Von St. Bürokratius bis Steuerdruck
Publiziert in 18 / 2014 - Erschienen am 14. Mai 2014
Den Handwerkern brennt vieles unter den Nägeln
Schluderns - Die „Zettelwirtschaft“ ufert weiter aus, die Steuerbelastung für Klein- und Kleinstbetriebe ist erdrückend, so manche Vorschriften und Vorgaben sind sinnlos, der Beitragsstopp hemmt die Investitionsbereitschaft. Die Liste der Probleme und Anliegen der Handwerker ist lang. Deutlich gezeigt hat sich dies am 5. Mai bei der gut besuchten Versammlung der LVH-Bezirke Ober- und Untervinschgau im Kulturhaus in Schluderns. Neben Funktionären, Althandwerkern, LVH-Frauen und Junghandwerkern konnte der Ortsobmann der veranstaltenden LVH-Ortsgruppe Schluderns, Umberto Ceccarelli, auch viele Politiker begrüßen. „Bei der Bürokratie ist die Schmerzgrenze längst erreicht“, beanstandete der Obervinschger Bezirksobmann Erhard Joos. Man müsse sich immer öfter die Frage stellen: „Welchen Beruf haben wir gelernt? Finden wir neben der ganzen Bürokratie noch Zeit zum Arbeiten?“ Der Untervinschger Bezirksobmann Andreas Nagl erinnerte daran, dass die Zahl der Lehrlinge in Südtirol von 2002 bis 2012 von 5.000 auf 4.000 gesunken ist. Es sei für Betriebe schwieriger geworden, Lehrlinge einzustellen. Der Zugang zur Berufsmatura müsse auch jenen ermöglicht werden, die nur eine dreijährige Ausbildung absolvieren. Dass Ausgaben für Verbesserungsarbeiten in Gewerbegebieten von den Gemeinden an die Betriebe weiterverrechnet werden, gehe nicht an. Einen solchen Fall gebe es in Schlanders. Hier sei das Landesgesetz zu ändern.
Trotz allem „bestimmte Zuversicht“
Krisenzeiten bergen laut LVH-Präsident Gert Lanz immer auch die Chancen, sich neu zu positionieren. In diesem Sinne schaue er mit einer „bestimmten Zuversicht“ in die Zukunft. Die großen Trümpfe des Südtiroler Handwerks sieht er in der unumstrittenen Qualität der Produkte, in der Professionalität der Betriebe und im dualen Berufsausbildungssystem, „das mittlerweile nicht nur in Europa, sondern weltweit wie ein Zauberwort in den Mund genommen wird.“ Mehr einbringen müssten sich die Handwerker im Bereich Marketing und Kommunikation: „Wenn wir schon gut sind, müssen wir das auch zeigen.“ Seitens der Banken erwartet sich Lanz mehr Entgegenkommen bei der Beschaffung von Liquidität. Über die vorläufige Aussetzung von Beiträgen und Förderungen informierte Erwin Pardeller, der Direktor des Amtes für das Handwerk. Die bisher angestauten Beitragsansuchen sollen bis 2017 abgebaut werden. Hand in Hand mit dem Beitragsstopp habe die Landesregierung aber auch Steuererleichterungen für Betriebe beschlossen. Der Regionalassessor Sepp Noggler wertet den Beitragsstopp in Zeiten der Krise als schlechte Lösung, „denn ich befürchte, dass Investitionen aufhören.“ Er hoffe, dass zumindest der Rotationsfonds für die Tourismusbranche in wenigen Monaten wieder aufgeht. Er wisse von Tourismusbetrieben im Vinschgau, die aufgrund des Stopps Aufträge abgesagt haben. Laut Landesrat Richard Theiner „befinden wir uns in vielen Bereichen im Umbruch. Es geht darum, neue Kriterien zu erarbeiten und die Förderungspolitik insgesamt neu auszurichten.“ Mit dem derzeit bestehenden „Gesetzesdschungel“ im Bereich Raumordnung wolle man mit einem Einheitstext aufräumen. Spürbar Bürokratie abbauen lasse sich dann, „wenn wir EU-Richtlinien hier im Land umsetzen können, und zwar bevor es der Staat tut.“ Neben Theiner hofft auch der Kammerabgeordnete Albrecht Plangger, dass mit dem geplanten Südtiroler Vergabegesetz Bürokratie abgebaut werden kann. Insgesamt gesehen sei es schwierig, in Rom, wo viel zu vielen Bürokraten sitzen, Bürokratie abzubauen. Noch heuer nutzen sollten die Betriebe laut Plangger die staatlichen Förderungen für energetische Sanierungen.
Auf dem Weg
zu günstigerem Strom
Über die geplante Übernahme des Stromnetzes im Obervinschgau, die ins Auge gefasste eigenständige Stromverteilung und die Gründung einer Verbraucher-Genossenschaft informierte Georg Wunderer, Obmann der E-Werk-Genossenschaft Prad und Koordinator des „Energie-Tisches“, den Energielandesrat Richard Theiner auf Landesebene eingerichtet hat. „Wichtig ist, dass wir die Stromwirtschaft selbst in die Hand nehmen“, sagte Wunderer. Damit bliebe nicht nur mehr Wertschöpfung im Tal, sondern es entstünden neue innovative Arbeitsplätze, es käme zu einer besseren Dienstleistung und möglicherweise zu einem günstigeren Strompreis für die Familien und Betriebe in Höhe von 10 bis 12%. Der Weg bis dahin sei allerdings noch lang.
Neustart bei KlimaHaus angeregt
Der LVH-Ortsobmann von Schlanders, Günther Gemassmer, regte bei der Diskussion an, auch beim Thema „KlimaHaus“ Bürokratie abzubauen und einen Neustart mit Hausverstand zu wagen. Den Vorschlag von Gemassner, dass das Land gemeinsam mit dem LVH einen runden Tisch dazu einrichten soll, begrüßte Richard Theiner. Kritisiert wurde, dass nicht alle Arbeitssicherheitskurse an den Berufsschulen abgehalten werden. Viele Kurse seien zudem sinnlos und völlig realitätsfremd. Welche Bedeutung das Handwerk im Tal hat, zeigen schon allein zwei Zahlen: ca. 900 Betriebe mit rund 4.000 Beschäftigten.sepp

Josef Laner