Die Sicherheitsabstände genauestens eingehalten: Die Gemeinderatssitzung in Latsch stand noch ganz im Zeichen der Coronakrise.
Der Tarscher Lift soll schon bald den Sommerbetrieb aufnehmen.

Schlechtes Corona-Zeugnis 

Wie unzufrieden viele Vinschger mit der Landespolitik sind, wurde kürzlich bei der Gemeinderatssitzung in Latsch klar. 

Publiziert in 20 / 2020 - Erschienen am 4. Juni 2020

LATSCH - Nach einer Pause von fast drei Monaten hat sich auch der Latscher Gemeinderat in der vergangenen Woche wieder getroffen. Die Coronakrise war freilich noch deutlich zu spüren. Einerseits aufgrund des Versammlungssaales – statt in der Gemeinde traf man sich im CulturForum – andererseits aufgrund der Situationsberichte verschiedener lokaler Verbandsleute. Diese fanden klare Worte. „Wir sind froh wieder arbeiten zu können, wenn auch unter schwierigen Bedingungen“, betonte lvh-Ortsobmann Andreas Nagl. Der Wirtschaftsverband für Handwerk und Dienstleister habe in den letzten Monaten rund 37 Rundschreiben herausgebracht, mit 417 Seiten. „Es war einiges an Lesestoff“, wies Nagl auf die bürokratischen Herausforderungen in der Corona-Zeit hin. Die Unsicherheit sei nach wie vor groß. Auch im Herbst könne es zu einer schwierigen Auftragslage im Handwerk kommen. Sektoren wie die Mietwagenunternehmer, aber auch Friseure, Kosmetiker und viele andere, seien massiv von der Krise betroffen. „Es gab kaum nachgewiesene Infektionsfälle im Vinschgau. Darauf sollte man bei weiteren Maßnahmen achten. Dort, wo es kaum Fälle gibt, muss es mehr Freiheiten geben“, kritisierte Nagl die Entscheidungen der Politik in den vergangenen Monaten. 

Viel Kritik

Viel Kritik in Richtung Politik kam auch von Marion De Bon. „Die Geschäfte sind natürlich extrem von der Krise betroffen. Viele wissen nicht, wie es weitergeht. Vieles wurde versprochen, Hilfe gab es jedoch kaum bisher“, betonte die Ortsobfrau des Handels- und Dienstleistungsverbandes (hds). Bis auf die 600 Euro habe es noch keine Unterstützung für Betriebe gegeben. „Fakt ist, wir Betriebe wurden komplett im Stich gelassen“, zeigte sich De Bon vor allem von der Landespolitik enttäuscht. Ein Anliegen sei es, auf lokale Kreisläufe zu setzen und die Betriebe vor Ort zu unterstützen. „Nun ist in der Bevölkerung Zusammenhalt gefragt“, brachte es die hds-Ortsbobfrau auf den Punkt. 

Schwierige Lage für Kinder und Jugendliche

Michael Kneissl, Geschäftsführer des Jugenddienstes Mittelvinschgau, berichtete über die schwierige Situation für Kinder und Jugendliche. Das ständige Daheimbleiben in Corona-Zeiten sei auch für viele Heranwachsende problematisch gewesen. Die Wiedereröffnung der Jugendtreffs wurde gut angenommen. Eine Herausforderung seien die Sommerprojekte, etwa Erlebniswochen, Betreuungsangebote für Kinder und dergleichen. „Wir versuchen aber alles in Einklang mit den Sicherheitsbestimmungen auf die Reihe zu bekommen“, so Kneissl. Es gebe in Sachen Sommerbetreuung noch einige freie Plätze, da es bereits einige Absagen gegeben habe. Stefan Ganterer, Direktor des Schulsprengels Latsch, wies auf die Probleme im schulischen Bereich hin. Der Fernunterricht sei nicht immer leicht gewesen, die Informationen seitens der Politik oft mangelhaft. „Und wir werden auch im nächsten Schuljahr keine Normalität haben“, blickte er voraus. Es brauche auch die Unterstützung seitens der Gemeinden, etwa was die regelmäßigen Reinigungsdienste betreffe.

„Im Regen stehen gelassen“ 

„Wir werden vom Land im Regen stehen gelassen“, kritisierte auch Gemeindereferent Mauro Dalla Barba. So sei man unter anderem in Bezug auf die Organisation des Sommerkindergartens „lange hingehalten worden“. Nun arbeiten die Vinschger Gemeinden daran, diesen Dienst neu aufzustellen. Vize-Bürgermeisterin Sonja Platzer informierte über den sozialen Bereich. Für Lebensmittelgutscheine, wie sie der Staat zur Verfügung gestellt hat und die sich je nach Anzahl der Familienmitglieder zwischen 150 und 550 Euro belaufen, habe es im März 28 Ansuchen gegeben. „Elf waren positiv“, so Platzer. Man habe viele enttäuschen müssen, aber es galten strenge Kriterien. Im April habe es fünf Ansuchen gegeben, die allesamt genehmigt wurden. Dabei wies Platzer auch auf die Latscher Tafel hin, wo Bedürftige in Sachen Lebensmittel Unterstützung fanden.

