Rückständigkeitslob
Publiziert in 15 / 2014 - Erschienen am 24. April 2014
Das Babyalbum, das dem Tagblatt der Südtiroler jährlich beigelegt wird, gibt einige interessante Erkenntnisse preis – abgesehen davon, dass die vielen Zwillinge (oder neuerdings sogar Drillinge!) auffallen. Besonders ergiebig sind sicherlich die Vornamen der Babys. Nomen est omen, so heißt es, und in diesem Fall sagen die Namen der Kinder mehr über die Eltern und über unsere Gesellschaft aus, als über die Träger selbst. Im Vergleich zu Neugeborenen aus anderen deutschsprachigen Gegenden – Lusimella Abigail, Jayden-Dennis und Alron Nando Leopold seien als Beispiele genannt – sind Südtiroler Eltern geradezu stockkonservativ. Gut, zukünftige Schulklassen werden zu einem Großteil aus Leons und Leonies bestehen, aber eigenwillig gesetzte Akzente (Renè), kreative Doppelnamen (Lea Melody), suggerierte Weltoffenheit (Amrei Sophie), gelebter Modefimmel (Kenzo) und ADS-Diagnosenamen (Kevin, Justin) halten sich zum Glück in Grenzen. Südtirol, das sich in verschiedenen Bereichen gerne als Vorreiter präsentiert, hinkt bei der Namengebung des Nachwuchses gnadenlos hinterher. Möge es so bleiben. z

Christian Zelger