Sankt Stephan ist wohl die älteste Kirche im Obervinschgau.
Der von Architekt Werner Tscholl umgestaltete Friedhof ist zu einem ganz besonderen Ort geworden.
Im Inneren des Kirchleins wurden Malereien aus der Zeit um 1498 freigelegt.

Sankt Stephan bei Marienberg

Ein Bilderzyklus wird unter der weißen Tünche hervorgeholt

Publiziert in 24-25 / 2021 - Erschienen am 20. Juli 2021

Schlinig - Sankt Stephan ist wohl die älteste Kirche im Obervinschgau, geht man nicht vom heutigen Erscheinungsbild, sondern von den ergrabenen Vorgängerbauten aus. Diese archäologischen Grabungen erfolgten bereits 1989. Der erste Kirchenbau an dieser Stelle erfolgte bereits um 500. Neben dem Mauerwerk fand man mehrere Gräber im Innern der Kirche. In diesen Gräbern wurden Gürtelschnallen einer Gürtelgarnitur gefunden, die aus dem 7. Jahrhundert stammen. Diese hochwertigen Funde sind im Museum von Marienberg zu bewundern. Schon im Frühmittelalter gab es erste kirchliche Zentren, die zwar von geringer Größe, aber dennoch bedeutend waren und weit über ihr Einzugsgebiet hinausstrahlten. Zu diesen zählt in besonderer Weise St. Stephan neben dem Kloster Marienberg. Heute besticht das kleine, unscheinbare Kirchlein nicht nur durch sein Alter und seine spezielle Architektur, sondern insbesondere durch die freigelegten Malereien aus der Zeit um 1498.

Zwei Geschosse

Auffallend sind die zwei Geschosse der Anlage. Diese doppelstöckige Anlage dürfte auf die spätkarolingische Bauepoche zurückgehen. Sie stellt eine Besonderheit dar und lässt vermuten, dass die kleine Kirche - am Pilgerweg stehend - auch eine Nächtigungsmöglichkeit für Pilger bot. Gesichert ist, dass sie eine der ersten Kirchen im oberen Vinschgau ist. Die Kirche der Benediktinerabtei Marienberg ist angegliedert; auf dem Friedhof der Anlage werden die verstorbenen Mönche des Klosters bestattet. Der Friedhof zeigt sich seit Allerheiligen in neuem Glanz. Die gelungene Umgestaltung des Friedhofes durch Architekt Werner Tscholl ließ diesen Gottesacker zu einem ganz besonderen Ort werden. In den vergangenen Jahren wurde auch auf Veranlassung der Abtei Marienberg eine Restaurierung der Kirche in die Wege geleitet, in deren Zuge im Innern Wandgemälde frei gelegt wurden.

Wandgemälde freigelegt

Im rechteckigen Chorraum wurde eine einheitliche, komplette Ausmalung frei gelegt. Die dargestellten Heiligen sind zum größten Teil beschriftet; die Darstellungen sind mit 1498 datiert. Es ist dies das Jahr, in dem Michael Pacher in Salzburg verstirbt; ein Jahr später findet die Schlacht an der Calven statt. Der Bilderzyklus zeigt das Leben Christi von der Geburt bis zur Himmelfahrt und das Leben Mariens von der Verkündigung bis zum Tode im Kreise der Apostel. Der Patroziniumsheilige, die vierzehn Nothelfer und Passionsszenen schließen den Zyklus ab. Die Darstellung der Passion ist typisch für diese Kunstepoche und soll die compassio, das Mitleiden an der Marter Christi beim gläubigen Menschen hervorgerufen. 

Krönung Mariens im Zentrum

Im Zentrum steht die Krönung Mariens, umgeben von St. Stephan, St. Laurenzius und St. Christophorus. Über der Marienkrönung ist das Pfingstwunder dargestellt: Maria, die Apostel und der Heilige Geist in Form der Taube. Seitlich sind auf einer Ebene jene Heiligen zu erkennen, die mit den Allianzfiguren neben dem Krönungsfresko die vierzehn Nothelfer darstellen. Darüber sind der Tod Mariens im Kreise der Apostel und gegenüber die Himmelfahrt Christi zu sehen. Im Gewölbe sind die Heimsuchung, die Geburt, die Epiphanie und die Auferstehung Christi dargestellt. Der bemalte Schlussstein zeigt die Vera Icon, das Schweißtuch der Veronika. An der östlichen Seite des Langhauses wurden Passionsszenen aufgedeckt. Darunter befinden sich das letzte Abendmahl, der Judaskuss und weitere mehr. Regelmäßige Führungen, für die man sich im Klosterladen anmelden kann, bieten dem Einheimischen und dem Gast gleichermaßen die Gelegenheit, diese Neuentdeckung zu genießen.

Redaktion

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