„Öffnen für wen?“  

Roman Schwienbacher, der Präsident des Tourismusvereins, erklärte die „katastrophale Situation“ für die Beherbergungsbetriebe. „Wir dürften zwar öffnen, aber für wen? Die Reisewarnung in Deutschland dauert leider bis Mitte Juni an. Das ist schwierig“, betonte Schwienbacher. Deutsche Gäste würden vor Mitte Juni wohl kaum nach Südtirol kommen. Auch die Absage von Veranstaltungen wie der „Trail Trophy“, die rund 400 Mountainbiker am Pfingst-Wochenende nach Latsch gelockt hätte, oder des Eishockey-Trainingslagers vom ERC Ingolstadt im August, sei verheerend. Mit dem Trainingslager musste auch der Vinschgau Cup, ein prestigeträchtiges Eishockey-Turnier abgesagt werden. „Immerhin kommen unsere Freunde aus Ingolstadt voraussichtlich Anfang Oktober zum Training nach Latsch“, so Schwienbacher. 

Liftbetrieb auf Tarscher Alm ab Mitte Juni? 

Dem Sessellift hinauf auf die Tarscher Alm stehe eine Revision bevor. Hierbei strebe man eine „große Revision“ an, womit der rund 40 Jahre alte Lift für weitere zehn Jahre fahren könne. Die Kosten belaufen sich auf rund 790.000 Euro Brutto, wobei es hier erhebliche Landesbeiträge von bis zu 65 Prozent geben könnte. Auch die Gemeinde Latsch unterstützt die Revision mit rund 150.000 Euro, was bei der Sitzung genehmigt wurde. Erste Arbeiten wurden bereits aufgenommen, damit könne der Liftbetrieb ab Mitte oder Ende Juni aufgenommen werden. Die vollständige Revision soll bis zur Sommersaison 2021 abgeschlossen werden. Wenn heuer der Liftbetrieb aufgenommen wird, solle auch ein neuer Familienwanderweg eröffnet werden. In Sachen Zusammenschluss Latsch-Ulten wies Thomas Rinner vom Tourismusverein auf eine im vorigen Jahr in Auftrag gegeben Machbarkeitsstudie hin. Hier herrsche derzeit etwas Stillstand. Nach den Gemeinderatswahlen, sobald in Ulten ein neuer Gemeinderat stehe, solle das Projekt wieder Fahrt aufnehmen.

GIS ausgesetzt 

Bürgermeister Helmut Fischer wies darauf hin, dass die Gemeindeimmobiliensteuer GIS bis Ende des Jahres für Betriebe und Private ausgesetzt sei. Diese teilweise oder vollständig zu erlassen, sei nur durch Land oder Staat möglich. „Es ist eine der wichtigsten Einnahmequellen für die Gemeinden“, betonte Fischer. Das Land sei hier gefordert. Die entstandenen Ausfälle müssten laut Fischer den Gemeinden ersetzt werden, „sonst geraten diese in eine finanzielle Krise“. Die Coronakrise treffe die Gemeinde ohnehin schon hart, unter anderem gab es große Verluste aufgrund der geringen Auslastung der Seilbahn von St. Martin. Herbe Einbußen gab es auch bei der Viva:Latsch, jener gemeindeeigenen Latscher Struktur, welche die Sportanlagen, wie etwa Schwimmbad und Eisstadion, verwaltet. 

Scharfe Kritik gab es unter anderem von Gemeinderat Sepp Kofler, was weitere Kosten für Sportplatz und Jugendzentrum betreffe. Die Arbeiten waren vor einigen Monaten abgeschlossen worden, die Kosten seien jedoch in die Höhe geschossen, kritisierte Kofler, der als derzeit parteiunabhängiges Mitglied im Gemeindeart sitzt. Unter anderem seien hier etwa noch 4.500 Euro an technischen Spesen für eine Brücke zu begleichen. Das Projekt, das beim anfänglichen Ideenwettbewerb noch Baukosten von rund einer Million Euro enthielt, habe schlussendlich, mit allem Drum und Dran, rund 3 Mio. Euro gekostet. 

Michael Andres
Michael Andres

Diese Seite verwendet Cookies für funktionale und analytische Zwecke. Lesen Sie unsere Cookie-Richtlinien für weitere Informationen. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden.