Wenig Freude mit der Rückkehr des Bären
Publiziert in 15 / 2016 - Erschienen am 20. April 2016
Angeregter Diskussionsabend in Burgeis. Nicht nur die Imker sind in Sorge. Rechtzeitige und umfassende Information gefordert.
Burgeis - Es war der männliche Jungbär mit der Bezeichnung M32, der im Vorjahr und auch heuer im Gebiet von Prad, Sulden und Taufers im Münstertal unterwegs war. Aufgefallen ist er vor allem durch seine Übergriffe auf Bienenstände, speziell in Taufers, wo er mehrmals Bienenstände plünderte, mehrfach zum selben „Tatort“ zurückkehrte und auch vor einem elektrischen Zaun nicht Halt machte. Die Nachricht, dass es höchstwahrscheinlich der Jungbär M32 war, der in der Nacht auf den 9. April bei Zernez im Engadin von einem Zug überfahren und getötet worden war, vermochte es nicht, das Interesse am Informations- und Diskussionsabend zu schwächen, der am 13. April im voll besetzten Kulturhaus in Burgeis stattfand. Eingeladen hatte das Landesamt für Jagd und Fischerei in Zusammenarbeit mit dem Forstinspektorat Schlanders. „Es geht heute darum, über das Zusammenleben zwischen Mensch und Bär zu informieren und über die dafür notwendigen Verhaltensweisen aufzuklären“, sagte Mario Broll, der Leiter des Forstinspektorates. Er freute sich, dass Vertreter aller Interessensgruppen gekommen waren, die direkt oder indirekt mit dem Thema der Rückkehr des Braunbären zu tun haben. Er nannte u.a. die Bauern, Imker, Förster, Jäger, Umweltschützer sowie Vertreter der Politik und des Nationalparks.
„Wir können
die Bären nicht töten“
Luigi Spagnolli, der neue Direktor des Amtes für Jagd und Fischerei, stellte eingangs klar, dass die Großraubtiere Bär, Wolf und Luchs laut der geltenden Gesetze auf Europa- und Staatsebene „als Teil der biologischen Vielfalt eingestuft wurden und daher zu schützen sind.“ Die EU habe diese Entscheidungen demokratisch und mehrheitlich getroffen. „Wir können die Bären nicht töten, sondern wir müssen lernen, mit ihnen umzugehen“, so Spagnolli. Was die Landwirtschaft betrifft, speziell den Schutz von Schafen oder Ziegen, aber auch von Bienenständen, „sind Maßnahmen zu setzen.“ Spagnolli sicherte zu, dass Berater kostenlos zur Verfügung gestellt werden und dass es Beiträge für die Errichtung von Zäunen und anderen Schutzmaßnahmen geben wird. Hand in Hand mit der Rückkehr des Bären, und auch des Wolfes, werde man sich speziell in der Landwirtschaft wieder daran gewöhnen müssen, Viehherden nicht ungeschützt zu belassen. Andreas Agreiter, der stellvertretende Direktor des Amtes für Jagd und Fischerei, informierte einleitend über die Biologie des Braunbären und dessen Lebensraum. Südtirol sei zwar stark besiedelt, „aber es gibt trotzdem genug Rückzugsräume.“ Aufgrund des hohen Grades an biologischer Vielfalt finden Bären in Südtirol eine gute Nahrungsgrundlage vor. Der Braunbär nimmt zum Großteil (zwei Drittel) pflanzliche Nahrung zu sich. Was die Ausbreitungsgrenzen betrifft, „so ist das Etschtal ab Meran nicht eine absolute Barriere.“
Rund 50 Bären im Trentino
Auch über die Ansiedlung und Ausbreitung der Bären im Trentino berichtete Agreiter. Ziel des Projektes „Life Ursus“, das von 1997 bis 2004 umgesetzt wurde, war es, eine sich selbst erhaltende Bärenpopulation wiederherzustellen. Im Brenta-Gebiet lebten 1997 nur noch 3 Bären. Von 1999 bis 2002 wurden 10 Tiere (7 weibliche und 3 männliche) ausgewildert. Wie Agreiter unterstrich, hatte das Land Südtirol keine aktive Rolle im Wiederansiedlungsprojekt. Mittlerweile beläuft sich die Anzahl der Bären im Trentino auf ca. 50. Von 2002 bis 2015 gab es bei 48 Würfen 101 Junge, wobei bei weitem nicht alle überlebten. In den vergangenen 15 Jahren konnten in Südtirol 23 verschiedene Bären, die vom Trentino nach Südtirol gewandert waren, genetisch bestätigt werden. Mit Ausnahme der Bärin Vida handelte es sich ausschließlich um männliche Tiere. Die Zahl der Schäden in Südtirol ging von 2007 bis jetzt merklich zurück. 2007 wurden über 100 Haustiere gerissen. Von 2013 bis 2015 waren es weniger als 10 pro Jahr. Zugenommen haben indessen die Schäden an Bienenständen. 2015 wurden fast 40 Bienenstöcke, unter anderem auch im Vinschgau, heimgesucht. Die Schadensvergütungen seitens des Landes beliefen sich 2014 auf ca. 9.400 Euro, während es im Vorjahr ca. 13.000 Euro waren.
Menschliches Fehlverhalten
Auch auf die Thematik sogenannter Schad- bzw. Problembären ging Agreiter ein. Im Jahr 2012 zum Beispiel wurden im Trentino 73% aller Schäden von 4 der damals 48 Bären verursacht. Das nicht normale Verhalten einzelner Bären ist oft die Folge menschlichen Fehlverhaltens. Zu können sich Bären z.B. daran „gewöhnen“, nicht verschlossene Biomüll-Container aufzusuchen. Hinzu kommt, dass Jungbären von ihren Müttern lernen. Die Gefahr für den Menschen im Falle von Begegnungen mit Bären in Südtirol schätzt Agreiter als sehr gering ein, „weil es bei uns bis jetzt keine weiblichen Tiere gibt, die hier sesshaft sind, und weil die Bären grundsätzlich fliehen.“ Im Trentino habe es zahlreiche Scheinattacken gegeben. Manchmal wurden Menschen auch verletzt, und zwar bei Situationen, die sich einstellen können, wenn ein Bär z.B. verletzt ist, wenn eine Bärin Junge hat oder wenn ein Bär von einem Hund angegriffen wird. Auch mit Tipps für das richtige Verhalten im Bärengebiet wartete Agreiter auf. Begegnet man einem Bären, soll man z.B. mit Geräuschen auf sich aufmerksam machen, sich langsam zurückziehen und nicht rennen, „denn der Bär ist immer schneller.“
Auch Schadbär ist Problembär
In Bezug auf den Bären-Managementplan PACOBACE für die italienischen Alpen hielt Agreiter fest, dass zusätzlich zu gefährlichen Bären auch Schadbären als Problembären eingestuft wurden. Als Schadbär gilt ein Bär, der wiederholt Schäden an Nutztieren, Bienenstöcken oder Kulturen anrichtet bzw. der wiederholt menschliche Nahrungsquellen nutzt. Als gefährlich eingestuft wird ein Bär, der wiederholt in geschlossene Siedlungen vordringt, geringe Scheu vor Menschen hat, wiederholt Scheinangriffe oder Angriffe mit Körperkontakt durchführt und Anzeichen potentieller Gefahr aufweist. Auch eine Reihe unterschiedlicher Maßnahmen sieht der Managementplan vor. Die Palette reicht von vorbeugenden Maßnahmen und Sicherheitsvorkehrungen über die Besenderung und intensive Überwachung bis hin zu Vergrämungsmaßnahmen, dem Einsperren und als letzte Maßnahme die Entnahme, wofür es allerdings eine Ermächtigung des Umweltministeriums braucht.
