto mehr Wertschöpfung bleibt im Tal.
Besteht nicht die Gefahr, dass sich eine Region, die über eine eigene Regionalwährung verfügt, irgendwie von außen abschottet?
Letztendlich entscheidet der Verbraucher mit seinem Einkaufsverhalten darüber, wie es in Zukunft mit unserer Nahversorgung und vor allem auch den Arbeits- und Ausbildungsplätzen aussehen wird. Regionalgeld ist dabei ein ideales und einfaches Mittel, wie jeder Bürger dafür etwas tun kann! „Mit Euros kann man doch genau so einkaufen und die regionale Wirtschaft unterstützen?“ Das ist ein häufiger Einwand gegen Regionalgeld. In der Praxis stimmt er allerdings nicht. Regionales Geld führt tatsächlich dazu, dass mehr Produkte aus der Region und in der Region eingekauft werden. Das ist mittlerweile auch wissenschaftlich untersucht und nachgewiesen.
Warum ist das so?
Der große Unterschied zum Euro ist, dass jeder einzelne mit dem Regiogeld auch das Einkaufsverhalten des Nächsten mitbestimmen kann. Er kann mit dem regionalen Gutschein den Auftrag weitergeben, die Region zu schützen und zu fördern. Denn wenn ein Unternehmer das Regiogeld zurücktauschen will, so hat er Verlust. Solange er ihn aber weitergibt, behält er immer den Wert von eins zu eins zum Euro. Dies führt dazu, dass sich automatisch regionale Wirtschaftskreisläufe bilden, die man zuvor nicht für möglich gehalten hätte.
Interview: Sepp Laner

Josef Laner