Solidarität statt Stigma

Am 1. Dezember war Welt-Aids-Tag

Publiziert in 42 / 2019 - Erschienen am 3. Dezember 2019

Bozen/Vinschgau - Am 1. Dezember wurde der Welt-Aids-Tag begangen. Weltweit erinnerten verschiedene Organisationen an das Thema Aids. Zwar ist die Krankheit heute kein Todesurteil mehr und kann gut unter Kontrolle gehalten werden, doch das Stigma bleibt. Diese Stigmatisierung und die damit einhergehende Diskriminierung stellen für Infizierte eine starke psychische Belastung dar. Deshalb haben die Vertreterinnen und Vertreter des Südtiroler Sanitätsbetriebes, der Caritas und des Vereins Pro Positiv auf einer Pressekonferenz am 29. November mehr Solidarität und weniger Stigmatisierung für die Betroffenen gefordert. Wer sich heute mit HIV infiziert, hat dank moderner Behandlungsmethoden und aktueller Medikamente eine fast normale Lebenserwartung in einer nahezu gleich hohen Lebensqualität wie ein Nicht-Infizierter. Allerdings erleben Menschen mit HIV immer noch Zurückweisung, Benachteiligung und oft genug auch Schuldzuweisungen – im Sinne von: Selber schuld! All das kann bei den Betroffenen zu psychischen Erkrankungen mit allen damit zusammenhängenden negativen Folgen führen. Für manche ist die Angst vor Zurückweisung und Diskriminierung oft genug ein Grund, sich keinem HIV-Test zu unterziehen. Diese Menschen leben dann möglicherweise lange mit einer unbehandelten, weil nicht erkannten HIV-Infektion, bis sie schwer erkranken.

Unbegründete Ängste

Die Basis für die Diskriminierung von Menschen mit HIV sind meist unbegründete Ängste vor einer HIV-Übertragung, oft genug aber auch schlicht Vorurteile, die seit Jahrzehnten kursieren aber auch wiederlegt sind. Immer noch wird HIV häufig und fälschlicherweise mit Homosexualität, negativ bewertetem Sexualverhalten sowie Drogenkonsum in Verbindung gebracht wird. Dabei gibt es keinen vernünftigen Grund, HIV-Infizierte zu meiden, denn der Kontakt im üblichen Rahmen ist ohne Risiko. So sind etwa Küsse, Zungenküsse, Körperkontakte, Hautkontakte, gemeinsames Essen, gemeinsame Nutzung von Geschirr, Kleidung und Wäsche oder die gemeinsame Nutzung von Schwimmbad, Sauna, Toiletten und Waschraum nicht ansteckend. Werden die üblichen Hygieneregeln beachtet, gibt es auch bei Maniküre, Piercing, Tätowieren und dem Stechen von Ohrringen kein Risiko. Allerdings sollten stechenden oder schneidenden Gegenstände, die mit Blut in Kontakt kommen können, immer nur einmal benutzt oder wirksam desinfiziert werden.

Übertragungswege

Weiterhin erfolgt die Übertragung des Virus am häufigsten durch Geschlechtsverkehr. Das Virus befindet sich in Blut, Samenflüssigkeit, Scheidensekret, Wundsekret und in der Darmschleimhaut. Ein Eindringen des Virus in den Körper ist über winzige Verletzungen möglich, besonders über die empfindliche Darmschleimhaut, der Schleimhaut am Muttermund, der Scheidenhaut und der männlichen Vorhaut. Eine Ansteckung ist auch durch den gemeinsamen Gebrauch von Spritzbestecken, durch unsachgemäßes Piercing oder unsachgemäß durchgeführter Tätowierungen möglich. Nach wie vor besteht das höchste Ansteckungsrisiko bei ungeschütztem Anal- und Vaginalverkehr. Ungeschützter Oralverkehr ist ebenfalls risikoreich, sofern es zum Samenerguss im Mund kommt und gleichzeitig Verletzungen oder Entzündungen der Mundschleimhaut oder des Rachens vorhanden sind. Bei Personen mit intravenösem Drogenkonsum blieb die Infektionsrate in den vergangenen Jahren stabil.

