Volkskurzzeitgedächtnis

Publiziert in 9 / 2014 - Erschienen am 12. März 2014
Allein im „Tagblatt der Südtiroler“ hat es in den Tagen nach Veröffentlichung der Liste mit den Politikerpensionen 166 Leserbriefe dazu gegeben. Jede Form von Kritik und Beschimpfung der legislativen Untat wurde schon zu Papier gebracht. Für das Unwort des Jahres 2014 konkurrieren „Pensionsvorschuss“ und „erworbenes Recht“ und Ex-„Kultur“landesrätin Kasslatter Mur hat mit „Bitte fragen Sie mich nicht, wie ich mich fühle.“ den Unsatz des Jahres beigesteuert – für einige die zynischste Aussage seit Marie Antoinettes Zeiten. Da diesbezüglich alles gesagt ist, möchte ich einen eher ungewöhnlichen Gedanken einbringen. Man muss fast froh sein, dass durch kalkulierte Hinterfotzigkeit die Bombe erst nach (!) den Wahlen geplatzt ist, ansonsten hätte es im Rausch des Politikhasses außergewöhnlich viele Protest- und Nichtwähler gegeben. Man hätte nicht einmal mehr die traditionelle Opposition wählen können, denn diese hebt sich nicht sonderlich von den von ihnen stets Kritisierten ab. Damit wäre das Machtgefüge, so sehr es auch erneuerungsbedürftig ist, vollkommen aus den Fugen geraten. Die Geschichte lehrt uns aber, dass eine gestürzte Ordnung, an der es berechtigte Kritik gibt, nicht automatisch eine neue und bessere Ordnung hervorbringt. Ganz im Gegenteil. Und wenn jetzt von einem Denkzettel für die nächsten Landtagswahlen gesprochen wird, dann glaube ich, ehrlich gesagt, nicht daran. z
Christian Zelger
Christian Zelger

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