Das Tierwohl ist ein Thema, das immer stärker in den Mittelpunkt rückt und an Bedeutung gewinnt.
Matthias Gauly, BRING-Obmann Daniel Gasser und BRING-Geschäftsführer Christian Plitzner
Irene Holzmann (BRING)
Johann Zingerle vom Oberhuberhof in Vintl
Sophia Kienzl vom „Walchhof“
Raika -Direktor Markus Moriggl

Tierwohl im Fokus

Gauly: „Es gibt Handlungsbedarf.“ Keine Alternative zum „Projekt Tierwohl“. 

Publiziert in 39 / 2019 - Erschienen am 12. November 2019

Burgeis - Bei der heurigen Auflage des bereits traditionellen Vinschger Berglandwirtschaftstages, der am 8. November in der Fachschule für Land- und Forstwirtschaft Fürstenburg in Burgeis stattgefunden hat, stand ein sehr aktuelles Thema im Mittelpunkt, nämlich das Tierwohl. Neben vielen interessierten Bauern und Tierärzten konnten die Schuldirektorin Monika Aondio und der Bauernbund-Bezirksobmann Raimund Prugger auch viele Fachschüler/innen zur Tagung begrüßen. Organisiert worden ist diese in Zusammenarbeit mit dem Beratungsring Berglandwirtschaft (BRING) und mit Unterstützung der Vinschger Raiffeisenkassen. Professor Matthias Gauly von der Freien Universität Bozen zeigte im Hauptvortrag zunächst auf, was unter den Begriffen Tierwohl und Tiergesundheit zu verstehen ist. Das Tierwohl umfasse nicht nur das Fehlen von Krankheiten, sondern auch das Zulassen positiver Emotionen der Tiere und das Schaffen von Voraussetzungen dafür, dass sich die Tiere wohl fühlen: Können sich in einem Stall alle Kühe gleichzeitig hinlegen? Steht immer genug Wasser zur Verfügung? Gibt es ausreichend Platz? Dürfen die Tiere ins Freie?

Handel und Verbraucher machen Druck

Das Thema Tierwohl gewinnt zunehmend an Bedeutung. „Vor allem der Handel und die Verbraucher machen Druck“, so Gauly. Abgesehen davon, dass es eine ethische Verpflichtung der Bauern sei, auf die Gesundheit und das Wohl der Tiere zu achten, werde der Wunsch der Verbraucher nach Produkten, die tiergerecht erzeugt werden, immer größer. Der Handel wiederum richte sich nach den Wünschen der Kunden. In diesem Sinn werde das Tierwohl auch zu einem Faktor der Wettbewerbsfähigkeit. In Sachen Tierwohl gebe es in Südtirol laut Gauly Handlungs- und Nachholbedarf: „In Werbekampagnen von Milchhöfen wird oft von ‚glücklichen’ Kühen gesprochen, doch die Realität sieht nicht selten anders aus.“ Gauly, der auch am Projekt „Tierwohl Südtirol“ beteiligt ist, gab sich abschließend überzeugt, „dass Tiergesundheit und Tierwohl praxisnah, wiederholbar, objektiv und in relativ kurzer Zeit erfasst werden können.“ Tiergesundheit und Tierwohl seien aus Gründen der Tierethik, der Wirtschaftlichkeit und der Vermarktung von zentraler Bedeutung. „Südtirol muss sich beteiligen. Eine Alternative zum ‚Projekt Tierwohl’ gibt es nicht.“ Die investierte Arbeite werde sich auszahlen. Bei der Diskussion wurden u.a. die Themen Laufstall und Anbindehaltung aufgeworfen. Gauly brach zwar grundsätzlich eine Lanze für Laufställe, deren Errichtung entsprechend zu fördern sei, zeigte sich aber auch davon überzeugt, dass es möglich ist, die Anbindehaltung mit gezielten Maßnahmen zu verbessern, wobei sich oft auch mit kleinen Veränderungen viel bewirken lasse. Es sei nämlich nicht so, dass jeder Laufstall super bzw. jeder Anbindestall schlecht sei. Mehrere Diskussionsteilnehmer warfen ein, dass der Bau von Laufställen auf kleinen Betrieben im Berggebiet schwierig sein. Laut dem BRING-Obmann Daniel Gasser sollten Lauf- und Anbindestalle nicht gegeneinander ausgespielt werden.

Die Signale der Kuh

Irene Holzmann (BRING) machte in ihrem Referat auf die Signale aufmerksam, die täglich von den Kühen ausgehen und die Auskunft über ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit geben. Von der Körperhaltung, den Verhaltensweisen und anderen äußeren Merkmalen lasse sich vieles ablesen. Werden die Signale richtig erkannt, können Betriebsabläufe verbessert und das Wohlbefinden und die Leistung der Kühe gefördert werden. Als konkretes Beispiel für die Verbesserung des Kuhkomforts nannte sie die Kalkstrohmatratze. Wie Tierwohl in der Praxis funktioniert, erläuterte Johann Zingerle vom Oberhuberhof in Vintl. Dort stehen Tierwohl und Tiergesundheit im Mittelpunkt.

Putenschinken aus Schnals

Viel Zuspruch fand auch das Referat von Sophia Kienzl vom „Walchhof“ in Katharinaberg. Sie berichtete über ihre Matura-Arbeit an der Fachschule Fürstenburg und die Umsetzung ihres Projektes der Putenhaltung. „Mit dem Projekt möchte ich auf meinem elterlichen Betrieb ein innovatives, nachhaltiges, attraktives und wirtschaftliches Standbein errichten,“ sagte Sophia. Als Hauptziel nannte sie die Produktion von tiergerecht erzeugtem Putenfleisch. So wurden in Kooperation mit der Metzgerei „Kiem“ zwei Kochschinkenvariationen aus Putenfleisch kreiert. Sophia Kienzl gab sich überzeugt, „dass Putenhaltung über ein großes Potenzial für landwirtschaftliche, kleinstrukturierte Familienunternehmen in Südtirol verfügt.“ Geflügelfleisch werde weltweit konsumiert, die Nachfrage sei stabil. Auch in Südtirol sei dieser Trend zu erkennen. Mit der Putenaufzucht am „Walchof“ wurde im Februar 2019 mit 11 Eintagsküken begonnen. Derzeit wird ein neuer Stall gebaut. In Zukunft sollen zusätzlich zu den Schinkenvariationen weitere Produkte dazu kommen. Abgeschlossen wurde die Tagung mit einem Referat des Direktors der Raiffeisenkasse Obervinschgau, Markus Moriggl, über wirtschaftliche Perspektiven für die Berglandwirtschaft. Ausgehend von einer wissenschaftlichen Arbeit aus dem Jahr 2007 von Markus Schermer und Christoph Kirchengast beleuchtete Moriggl verschiedene Möglichkeiten und Chancen der wirtschaftlichen Ausrichtung bäuerlicher Betriebe im Berggebiet.

Josef Laner
Josef Laner

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