„Warum wurde nichts getan?“
Bei der Diskussion warf der Imker Roland Bucher aus Taufers den Referenten am Podium Untätigkeit vor. Es habe bereits 2015 Plünderungen von Bienenständen gab: „Warum habt ihr nichts getan? Nur den Kot und andere Spuren einsammeln ist zu wenig.“ Man hätte den Bär zumindest mit einem Sender ausstatten sollen. Spagnolli, Agreiter und Broll stimmten darin überein, „dass genau das unternommen wurde, was das Gesetz erlaubt.“ Die Errichtung von Elektrozäunen sei für solche Fälle die richtige Maßnahme. Laut Broll sei der Spielraum innerhalb der Maßnahmen nicht sehr groß, „und wir können nicht in allen Fällen sofort von Problembären reden.“ Mehrere Imker sowie auch die Bezirksobmänner des Imkerbundes, Othmar Patscheider (Obervinschgau) und Konrad Tscholl (Untervinschgau), hielten fest, dass die Imker derzeit ohnehin einen nicht leichten Stand hätten und dass es nicht angehe, zusätzlich dazu auch noch Probleme mit Bären zu bekommen.
„Dann könnt ihr selbst imkern“
Außerdem gehe es nicht nur um den Ersatz der Schäden, „sondern auch darum, dass manche Bienenzüchter die Imkerei aufgeben, „und dann könnt ihr selbst imkern“, wie es wörtlich hieß. Zudem wurde gefordert, dass der Bau von Schutzzäunen nicht nur zu 50%, sondern zur Gänze seitens der öffentlichen Hand finanziert werden sollte. Mehrfach zur Sprach gebracht wurde bei der von Brolls Stellvertreter Georg Pircher moderierten Diskussion das Thema der Sicherheit. „Wenn ein Bär wiederholt in die Nähe des Dorfes kommt und Straßen überquert, ist das schon ein Problem“, meinte etwa Roselinde Gunsch Koch, die Bürgermeisterin von Taufers. Noch viel bedenklicher könnte es werden, „wenn mehrere Bären auftauchen.“ Gunsch Koch und weitere Diskussionsteilnehmer beanstandeten, dass man früher und besser hätte informieren und aufklären sollen. Auf die Frage von Albert Pritzi, wie die Bevölkerung im Trentino mit den Bären umgeht, meinte Spagnolli, „dass es dort schon längst keine Besonderheit mehr ist, wenn jemand einem Bären begegnet.“ Allerdings räumten er sowie auch Agreiter und Broll ein, dass im Zuge des Projektes „Life Ursus“ auch Fehler begangen wurden. So sei die Bevölkerung zu spät umfassend informiert worden.
„Eine so hohe Dichte wäre in Südtirol nicht sozialverträglich“
Laut Agreiter sei die Bärendichte im Trentino mittlerweile sehr hoch: „Eine solche Dichte wäre in Südtirol nicht sozialverträglich.“ Mit Ausnahme des Bärengebietes im Trentino seien die gesamten Alpen aber generell noch schwach mit Bären besiedelt: „Geht es nach der EU, sollten in den Alpen etliche hundert Bären leben. Davon ist man derzeit noch weit entfernt.“ Diese und weitere Aussagen zeigen, dass Südtirol auch in Zukunft nicht „bärenfrei“ sein wird. Dass sich viele ein Land ohne Bären wünschen, war bei der Diskussion oft herauszuhören. Überzeugt ist Agreiter auch davon, dass zusätzlich zum Bär bald auch der Wolf ein Thema im Vinschgau sein wird: „Im Piemont gibt es derzeit rund 20 Wolfsrudel. Der Wolf kommt von den Westalpen zu uns.“ Mehrfach betont haben die Referenten, dass die Themen Bär und Wolf noch immer stark mit Emotionen verbunden sind. Information, Sachlichkeit und Besonnenheit seien daher besonders gefragt. Auch die Medien hätten in diesem Sinn Verantwortung zu übernehmen. Agreiter: „Der Bär ist ein Wildtier und daher potentiell gefährlich. Respekt vor dem Tier ist angebracht, Angst nicht.“ Es gehe darum, das Risiko realistisch einzuschätzen. Zum Appell, wonach Südtirol versuchen sollte, sich in Sachen Großraubtiere aus der EU auszuklinken, meinte Broll: „Wir sind Teil der EU und wenn auf EU-Ebene mehrheitliche und demokratische Entscheidungen fallen, müssen wir diese akzeptieren bzw. uns mit der Realität abfinden.“ Und die Realität sei eben jene, „dass in den Berggebieten in Europa weniger als 10% der Gesamtbevölkerung leben und es somit die großen Städte und Ballungszentren sind, welche die Mehrheit ausmachen.“ Sepp
Josef Laner