HIV in Südtirol

In Südtirol leben 850 Patienten mit dem HIV-Virus. Die meisten dieser Personen – rund 500 - werden im Landeskrankenhaus Bozen betreut und behandelt, die restlichen ziehen eine Betreuung durch ein Krankenhaus außerhalb Südtirols vor. 70 Prozent der von der Infektionsabteilung des Landeskrankenhauses Bozen Betreuten HIV-Infizierten sind männlich, 30 Prozent weiblich. In den vergangenen Jahren infizierten sich im Durchschnitt alljährlich 20 bis 25 Südtiroler und Südtirolerinnen mit HIV. Von Dezember 2018 bis November 2019 gab es in Südtirol 15 neue Fälle, was einer Infektionsrate von 2,8 Fälle pro Hunderttausend Einwohner entspricht. In Italien lag die Infektionsrate im Jahr 2018 bei 4,7 Fällen pro Hunderttausend Einwohnern, im gleichen Jahr betrug diese europaweit 5,1 neue Fälle pro Hunderttausend Einwohnern. Das Durchschnittsalter der Neuinfizierten in Italien liegt bei 39 Jahren, 14 Prozent sind jünger als 25 Jahre. Betroffen sind überwiegend Männer (85 Prozent), 41 Prozent der Neuinfizierten haben sich über ungeschützten heterosexuellen Geschlechtsverkehr angesteckt, 39 Prozent bei ungeschütztem gleichgeschlechtlichen Geschlechtsverkehr. 70 Prozent der Neuerkrankungen in Italien betrafen Italienerinnen und Italiener, 30 Prozent Personen mit einer anderen Staatszugehörigkeit. Ein großer Teil der festgestellten Neuerkrankungen betraf 2018 die so genannten Late Presenter. Das sind Personen, die erst im fortgeschrittenen Stadium der Krankheit bei den Gesundheitsdiensten vorstellig werden. In Europa lag diese Quote im vergangenen Jahr bei 49 Prozent, in Italien bei 57 Prozent der neuen Fälle.

Gute Versorgung in Südtirol

„Wir haben in Südtirol eine gute Versorgung der HIV-Positiven, unsere Infektionsabteilung versorgt alle HIV Patienten von Südtirol. Wir sind auf HIV-Therapie und -Betreuung spezialisiert, in unseren Ambulatorien gibt es keine Wartezeiten und Notfälle werden bei uns sofort versorgt“, unterstreicht Elke Maria Erne, Primaria der Infektionsabteilung am Landeskrankenhaus Bozen. Ein besonderes Anliegen ist der Primaria die Vorsorge: „Niemand sollte sich aus Angst vor einer eventuellen Stigmatisierung von der Durchführung eines HIV-Tests abhalten lassen. Es ist wichtig, dass so viele Menschen wie möglich den Test machen. Damit könnte die Verbreitung der Krankheit noch besser eingedämmt werden.“ Laut dem Sanitätsdirektor Pierpaolo Bertoli ist Aids eine Krankheit, die zwar derzeit in einer begrenzten Zahl von Fällen auftritt, aber nicht zu unterschätzen ist. Es sei weiterhin notwendig, wachsam zu sein und sich des Risikos bewusst zu sein - das gilt besonders jungen Menschen. 

Licht- und Schattenseiten

Die an sich gute Nachricht, dass heute mit modernen Medikamenten und Methoden HIV gut unter Kontrolle gehalten werden kann, hat auch ihre Schattenseite. Denn vor allem für jüngere Generationen, die die Todeswellen in den 80er- und 90-Jahren nicht miterlebt haben, hat die Krankheit ihren Schrecken verloren. Dabei ist HIV und in der Folge Aids immer noch unheilbar und potenziell tödlich. Deshalb ist und bleibt Vorbeugung und Aufklärung in Sachen Aids weiterhin immens wichtig. Raffaele Pristerà, Verein Pro Positiv: „Test ruft Test: Ein Test bleibt der erste Schritt im Kampf gegen Aids. Testen ist wichtig für sich selbst aber auch für seinen Partner. Einen Test zu machen bedeutet also auch, andere Menschen zu ermutigen, diesen ebenfalls durchzuführen.“

Redaktion

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